Stadtnachrichten

Jg.1993

/ Nr.4

- S.7

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Offizieller Empfang der Stadt Innsbruck im Bürgersaal des historischen Rathauses für ihre ehemaligen jüdischen Mitbürger. Das Bild zeigt die
16 "Innsbrucker" mit den Begleitpersonen. In der Mitte Bürgermeister Romuald Niescher und Vizebürgermeister Univ.-Prof. Dr. Norbert Wimmer.
Rechts Kulturstadtrat Mag. Hermann Girstmair.
(Foto: SNS)

Trotz grausamster Erinnerungen
in Liebe mit Innsbruck verbunden
Aus Anlaß der Eröffnung und Weihe der neuen Synagoge hatte die Stadt Innsbruck
jene ehemaligen, heute in Israel lebenden jüdischen Mitbürger, die 1938 der NaziVerfolgung entrinnen und aus Innsbruck flüchten konnten, mit je einer Begleitperson
nach Innsbruck eingeladen.

(we) Einst hießen sie z. B. Walter, Anni,
Leopold, Paul oder Inge; nach ihrer Flucht
aus Innsbruck nach Palästina im unseligen
Jahr 1938 wollten sie alles Schreckliche
vergessen und haben auch ihre Namen
geändert. Es wurden daraus Mosche, Chanah, Arie, Perez und Chedwa. 55 Jahre sind
seither vergangen. Vom 18. bis 25. März
waren 16 dieser seit ihrer Flucht in Israel
lebenden jüdischen Innsbrucker Mitbürger
zusammen mit Begleitpersonen zum dritten
Mal (nach 1972 und 1988, anläßlich des
50-Jahr-Gedenkens) Gäste der Stadt Inns-

bruck. Der älteste von ihnen ist heute 86.
Anlaß für die nunmehrige Einladung war
die Eröffnung und Weihe der neuen Synagoge in der Sillgasse. Sie steht nun wieder
am selben Ort, wo in der Kristallnacht 1938
das Unvorstellbare geschah. Für die Vorbereitung aller drei Einladungen zeichnet
der Personalchef der Stadt Innsbruck,
OAR Walter Schwamm, verantwortlich.
Das von der Stadtgemeinde organisierte
Aufenthaltsprogramm führte die Gruppe
u. a. auf den Patscherkofel, ins Landestheater, ins Kühtai, aufs Mieminger Plateau, ins

D.

elegationsleiter Joachim
Kurzmann
überreicht
Bürgermeister
Romuald
Niescher einen
Brief des Bürgermeisters von
Jerusalem, Teddy Kolleck
(Foto: SNS)

STADTNACHRICHTEN - APRIL 1993

Stubaital, zum Achensee und nach Hall.
Der im Jahr 1977 verstorbene, legendäre
Hugo Silberstein alias Gad Hugo Sella,
Autor des Buches "Die Juden in Tirol",
war im März 1938 im Alleingang auf
Skiern über den Tribulaun nach Italien geflüchtet und erreichte im Juli 1938 auf einem Fischdampfer Palästina. Er konnte
bei der Wiedereröffnung der Synagoge
nicht mehr dabei sein. Dafür aber seine
Schwester, Frau Trude Schwarz, für die
die Wiedererrichtung der Synagoge und
diese Einladung ein schönes Zeichen der
Wiedergutmachung sind. "Der Neubeginn
in Israel nach der Flucht war für uns alle
sehr hart. Die meisten von uns fanden
zunächst Arbeit in den Orangenplantagen,
bis wir vor allem die Sprache in unserer
neuen Heimat beherrschten." Haßgefühle
empfindet sie, wie auch die anderen jüdischen Gäste, keine. "Was können die Menschen heute dafür?" Dennoch ist sie erschüttert, daß die Bronzetafel, kaum daß
sie an der Synagoge angebracht war,
heruntergerissen wurde. Bürgermeister
Romuald Niescher zeigte sich zutiefst
empört über das Verhalten "Ewiggestriger" und bekundete seine tiefe Abscheu
vor dieser Tat.
Auch Joachim Kurzmann, der Leiter der
Delegation, sieht in der Einladung zur Synagogen-Eröffnung ein Signal Innsbrucks
für einen Weg der Versöhnung. Viele der
Innsbrucker Juden nützten den Aufenthalt
in ihrer ehemaligen Heimat, um alte Erinnerungen aufzufrischen und Freunde und
Bekannte von damals wiederzusehen.