Innsbruck Informiert

Jg.2024

/ Nr.2

- S.22

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Stadtgeschichte

Hitler entsorgen.
Vom Keller ins Archiv.
Puppenwagen, aus einer
Wehrmachtskiste mit Raubgut aus Frankreich getischlert. Daneben der Koffer, in
dem dieses Objekt dem hdgö
von der Besitzer-Familie
übergeben wurde.

Was tun mit den Überbleibseln des Nationalsozialismus?
Sollten sie entsorgt werden? Ist es vertretbar, sie am Flohmarkt
oder im Internet zu verkaufen? Was ist Erinnerung, was
Verklärung und was Wiederbetätigung?

© JOHANNES PLATTNER (2)

von Niko Hofinger

„Mein Kampf“ von Adolf Hitler, Innsbruck-Ausgabe, Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck. Auf der ersten
Seite wünscht Bürgermeister Egon Denz den damit beschenkten neu vermählten Paaren ein „glückliches
Leben in deutscher Schicksalsgemeinschaft“.

Z

u diesen Fragen hat das Haus der
Geschichte Österreich (hdgö) letztes Jahr eine erfolgreiche Ausstellung gezeigt und dafür den griffigen Titel
„Hitler entsorgen. Vom Keller ins Museum“
gewählt.
Schon mit der Eintrittskarte bekamen BesucherInnen eine Entscheidungskarte und
sollten damit die oben genannten Fragen
für ein Objekt, das viele von uns im Keller
haben könnten, beantworten. Zur Vertiefung des Themas wählte die Ausstellung
14 Objekte mit NS-Bezug, die dem hdgö
bei Sammlungsaufrufen übergeben worden waren.
Das Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
zeigt nun eine lokale Fassung dieser Aus42

INNSBRUCK INFORMIERT

stellung. Die Wiener Ausstellung wurde mit
eigenen Objekten sowie aus befreundeten
Innsbrucker Archiven und Sammlungen
erweitert. Der Untertitel für die Ausstellung wurde deshalb ein wenig verändert,
weil Archive auch andere Aufgaben haben
als ein Museum.

Aus den Augen ins Archiv
Als im Jahr 2022 ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck nachfragte, ob wir
denn Gegenstände mit Hakenkreuzen in
unserer Sammlung aufbewahrten, war die
einfache Antwort: Ja, viele.
Als Archiv mit dem Anspruch, auch das
„Gedächtnis einer Stadt“ zu sein, darf man

erst gar nicht versuchen, sich an den unangenehmen Zeiten vorbeizudrücken. In den
Akten aus der NS-Zeit haben wir unzählige Dokumente, die eigentlich nur mit einer
Warnung oder Erklärung an Forschende
ausgegeben werden sollen: Vorsicht, diese Unterlagen sind aus einer menschenverachtenden Haltung heraus entstanden
und sie führten zu Entrechtung, Mord, Angriffskrieg und Zerstörung. Glauben Sie
nicht alles, was darin steht.
Das Bedürfnis von InnsbruckerInnen, in
ihren Kellern oder Dachböden gefundene Objekte aus der Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr selbst aufbewahren zu wollen, ist verständlich. Aber was
tun damit? Sind nicht Besitz und Weiter-

gabe strafbar? Hier erfüllen wir im Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck die nützliche Funktion einer rechtlichen Blackbox.
Sobald Dinge bei uns abgegeben werden,
sind sie nicht mehr illegal, sondern werden von uns historisch kontextualisiert
und somit ihrer Funktion als „Trophäe“ beraubt. Wenn es zur Stadtgeschichte gehört, wollen wir es.

Was sammelt das Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck und warum?
Im Stadtarchiv Innsbruck wurden früher
in erster Linie Baubescheide, Gewerbeanmeldungen und lokale Polizeiangelegenheiten aufbewahrt. So befinden sich
natürlich auch alle Innsbrucker Verwaltungsakten aus der Zeit des Nationalsozialismus dort. Diese enthalten zum Beispiel in den Gewerbeakten alle Unterlagen
zur „Arisierung“ jüdischer Geschäfte in
den Jahren 1938 und 1939. Aber auch Unterlagen zur Aufarbeitung der NS-Zeit nach
1945, wie die „Entnazifizierungsakten“
stehen in unseren Regalen. Dazu kommen
hiesige Zeitungen und tausende Bücher zu
lokal relevanten Themen.

Das Sammeln von Fotos und Objekten zur
Stadtgeschichte ist als Aufgabe des Archivs
erst viel später hinzugekommen. Für Ausstellungen im Stadtmuseum sind gerade
diese besonders wichtig. Dabei kann es
sich um ausgebaute Glasfenster oder nicht
mehr benötigte Büsten aus dem städtischen Bereich handeln oder auch um private Fotoalben, Musikinstrumente und
Uniformteile. In vielen Fällen haben uns die
ÜberbringerInnen dazu auch noch eine Geschichte, die mit der Stadt Innsbruck zu tun
hat, erzählt. Manchmal liegen in unseren
Akten dann noch weiterführende Informationen, wie zum Beispiel bei der Innsbrucker Ausgabe von „Mein Kampf“, die auch in
der Ausstellung zu sehen ist.

ten nun endlich entfernt werden. Da in der
unmittelbaren Nachkriegszeit alle Ressourcen knapp waren, dachte Alois Lugger
zunächst an die Papierfabrik Wattens; dort
könne man doch vielleicht die Bücher recyceln. Nach Übergabe eines Probeexemplars winkte man in Wattens ab, die Qualität
sei dafür nicht geeignet. Um die Bücher in
ihrer endgültigen Bestimmung doch noch
nützlich einsetzen zu können, brachte
Alois Lugger sie schließlich zum Heizofen
des städtischen Gaswerks; dort wohnte
er der Verbrennung der Bücher persönlich
bei und meldete den Franzosen mit einiger
Verspätung die erfolgreiche Entsorgung.

Baustellen der Erinnerung
25. April 2024, von 9 bis 16.30 Uhr
Wissenschaftliche Tagung mit dem
Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck
Ort: Plenarsaal, 6. Stock, Rathaus Innsbruck

Samstagsöffnungen
2. Dezember 2023, 13. Jänner, 3. Februar,
2. März und 6. April 2024
von 10 bis 14 Uhr

Aktivführungen des Vermittlungsteams
2. Dezember 2023, 13. Jänner, 3. Februar,
2. März und 6. April 2024
jeweils um 11 Uhr

Kuratorenführungen
21. November 2023 und 19. März 2024
jeweils um 18.30 Uhr

Führungen auf Anfrage
Eigenes Vermittlungsprogramm für Schulklassen

Hitlers „Mein Kampf“ entsorgen
Der junge Beamte des Innsbrucker Stadtmagistrats Dr. Alois Lugger (er wurde später für viele Jahre Bürgermeister von Innsbruck) erhielt Anfang 1946 einen heiklen
Auftrag der französischen Besatzungsverwaltung: Offenbar befanden sich im Standesamt noch mehr als tausend Exemplare
des Buchs „Mein Kampf“, und diese soll-

Bitte informieren Sie sich vor Ihrem Besuch

über die aktuellen Covid-19-Schutzmaßnahmen.

Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Badgasse 2, 6020 Innsbruck
Tel. +43 512 5360 1400
post.stadtarchiv@innsbruck.gv.at

Hitler entsorgen

Vom Keller ins Archiv

Ausstellungsprogramm
9. November 2023 – 3. Mai 2024
Stadtarchiv/Stadtmuseum Innnsbruck

Begleitprogramm zur Ausstellung
„Hitler entsorgen. Vom Keller ins
Archiv“ finden sich unter:
www.innsbruck.gv.at/stadtmuseum
INNSBRUCK INFORMIERT

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