Innsbruck Informiert

Jg.2024

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Stadtgeschichte

Ein Massenmörder
aus Tirol

Ankunft von Josef
Schwammberger am Flughafen Stuttgart, 3.5.1990.

SS-Oberscharführer Josef Schwammberger, geboren 1912 in
Brixen, aufgewachsen in Innsbruck, war im Krieg Lagerkommandant im jüdischen Zwangsarbeitslager Rozwadów, im
Ghetto Przemyśl und im KZ-Außenlager Mielec.

S

chwammberger war ein unscheinbarer Mann. Er absolvierte zwar eine
kaufmännische Lehre, lebte aber
von Gelegenheitsjobs. Im Juli 1933 floh er
als Nationalsozialist ins Deutsche Reich
und wurde Mitglied der SS-Verfügungstruppe, einer militärisch ausgebildeten
Sondereinheit der SS. Wegen gesundheitlicher Probleme war er felddienstuntauglich und meist im Krankenstand. Im Oktober 1941 trat Schwammberger in der
Dienststelle des SS- und Polizeiführers
von Krakau einen Verwaltungsjob an.

Ein Jahr später erhielt er als 30-Jähriger
sein erstes Kommando. Als er das Lager
Rozwadów übernahm, gab es rund 1.200
jüdische Zwangsarbeitskräfte, sechs Wochen später nur mehr 570. Fast täglich
erschossen Schwammberger und seine
Männer arbeitsunfähige und kranke Häftlinge. Im November 1942 ließ er bis zu 100
Menschen liquidieren, er hatte sie als „unbrauchbar“ befunden. Im Ghetto Przemyśl
legte er sich schon am frühen Morgen
auf die Lauer, um Juden, die Lebensmittel beschaffen wollten, „abzuschießen“.
Schwammberger demütigte seine Opfer,
zwang junge Frauen nackt in eine Grube
zu springen und befahl seinen Männern,
sie zu töten. Oder er hetzte seinen Hund
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INNSBRUCK INFORMIERT

© BUNDESARCHIV BERLIN

„Er tötete, weil er töten wollte.“

Josef Schwammberger, 1939

auf die Frauen, der sie schwer verletzte.
Ein Gefangener charakterisierte ihn so: „Er
tötete, weil er töten wollte.“ Den Gefangenen offenbarte Schwammberger: „Ich bin
euer Gott. Wenn ich sage, du stirbst, dann
stirbst du. Wenn ich sage, du lebst, dann
lebst du.“
Der Lagerkommandant ließ es sich gut gehen. Er logierte mitsamt seiner Familie wie
ein Fürst mit Kutsche und Diener in einer
Villa. Seine Korruption kostete vielen Menschen das Leben. Er bestahl die Häftlinge

und verkaufte Nahrungsmittel der Lager
am Schwarzmarkt. Die jüdischen Gefangenen mussten ihm die letzten ihnen verbliebenen Wertgegenstände abliefern. Paketweise transportierte Schwammberger
Schmuck, Gold, Kleidung und Geschirr nach
Tirol. Anfang September 1943 wurde das
Ghetto Przemyśl gewaltsam aufgelöst und
die Menschen selektiert. Dieser sogenannten „Judenreinaktion“ fielen Hunderte zum
Opfer. Sie zog sich über Stunden, mit dabei
Lagerleiter Schwammberger.
Die Chefsekretärin des SS- und Polizeiführers in Krakau hatte einen anderen
Schwammberger vor Augen. In untergeordneter Stellung im Innendienst erlebte sie ihn als einen Stubenhocker und Büromenschen, höflich und ruhig: „Wenn er
nicht Fähnchen [von Partisaneneinsätzen] steckte, so las er Zeitung oder machte
Kreuzworträtsel.“

Flucht nach Argentinien
Wieder zurück in Innsbruck mit falschen
Papieren ausgestattet, geriet Schwammberger Ende Juli 1945 in eine Ausweiskontrolle und wurde enttarnt. Die Exekutivkräfte stellten in seinem Umfeld acht
Stoffsäcke mit Münzen, Gold und Schmuck
sicher, teils mit eingravierten Namen und
Initialen der Opfer. Schwammberger stellte alle Vorwürfe in Frage: „Ich bestreite

© MAURITZ ANTIN/LAIF AGENTUR

von Horst Schreiber

entschieden, daß es jemals zu Massenmördereien in der von den Zeugen geschilderten Art gekommen ist. Ich kann
mir das nur aus dem Haß der Juden gegen
mich als Angehörigen der SS erklären und
daraus, daß die Juden anderen Gesetzen
hinsichtlich Wahrheitspflicht gegenüber
Nichtjuden unterstehen.“ Er gab zu, 35 Juden getötet zu haben – aber nur auf ausdrücklichem Befehl seiner Vorgesetzten –,
und zwar so, „daß die zu erschießenden
Gefangenen mit dem Gesicht an die Mauer gestellt wurden, und rückwärts durch
Kopfschuß erschossen wurden.“ Im Jänner
1948 gelang ihm mit Unterstützung des
Internationalen Roten Kreuzes und des
Päpstlichen Hilfswerks für Gefangenenund Flüchtlingsfürsorge die Flucht nach
Argentinien. Dort lebte er mit seiner Familie, bis er 1990 nach Deutschland ausgeliefert wurde.

schen zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Vor
und nach dem Prozess gab es Solidaritätsbekundungen vor dem Gerichtsgebäude.
„Schluß mit den Justizmorden an wehrlosen NS-Greisen!“, war auf einem Plakat
zu lesen. Josef Schwammberger starb am
3. Dezember 2004 im Vollzugskrankenhaus
der Festung Hohenasperg in Baden-Württemberg im Alter von 92 Jahren. Eine Pflegekraft berichtete, dass er in seinen letzten
Stunden mehrfach laut nach seinem Führer gerufen habe.

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Horst Schreiber
„Liebesverbrechen“,
Zwangsarbeit und Massenmord
NS-Täter und Opfer in Tirol, Polen
und der Sowjetunion
Studien zu Geschichte und Politik,
Band 29
26,90 Euro
ISBN 978-3-7065-6285-0
208 Seiten, gebunden

Haft auf der Festung Hohenasperg
Im Mai 1992 verurteilte das Landgericht in
Stuttgart Schwammberger wegen des Mordes an 25 Männern und Frauen sowie wegen der Beihilfe des Mordes an 641 Men-

www.schuelerhilfe.at
Die Nachhilfe / 7x in Tirol
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