Stadtnachrichten

Jg.1993

/ Nr.4

- S.8

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1993_Innsbrucker_Stadtnachrichten_04
Ausgaben dieses Jahres – 1993
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Neue Synagoge als Zeichen der
Versöhnung in Innsbruck eingeweiht
In der Tiroler Landeshauptstadt gibt es wieder eine Synagoge: 55 Jahre nach der
Zerstörung in der "Kristallnacht" im November 1938 durch Angehörige der Nationalsozialistischen Partei wurde das jüdische Bethaus an seinem früheren Platz in der
Sillgasse wiedererrichtet. In einem feierlichen Festakt am 2 1 . März, an dem mit Landeshauptmann Parti und Bürgermeister Niescher zahlreiche in- und ausländische Festgäste
und führende Vertreter der jüdischen, katholischen und evangelischen Kirche
teilnahmen, konnte der Neubau seiner Bestimmung übergeben werden.

(Th) Die neue Synagoge, die zugleich
auch das Gemeindezentrum für die israelitische Kulttisgemeinde Tirol/Vorarlberg mit 50 Personen die kleinste Österreichs darstellt, liegt im Erdgeschoß eines Wohnund Bürohauses. Die Errichtungskosten
von sieben Millionen Schilling teilten
sich Stadt, Land, Bund und Spender. Als
Architekt zeichnete Michael Prachensky
verantwortlich.
Für die jüdischen Mitbürger und Gäste
war es ein großer Moment, als nach dem
Anschlagen der Mesusa, einem Psalmgebet, durch Oberrabbiner Chaim Eisenberg
an die Türe der Synagoge, die Thorarollen
in den Thoraschrein an der Ostwand des
Gebetsraumes eingebracht wurden. Gesungene Gebete und eine Predigt vervollständigten diesen sehr feierlichen Akt.

Dialog zwischen Juden
und Christen
Beim anschließenden Festakt im KaiserLeopold-Saal in der Alten Universität
begrüßte Dr. Esther Fritsch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, die
Gäste und gab dabei ihrer großen Freude,
ihrem Stolz über das gelungene Werk und
ihrer Dankbarkeit für die Verwirklichung
des Projektes Ausdruck. Sie bezeichnete
Bischof Stecher als Wegbereiter des Dialoges: Ihm sei es gelungen, "Ecclesia und
Synagoge einander näherzubringen". Und
weiter: "Nach fünfjähriger Bauzeit ist
durch den guten Willen vieler und das gemeinsame Wollen ein großes Ziel erreicht
worden." Bischof Stecher erinnerte an die
Zeit vor 55 Jahren, als sich die Aggression
der Machthaber auch gegen die katholische Religion gerichtet habe und "die Geschichte der alten Sillgasse (links die Synagoge, rechts die Theologische Fakultät)
seither einen inneren Bezug aufweist." Als
Geschenk überreichte der Oberhirte einen
achtarmigen Leuchter sowie ein jüdisches
Gebetbuch in hebräischer Sprache, das aus

der zerstörten Synagoge geborgen und auf
Umwegen in seinen Besitz gelangt war.

Synagoge als Symbol
für einen Neubeginn
Den Festakt in Anwesenheit höchster akademischer und kirchlicher Würdenträger
bezeichnete Paul Grosz, Präsident des
Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs, als Symbol für
einen neuen Beginn in der Geschichte
zwischen Juden und Christen. Froh und
stolz darüber, daß nun auch die Inns-

brucker Gemeinde über ein eigenes Haus
verfüge, überbrachte Botschafter Peter
A ran die Grüße und Glückwünsche des
Staates Israel. Ausführlich in die Geschichte der Juden in Tirol und Österreich
ging Bürgermeister Romuald Niescher ein,
wobei er feststellte, daß "das Judentum in
Innsbruck immer ein stolzer Bestandteil
der Geschichte der Stadt war". Für ihn
zähle die Kristallnacht, in der es in Innsbruck zu den schwersten Ausschreitungen
in ganz Österreich gekommen sei, zu den
düstersten Kapiteln der Stadt. Der Bürgermeister warnte "vor einem neuen Ungeist", den zu registrieren nicht genüge,
sondern es gelte, den Anfängen zu wehren. Als gutes Signal und als positives
Symbol für das ganze Land bezeichnete
Landeshauptmann Alois Parti den Festakt
der Begegnung.
Für die musikalische Umrahmung der beeindruckenden Feier sorgte das Ensemble
Klesmer, Wien, sowie Assia Davidov vom
Landestheater.


1

tickin den
schlichten Kultraum der neuen
Synagoge: In der
Bildmitte hinter
dem Vorhang die
Nische mit den
Thorarollen, links
der achtarmige
Leuchter, im Vordergrund rechts am
Vorlesepult zwei
Tafeln mit Segenssprüchen und darüber der Davidstern.

um Eröffnungsfestakt im KaiserLeopold-Saal der
Alten Universität
konnte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Dr. Esther
Fritsch (ganz
links), führende
Persönlichkeiten
aus Innsbruck
sowie dem In- und
Ausland begrüßen.
(Fotos: Murauer)

STADTNACHRICHTEN - APRIL 1993

9