Stadtnachrichten

Jg.1993

/ Nr.6

- S.8

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Gesamter Text dieser Seite:
Der Beitrag des Autos zur Mobilität wird
von den meisten Menschen stark überschätzt!
Mit Mehrheit gab der Gemeinderat der Firma "Socialdata - Institut für Verkehrsund Infrastrukturforschung" den Auftrag für eine empirische Erhebung über die
Mobilität in Innsbruck. W o h l selten wurde ein Beschluß so gründlich mißverstanden wie
dieser: Zeitungen ätzten, nun suche die Stadt im Nachhinein und reichlich spät die
Rechtfertigung für das bereits in Umsetzung begriffene Verkehrskonzept. Hat man
nicht schon vor Konzepterstellung die notwendigen Daten erhoben? Was also
soll eine millionenteure Erhebung jetzt noch bringen?

(Eiz) Zur Versäumnisfrage: Natürlich liegen die für das VKZ erforderlichen technischen Daten längst vor, sie reichen von
Verkehrsflußzählungen bis zur Stellplatzbilanz; sie waren ja Grundlage für die Konzepterstellung. Doch mit der Umsetzung
der verkehrsplanerisehen Maßnahmen allein ist es nicht getan. Damit die Stadt lebenswerter wird, will auch das Mobilitätsverhalten der Bürger verändert sein. Dieses
nun ist Gegenstand der Untersuchung.

Mehrzahl hat Alternative
zum Pkw in der Stadt
Eine Untersuchung der "Socialdata" für
den Verband der Deutschen Verkehrsunternehmen ergab: Ein
Auto macht(e) etwa
850 Fahrten im Jahr,
davon 651 in der Stadt
(Gemeinde). Für 60 %
der Stadt-Fahrten hätte
es zumindest eine Alternative gegeben!
Man weiß zwar, wie
viele Menschen in
Innsbruck mit dem Auto fahren, wie viele mit
öffentlichem Verkehrsmittel, wie viele zu Fuß
gehen. Aber man weiß
nicht, wie viele der Autofahrer auf den Pkw
nicht verzichten können und wie viele
ohne Problem auf ein
alternatives Verkehrsmittel umsteigen könnten.
Werner Brög hat mit
seinem Münchner "Institut für Verkehrs- und Infrastrukturforschung GmbH" solche Untersuchungen
schon für eine Reihe von Städten in
Deutschland, der Schweiz und Österreich
gemacht - mit überraschenden Erkenntnissen, die in der Tendenz jedoch alle ähnlich
sind:
Die Menschen nehmen an, daß der Pkw
einen mehr als doppelt so großen Beitrag zur Abwicklung der täglichen Mo-

bilität leistet, als dies in Wirklichkeit
der Fall ist (wie das in Innsbruck ist,
soll z. B. exakt erhoben werden). Folge:
Die Bedeutung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) wird maßlos überschätzt.

Warum Geschäftsinhaber
Parkplätze fordern
Beispiel Graz: Dort ergab die Erhebung,
daß 44 % zu Fuß gehen, 8 % mit dem Rad
fahren, 32 % das Auto benützen und 16 %
öffentliche Verkehrsmittel. Die Befragung
der Geschäftsinhaber ergab deren Überzeugung, daß doppelt so viele Kunden mit
dem Pkw kämen als es tatsächlich tun.

verhält sich so, als ob er
keine hätte. Brög: "Man
muß das Verhalten der
Menschen über den
Kopf beeinflussen, die
subjektive Sicht verändern. Erst damit erreiche
ich eine Verhaltensänderung - weit billiger als
durch die (daneben notwendigen) planerischen Maßnahmen."
Die Ergebnisse der Erhebungen sollen,
wenn sie vorliegen, in persönlichen Gesprächen (Veranstaltungen) und Broschüren vorerst an Meinungsbildner vermittelt werden. Denn daß lenkende
Eingriffe beim Verkehr notwendig sind,
zeigen alle Szenarien:

Straßen-, Parkplatzaushau
verschlechtert die Lage!
• Das Trend-Szenario unterstreicht: Läßt
man den Verkehr laufen wie bisher, wird
alles schlimmer.
# Das Auto-Szenario
(Förderung des PkwVerkehrs) lehrt in vielen Praxisfällen: Die
Schaffung
weiteren
Straßen- und Parkplatzraumes zieht so
viel mehr Verkehr an,
daß die Verhältnisse
ebenfalls schlechter
statt besser werden.
# Einziger Ausweg
ist das "integrierte
Szenario" - mit Umweltverbund, Förderung des Zufußgehens,
Radfahrens, öffentlicher Verkehrsmittel.
Dies kann man den
Menschen nur mit
gesicherten Fakten
glaubhaft vermitteln.
Und auch darüber
solle die Öffentlichkeit informiert sein:
Weder die Planer des VKZ, noch die an
der Umsetzung Beteiligten, noch die Politiker haben etwas "gegen das Auto"
(das nicht nur in Deutschland im Schnitt
an jedem Tag nur 36 Minuten gefahren
wird und mehr als 23 Stunden "steht").
Alle Entscheidungsträger sind nur darum bemüht, daß das Auto das Leben der
Stadt nicht zerstört. Das, und nichts anderes, will das Verkehrskonzept.


Die Klima-Katastrophe kommt bestimmt.
Aber nicht mehr in unserer Generation.
Werner Brög vor dem Stadtsenat: "Wenn
ich das als Kaufmann glaube, dann ist klar,
daß ich mich um möglichst viele Parkplätze in der Nähe meines Geschäftes
bemühe." Das Beispiel zeigt, wie wichtig
es ist, die Realitäten klarzustellen.
Nun steigt jemand, der jahrelang mit dem
Auto fährt, nicht schon deshalb auf Bus
oder Straßenbahn um, weil es sie gibt. Wer
nicht weiß, daß er eine Alternative hat,

STADTNACHRICHTEN -JUNI 1993