Innsbruck Informiert

Jg.2025

/ Nr.7

- S.22

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Stadtgeschichte

SOS-Kinderdorf
Mädchenwohnheim
SOS-Kinderdorf blickt auf eine über 75-jährige Geschichte zurück. Bereits früh
begann man mit der Begleitung von Jugendlichen in ein selbstbestimmtes Leben –
auch für Mädchen. Zum Beispiel im Mädchenwohnheim in der Innenstadt.
© ERICH BIRBAUMER

von Julian Ascher und Sabrina Schober

Freizeit im SOS-Mädchenhaus Innsbruck

D

as erste SOS-Kinderdorf wurde
1949 in Imst gegründet. Bald stand
man vor der Frage, wie man dem
Kinderdorf „entwachsene“ Jugendliche
weiterhin gut unterstützen und sie in ihre
Selbstständigkeit begleiten könnte. Man
dachte an eine betreute Wohneinrichtung,
die den Jugendlichen zusätzlich umfäng­
liche Ausbildungsangebote zugänglich
machte. Dies rückte Innsbruck ins Zent­
rum der Überlegungen. Die erste Einrich­
tung von SOS-Kinderdorf für Jugendli­
che wurde 1955 im Innsbrucker Stadtteil
Amras (Egerdach) errichtet und 1956 als
„SOS-Lehrlings- und Studentenhaus Eger­
dach“ eröffnet. Allerdings war das Haus
nur den männlichen Jugendlichen vorbe­
halten. Mädchen verblieben anfänglich

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INNSBRUCK INFORMIERT

während der Ausbildung in ihren SOS-Kin­
derdorf-Familien. 1966 folgte dann ein ei­
genes Mädchenwohnheim (historischer
Begriff, heute Wohngruppe für Mädchen)
in der Blasius-Hueber-Straße.

Das erste Jugendhaus für Mädchen
Am 29. November 1966 öffnete das Wohn­
heim schließlich seine Tore, und zwar im
vierten und fünften Stock des Wohnhau­
ses Nummer 16, einem Mehrparteienhaus.
Hier konnten SOS-Kinderdorf-Mädchen
ab 14 Jahren während der Zeit ihrer Aus­
bildung wohnen. Es handelte sich haupt­
sächlich um Mädchen, die studieren oder
eine höhere Schule besuchen wollten oder
in der Nähe ihrer SOS-Kinderdörfer keinen
geeigneten Lehrplatz fanden. Zunächst

Buchtipp
Bettina Hofer/Christina
Lienhart: idealistisch und
wagemutig. Pionierinnen
im SOS-Kinderdorf, Inns­
bruck 2006.
ISBN: 978-3-7065-4345-3
307 Seiten

zogen dort 14 Mädchen aus ganz Öster­
reich ein, die Ausbildungen zur Kinder­
gärtnerin, Krankenschwester, Verkäuferin,
Pflegerin, Konditorin etc. belegten.
Die Mädchen lebten wie in einer moder­
nen WG zusammen und teilten sich die
Haushaltsaufgaben auf. Zwischen den Ju­
gendlichen und deren Betreuerinnen ent­
wickelten sich oft tiefe Freundschaften.
Die Mädchen hatten hier jedoch nicht nur
einen Schlafplatz in der Form von per­
sönlich eingerichteten Zweibettzimmern,
sondern wurden auch anderweitig indi­
viduell betreut und gestärkt. Zusammen
unternahm man einiges: Reiten, Tanzen,
Ausflüge, Theater etc. Unternehmungs­
möglichkeiten waren in der Stadt zudem
nicht weit, gegenüber dem Haus befand
sich ein Kino und im Erdgeschoss selbst
war ein Café angesiedelt.
Natürlich war es nicht immer die heile Welt.
Diskussionen über Ausgehzeiten, erste Be­
ziehungen, Aufklärung oder Grenzen führ­
ten zu Reibereien, wie bei allen anderen
Familien. Auch die oftmals traumatische
Kindheit der Bewohnerinnen spielte dabei
eine Rolle. Die Betreuerinnen nahmen die
Mädchen, so wie sie waren, und versuch­
ten gemeinsam mit ihnen, Dinge aufzuar­
beiten und miteinander eine Zukunft zu
bilden und eine angenehme Atmosphäre
für alle zu schaffen. Auch am Angebot in
der Wohngemeinschaft wurde laufend ge­

arbeitet und es wurde stetig erweitert. So
wurden bereits im Jahr 1967 77.200 Schil­
ling investiert.

Henriette Rieder (1935–2021)
Betreut wurden die Mädchen von Henriette
Penker (verh. Rieder), die ebenfalls im Haus
wohnte. Sie bezog die Mädchen bereits
beim Planungsprozess mit ein. Dafür be­
suchte sie Kinderdörfer in ganz Österreich,
um die Jugendlichen vorab kennenzuler­
nen. Ihr war es wichtig, den Mädchen das
zu ermöglichen, was sie selbst gerne ge­
habt hätte. Weiters lag ihr die Gastfreund­
schaft sehr am Herzen, weswegen es zu
vielen Feiern, Besuchen und Events in der
Hueber-Straße kam.

Wohngemeinschaften heute
Auch heute spielt die Begleitung von Ju­
gendlichen in ein selbstständiges Leben
eine zentrale Rolle bei SOS-Kinderdorf.
Junge Menschen werden individuell unter­
stützt – viele von ihnen mit belastender
Vergangenheit. Die Angebote reichen von
sozialpädagogischer bis hin zu intensiver
therapeutischer Betreuung. Das Betreute
Wohnen in Innsbruck etwa bietet in eige­
nen Wohnungen einen geschützten Rah­
men, in dem Jugendliche schrittweise ler­
nen, Verantwortung zu übernehmen und
ihren Alltag eigenständig zu meistern.

© ERICH BIRBAUMER

© ERICH BIRBAUMER

Außenansicht des Wohnhauses

Henriette war ausgebildete Sozialarbei­
terin und von 1965 bis 1982 Leiterin der
Mädchen-WG. Danach wechselte sie bis
1986 ans Sozialpädagogische Institut von
SOS-Kinderdorf und übernahm 1988 die
Koordinierung und Leitung der „Mütter­
werbung“ (Bewerbung von neuen Kinder­
dorfmüttern). Von 1991 bis zur Pensionie­
rung 1996 begann sie den Aufbau und die
Durchführung von Frauenseminaren. Sie
war nicht nur eine der Pionierinnen von
SOS-Kinderdorf, sondern hat ihr Leben
dem Einsatz für Mädchen und Frauen in­
nerhalb der Organisation gewidmet.

Freizeitgestaltung

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