Innsbruck Informiert

Jg.2018

/ Nr.6

- S.59

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scher Wille zum Helfen muß uns durchdringen und keine Ruhe dürfen wir haben, so lange wir wissen, daß noch ein
Volksgenosse in Not ist. Der Führer hat uns
Deutschland geschenkt, wir geben ihm dafür unsere Herzen. Das was er für uns getan hat, danken wir ihm durch restlosen
Einsatz und blinden Gehorsam. Er hat zum
Opfer aufgerufen, erbärmlich der Wicht,
der sich verschließt und der sich damit
abseits stellt von seinem Volk. Opfert und
zeigt damit, daß ihr euch restlos zur Volksgemeinschaft bekennt.“

Soziale Integrationskraft
Die hohen Sammelergebnisse waren ein
Beitrag der einfachen Mitglieder der NSVolksgemeinschaft für das Funktionieren
der Diktatur. Sie zeigen die Mobilisierungsfähigkeit des Systems und seine soziale
Integrationskraft. In den Massenspektakeln waren die Menschen in einer Erlebnisgemeinschaft integriert. Die Teilhabe
an ihren Praktiken in einer ausgeklügelten
Propaganda band sie stärker an das NSRegime und übte eine Sogwirkung auch
auf Menschen des katholischen und sozialdemokratischen Milieus aus, die es noch
zu gewinnen galt. Das Hervorrufen starker
positiver Gefühle in der Masse schuf eine
emotionale Verbindung. Die Regie von
Rausch und Begeisterung verdrängte intellektuelle Reflexionsprozesse. Von Parolen
und Regeln konnte man sich distanzieren,

© STADTARCHIV/STADTMUSEUM INNSBRUCK

Das Leid der einen
stärkte das Wir-Gefühl
der anderen.

vom Dabeisein viel weniger. Die Rituale
und Praktiken mussten ständig aktualisiert werden, um dem Gemeinschaftsgefühl Dauer zu verleihen. Die unentwegte
Mobilisierung der „Volksgemeinschaft“ mit
ihrer Suggestion gesellschaftlicher Harmonie barg Gefahren der Routine, der Abnützung und des Verlustes ihrer Wirkungskraft. Erfolgreiche Inszenierungen hingen
vom Geschick der jeweiligen Akteure ab
und es gibt eine Reihe von Quellen, die
über Misserfolge berichten. Im Laufe der
Kriegsjahre trat eine Spendenmüdigkeit
auf, die aber durch die Stimmungsmache
zugunsten des Einsatzes für „unsere Soldaten im Feld“ und den „Endsieg“ gemindert werden konnte.

Ein Volk der Auserwählten
Das NS-Regime instrumentalisierte das
Bedürfnis nach Zusammenhalt, um arischdeutschen Kindern und Alten zu helfen,
während Behörden und Gestapo „KarnerFamilien“ auseinanderrissen, Bettler ver-

folgten und „Arbeitsscheue“ zwangen, sich
als entrechtete und billige Arbeitskräfte in
Fabriken, Hotel- und Gastbetrieben zu verdingen. Die Verbundenheit mit der Führerdiktatur stieg, weil den Ausgeschlossenen
der „Volksgemeinschaft“ Solidarität vorenthalten wurde. Die Nationalsozialisten
führten den Rechtstatbestand der unterlassenen Hilfeleistung ein. Man war nun
gesetzlich verpflichtet, allen Volksgenossen im Falle einer Verletzung in einem
Unglücksfall zur Seite zu stehen; wer hingegen einem Juden half, machte sich strafbar. Die Identifikation mit dem Nationalsozialismus und mit dem Führer befeuerte
nationale Größenphantasien und das Triumphgefühl des Herrenmenschen. Einem
mächtigen Kollektiv wie der NS-Volksgemeinschaft anzugehören, löste lustvolle
Gefühle aus. Es war grandios, ein Volk der
Auserwählten zu sein. Die Tiroler strömten
daher in Massen in die NSDAP. Sieben Jahre
später wollten alle nur mehr verführte Opfer des Dämons Hitler gewesen sein.
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