Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1937

/ Nr.12

- S.4

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.Amtsblatt N r . 12
Die Kettenbrücke stellte icherlich für die damalige Zeit ein
Bauwerk dar, welches owohl in brückenbautechnifcher
als auch in architektonischer Hinsicht die größte Achtung
verdient. Von allen Kettenbrücken, die in den Jahren 1820
bis 1850 erbaut wurden, dürfte wohl die Mühlauer Kettendrücke die gefälligste und nach einer Zuschrift der damaligen
Wiener Hofkanzlei aber auch die teuerste ihrer Art gewesen
fein. Besondere Hervorhebung verdient die ungemein sorgfältige Bearbeitung der beiden Brückentürme, welche aus
Nagelfluhquadern bestehen und welche der eigentlichen Kettenbrücke den wertvollen Rahmen verleihen. Leider wurde
der landschaftliche Eindruck der Kettenbrücke durch die später in ihrer Nachbarschaft errichteten öffentlichen und privaten Bauten stark beeinträchtigt.
Da die Kettenbrücke wegen ihres fast hundertjährigen Bestandes schon zu einem Wahrzeichen der Stadt Innsbruck geworden ist, so ist es begreiflich, daß sich weite Kreise der Bevölkerung nur schwer von ihr trennen können und daß sich
auch der Verein für Heimatfchutz und Denkmalpflege für
die Belassung der Kettenbrücke eingesetzt hat. Wenn sich die
Bundesstratzenverwaltung trotz aller vorgebrachten Einwendungen dennoch zur Errichtung der neuen Innbrücke an
Stelle der Kettenbrücke und Zur Abtragung der Kettenbrücke entschlossen hat, so waren für sie die nachstehenden
Gründe maßgebend:
Veranlassung des Umbaues: 1. Die Tragfähigkeit der
Brücke wurde auf Grund von früheren statischen Untersuchungen auf 3000 Kilogramm herabgesetzt. Nun ist diese
Lasteneinschränkung im Zuge einer Vundesstraße ersten
Ranges, in welcher alle Brücken auf diefe Velastungskategorie umgebaut worden sind, auf die Dauer unhaltbar. Sie
bildet aber zugleich auch eine große Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Namentlich dann, wenn zu besonderen Zeiten das Fahrverbot nicht eingehalten wird und werden kann.
I n dieser Hinsicht mutz auf den Einsturz der Kettenbrücke
in Mährisch Ostrau in den Neunzigerjahren hingewiesen werden, welcher beim Passieren einer Kavallerieabteilung erfolgte und 18 Tote zur Folge hatte.
Tatsächlich wurden die stärker befahrenen Brücken dieser
Art auch in den Neungigerjahren fast überall abgetragen und
durch neue Tragwerke ersetzt. Ihre Schwingungen und
Schwankungen unter den neuzeitlich rasch fahrenden Kraftfahrzeugen kann jeder Benutzer der Brücke selbst beobachten.
Die Mühlauer Kettenbrücke ist über 90 Jahre alt. Ueber
die Güte des damals verwendeten Eisens liegen keine Aufschlüsse vor. Vorgenommene Untersuchungen an Eisen älterer Tragwerke, unter anderem auch bei der Reichsbrücke
in Wien, haben eine vollständige Versvrödung des Eisens erwiesen. Schon vor dem Kriege war man über den Zustand
der Bolzen in den Kettengliedern beunruhigt und eine
Ueberprüfung, bzw. Auswechslung war geplant. Infolge der
Kriegsereignisse unterblieb diefe Arbeit. Der Bruch eines
dieser 92 Bolzen müßte aber den vollständigen Einsturz der
Brücke zur Folge haben. Es ist anzunehmen, daß die dauernden Schwingungen der Brücke nicht ohne schwere nachteilige Folgen im Material der Bolzen geblieben sind.
Dasselbe gilt für die Verankerung der Brücke, die schon
seit über 90 Jahren im wechselnden Wasserstand liegt.
2. Die beiden Brückentürme haben nur Fahrbahnbreiten
von je 4.40 m und sind daher eingeleisig. Dazu kommt noch
die Unübersichtlichkeit bei den Einfahrten, die ausgesprochene
Verkehrsfallen bedeuten. Es ist für die Bundesstraßenverwaltung ein unmöglicher Zustand, dauernd innerhalb einer
Bundesstraße ersten Ranges als internationale Durchzugsstrecke eine Brücke zu besitzen, die nur für Leichtfuhrwerke
benutzbar ist und nur einspurig befahren werden kann.
3. Die Erhaltung der Kettenbrücke wird mit zunehmendem Alter immer kostspieliger. Eine im Jahre 1936 vorgenommene Ausbesserung kostete bereits 52.000 8, ohne daß
die Tragfähigkeit vergrößert werden konnte.
4. Bekanntlich ist Innsbruck nicht hochwasserfrei. Durch
die von der Innbauleitung bereits begonnenen Arbeiten für
die Innregulierung zwifchen dem Löwenbaus und der Hun-

gerburgbahnstation wird ein hochwasserfreies Regulierungsprofil geschaffen werden, in das die Kettenbrücke 13 m weit
hineinragen würde. Die Auswirkungen dieser Einengung
können im Falle einer gewaltigen Elementarkatastrophe
gar nicht ermessen werden. Der Entwurf für die neue Brücke
sieht daher gleichzeitig eine starke Verbreiterung des I n n flusses und den Bau von neuen Ufermauern vor.
5. Dermalen wird der Schwerverkehr über den Hohen
Weg und über die Innsbrucker Innbrücke umgeleitet. Der
Bund hat den Hohen Weg im Jahre 1937 den Interesfenten
Innsbruck und Hötting zur Erhaltung abgetreten. Er hat jedoch zur Erhaltung dieser Straße noch so lange beizutragen,
bis der Umbau der Kettenbrücke erfolgt ist. Daher hat der
Bund ein Interesse daran, den Umbau der Brücke sobald
als möglich durchzuführen.
Der Standpunkt vieler Kreise ist verständlich, der dahin
geht, man soll die Kettenbrücke als Baudenkmal stehen lassen und die neue Brücke an einer anderen Stelle errichten.
Dem steht gegenüber: Die Kettenbrücke liegt im Zuge der
Salzburger Bundesstraße, die bei der Annasäule auf der
Maria-Therefien-Stratze beginnt. Es müßten daher die Besitzverhältnisfe der Brücke als auch der Straße geändert werden, wenn der Bund an einer anderen Stelle eine Brücke
errichten sollte. Nun dürfte es fraglich sein, ob die Stadt
Innsbruck eine so altersschwache und kostspielige Brücke in
die Erhaltung übernehmen würde. Da auch die Kettenbrücke
nicht ein unbegrenztes Alter erreichen kann, müßte also gu
irgend einer Zeit doch an dieser Stelle eine neue Brücke errichtet werden, da man sich eine Brücke an dieser Stelle
wohl nicht mehr wegdenken kann.
Es wurde davon gesprochen, der Bund möge den Hohen
Weg ausbauen. Dies hätte aber die gesamte Einleitung des
Verkehres über die Innsbrucker Innbrücke zur Folge, welche
einem so großen Verkehr nicht gewachsen ist und außerdem
würde alles durch die Altstadt fahren müssen, was auch nicht
erwünscht ist. Der Hohe Weg wird trotz der Mühlauer
Brücke als Umfahrungsstraße nach dem Westen für jene
Reisenden weiter zu dienen haben, die keine Zeit in Innsbruck verlieren wollen.
Auch eine von einer Seite vorgeschlagene Verlegung der
neuen Brücke knapp neben der Eifenbahnbrücke, also in
geradliniger Verlängerung der Ing.-Etzel-Stratze, kommt
wegen der unmöglichen Auffahrtsverhältniffe auf der Mühlauer Seite und auch aus militärischen Gründen nicht in
Frage.
Hingegen dürfte in absehbarer Zeit eine neue Innbrücke
zwischen der Ziegelei und der Schietzstätte entstehen, die
Pradl und die Reichenau auf kürzerem Wege mit der Vundesstraße verbindet. Die Erbauung dieser Brücke wäre jetzt
aber noch verfrüht, weil die Frage des endgültigen Flug
Platzes und feine Größenverhältnisse sowie die Regulierung
des verbauten Gebietes bei der Pradler Sillbrücke vorangehen müssen. Einen Auftrieb könnte diese Entwicklung aber
erfahren, wenn man zunächst die abzutragende Lokalbahnbrücke als Notbrücke dorthin überstellen würde.
Die Pradler Innbrücke ist bereits im Verbauungsvlan von
Innsbruck enthalten. Sie wird später einen beträchtlichen
Teil des Verkehrs übernehmen und durch die Reichenauer
Straße, König-Laurin-Straße direkt in die Museumstraße
einleiten. Ein Umbau der Pradler Sillbrücke und der Eisenbahnunterfahrt werden in diesem Zusammenhang erfolgen

müssen.

I m Verein für Heimatschutz und Denkmalpflege wird befürchtet, daß nach Fertigstellung der neuen Brücke der ganze
Lastenverkehr über den Rennweg und durch den Franziskanerbogen sich bewegen wird.
Dies dürfte übertrieben sein. Von der Mühlauer Innbrücke
führen nach Innsbruck drei Etraßenzüge auf dem rechten
Innufer und der Hohe Weg am linken Innufer. Es wird
unfchwer zu erwirken sein, daß die Boten, die jetzt in Hötting ihre Zentrale haben, am Hohen Weg bleiben. Die Lastwägen, die zum Bahnhof wollen, finden ihre Bahn durch die
breite Erzherzog-Eugen-Stratze und außerdem besteht auch