Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1958

/ Nr.6

- S.6

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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

Nummer 6

„ 5 0 Jahre schulärztlicher Dienst in Volks- und Hauptschulen"
von Stadtphysikus Dr. Leopold Unterrichter
Eine Besprechung von Heft Nr. 15 der „Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Innsbruck" von
Gemeinderat Direktor Hans Klingler.
Unsere Heimatstadt darf stolz sein, zu den ersten
Städten in Österreich zu gehören, die einen ständigen
schulärztlichen Dienst einführten. Einen begeisterten
Vorkämpfer für diese Institution stellte der noch
heute lebende Med.-Rat Dr. Viktor Tschamler, Stadtphysikus a. D.
Aus den „ H i st o r is ch e n D a t e n " des Büchleins
geht erfreulicherweise eine deutliche Besserung des
heutigen Allgemeinzustandes der Kinder hervor, ihrer
Reinlichkeit, der Abnahme der Infektionskrankheiten
und so weiter, während Haltungsfehler, Fußdeformitäten und Zahnfäule auch heute noch besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. So wurden 1908 52 bis 64 Prozent der Kinder als schwächlich, 36 bis 48 Prozent
als blutarm bezeichnet, die Anämie betrug 27 Prozent bei den Knaben und fast 30 Prozent bei den
Mädchen. Damals fand man bei jedem vierten Mädchen Kopfläuse. Der Schularzt betrat dann seit 1928
auch die Kindergärten, und seit 1949 untersucht er die
Lehrlinge, so daß 1953 die Zahl der untersuchten
Schüler und Schülerinnen einschließlich Mittelschulen
15.627 betrug, was die Einstellung eines Arztes erforderlich machte. 1956 wurden die Mittelschulen abgegeben, wodurch die Zahl der Untersuchungen auf
9440 zurückging.
Daß gerade in der Nachkriegszeit die B e h a n d l u n g d e r E r n ä h r u n g ss ch a d e n für das Gesundheitsamt geboten schien, beweist die Zahl von
3600 (von 8000) unterernährten Kindern. Die Auslandshilfsorganisationen anerkannten dabei das objektive Vorgehen des Amtes.
M i t den Fortschritten der medizinischen Forschung
und den Aufgaben der heutigen Pädagogik und der
sozialen Erfordernisse hält auch das Gesundheitsamt
Schritt. So propagiert und unternimmt es Impfungen
gegen Infektionskrankheiten, bekämpft mit Moroproben die I b c und mit der Fluorprophylaxe die Zahnkaries, organisiert das orthopädische Turnen, betreibt
Strumaprophylaxe usw. Es dient sowohl der Pädagogik wie dem Kampf gegen Haltungsfehler, wenn
es bei der Erneuerung des Schulgestühls mitberät,
wenn es bei der Rückstellung von Schulneulingen
Großzügigkeit zeigt, bei der Berufswahl Einfluß
nimmt und nicht zuletzt felbst Erholungsaktionen
(Fürsorgekinder in der Volksschule 4.3 Prozent, bei
der Hauptschule 1.9 Prozent) durchführt oder unterstützt. I n die soziale Fürsorge fallen die 1200 Hausbesuche und Dienstwege der Fürsorgerinnen, die auch
durch Schulbesuche Kontakt mit den Kindern aufnehmen.
E i n besonderes Augenmerk wendet Dr. Unterrichter
der A c c e l e r a t i o n zu, die auch von den Pädagogen, besonders der Mittelschule, weit mehr Beachtung verdiente, als man ihr zuteilt, beträgt doch die
Größenzunahme in allen Altersklassen mehr als
10 Zentimeter über das frühere M i t t e l . Es sei

mit Erkrankungen zu rechnen, die vor 30 Jahren bei
Kindern kaum vorkamen, wie Gastritis und Ulcus
ventriculi oder die häufigen Nachenerlrantungen
(7 Prozent bei Hauptschülern und 13.5 Prozent bei
Hauptschülerinnen).
Das S c h i l d d r ü s e n p r o b l e m war im Laufe
der fünf Jahrzehnte immer im Blickfeld der Schulärzte, es bildete ein Auf und Ab und paßte sich den
Ansichten der medizinischen Wissenschaft jeweils an.
wobei diese, was Ursache und Behandlung betrifft,
keiner einheitlichen Auffassung ist. Die 1923 bis 1927
durchgeführte Aktion zur Behandlung des Iugendtropfes, verbunden mit einer Vollsalzatlion für die
ganze Bevölkerung, wurde wieder fallengelassen.
Heute ist der Kropfbefall i n den Schulen verhältnismäßig gering, doch dürfe deshalb nicht darüber hinweggegangen werden.
Die wichtige Bedeutung der schulärztlichen Untersuchung liegt hauptsächlich darin, daß ihre R e g e l mäßigkeit
nichtschmerzgebundene Schäden aufdeckt und diese der Behandlung zugeführt werden.
So berichtet Dr. Unterrichter ausdrücklich über die
Z a h n p f l e g e und zeigt auf, daß die Karies immer weiter ins vorschulpflichtige Alter eindringt
(1956/57: 62 bis 75 Prozent reparierte oder reparaturbedürftige Zahne). Die schon erwähnte F l u o r p r o p h y l a x e wurde gut aufgenommen, so daß
ihre segensreichen Auswirkungen zu Hoffnungen berechtigen, besonders wenn Kindergärtnerinnen und
spater Lehrpersonen die Aktion gewissenhast fördern.
Bedauerlich ist der M a n g e l e i n e r
Schulz a h n k l i n i k , der auch durch den Einfatz von Vertragszahnärzten nicht wettgemacht wird.
Neben den Zähnen bedürfen W i r b e l s ä u l e n v e r ä n d e r u n g e n und F u ß d e f o r m i t ä t e n
einer besonderen Beachtung, da eine 1957 durchgeführte Zählung an Hauptschulen 16 Prozent Veränderungen an der Wirbelsäule und 18 Prozent Platt-,
Senk-, Knick- und Spreizfüße sowie Fehlstellungen
im Knie ergaben. Das im Jahre 1925 eingeführte
orthopädische
Turnen
konnte nach dein
Kriege bisher nicht wieder reaktiviert werden. Weder
Prophylaxe noch Therapie der Fußoeränderungen haben einen genügenden Ersatz geboten, so daß die Absicht des Sladtphysikus, das
orthopädische
T u r n e n m i t geschulten K r ä f t e n
wieder e i n z u f ü h r e n , w i r k s a m e Unterstütz u n g v e r d i e n t . 1955 ausgegebene Merkblätter
fanden nicht genügende Beachtung.
Erfreulich ist die auffallende A b n a h m e
der
G e f ä h r l i c h k e i t t i n d l i ch e r I n f e l t i o n s ->
k r a n k h e i l e n . I m Jahre 191 l glib es bei 218
Scharlachertrankungen 15 Prozent Todesfälle, 1950
bei 490 Erkrankungen nur einen, also 0.2 Prozent.
Die antibiotische Therapie verkürzt die ohnehin gutarliq m"rlaufl"ndon Kränkln it>."n bedeutend,