Stadtnachrichten

Jg.1993

/ Nr.6

- S.3

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Gesamter Text dieser Seite:
Gefällte Rotbuche:
Fakten und
grundsätzliche
Betrachtungen
Von Bürgermeister Romuald Niescher

Es ist mir ein Bedürfnis, in die Diskussion um die
Fällung der Buche am Herzog-Otto-Ufer einzugreifen,
nicht nur, weil ich einen mit großer Mehrheit gefaßten
Beschluß des Stadtsenates verteidigen möchte, ich habe
auch das Gefühl, daß unsere Wertordnung ins Wanken
gerät (siehe auch Bürgermeisterspalte auf Seite 2).
Erstmals seit Bestand dieser Zeitung schreibe ich
selbst einen Artikel, denn ich möchte aus meiner Sicht
dazu Stellung nehmen.
Das Landwirtschaftsministerium wollte
schon seit Jahren die desolate rechtsseitige
Innufermauer zwischen Ottoburg und Innsteg sanieren, das Hochwasser 1985 gab
zu großen Sorgen Anlaß. Die Arbeiten
sind fast abgeschlossen, nun muß auch die
Straßendecke der Bundesstraße neu errichtet werden. Vorgesehen sind im Bereich
des Herzog-Otto-Ufers zwei Fahrspuren,
zwei Gehsteige und ein Radweg.
Eine genau 123 Jahre alte Buche wurde
zum Problem. In mehreren Sitzungen mit
zahlreichen Experten (auch aus der Ökologie) wurden zunächst drei Varianten zur
Rettung der großen Buche erarbeitet und
diskutiert. Die Variante eins ließ die Buche
als Fahrbahnteiler stehen, also eine Fahrspur rechts und eine Spur links. Die Fachleute aus dem Bereich der Bodenkultur
sagten allerdings, die großen Wurzeln der
Buche würden auf Grund der geschlossenen Asphaltdecke entscheidend beeinträchtigt, dies hätte eine starke Verringerung der Baumkrone zur Folge, die
Überlebenschancen der Buche seien gering.
Die zweite Variante sah die Verlegung der
beiden Fahrspuren nach Süden vor, also
zwischen Landesbaudirektion und Buche.
Technisch wäre dies leicht möglich gewesen, allerdings hätte man dann sechs andere Bäume mit teils beachtlichem Alter fäl-

len und ein herrliches Baum-Ensemble
zerstören müssen.
Die dritte Variante war eine Verlegung der
Straßen nach Norden und außerdem die
Verlegung des Radweges von der Innseite
zur Häuserfront. Der Radweg ist ein Teil
der Radwegachse Telfs - Schwaz und stark
frequentiert, die Führung
dieses Radweges am Innufer ist attraktiv und die
Radfahrer sind sicher, da
zwischen Radweg und
Fahrbahn eine Böschung
mit Bäumen vorgesehen
ist.

nat einstimmig verworfen, die Variante
eins - die Buche als Fahrbahnteiler stehenzulassen - mit 8 gegen 3 Stimmen
abgelehnt. Ich gehörte zu jenen drei
Mitgliedern des Senats, die für die Erhaltung der Buche waren, eine klare demokratische Mehrheit hatte nach eingehender Diskussion auch gegen mich
entschieden. Es wäre mir ein Leichtes gewesen, Emotionen zu schüren und die Medien aufzuhetzen, doch bin ich als Bürgermeister ein Organ des Rechtsstaates und
habe entsprechend gehandelt. Diese Regel
gilt auch für das Beamtentum als Teil des
Rechtsstaates. Die Hofgartenverwaltung
konnte als Pächter des Grundes der Verhandlung beiwohnen, sie war - dies ist aktenkundig - für die Erhaltung der Buche,
in diesem rechtsstaatlichen Verfahren wurde jedoch diese Auffassung nicht geteilt,
da es bessere Argumente und wichtigere
Gründe für die Fällung gab.

Hut ab vor einem
aufrechten Beamten!
Auf Grund dieses ordnungsgemäßen Verfahrens teilte das zuständige Wirtschaftsministerium im März dem Tiroler Landeshauptmann mit, daß das Straßenprojekt
genehmigt und die Rodung der Buche bei
km 0,42 nicht zu vermeiden sei. Es erging
der Auftrag zum Vollzug. Der Landeshauptmann von Tirol erteilte im April der
zuständigen Abteilung den Auftrag, mit
dem Straßenprojekt zu beginnen, wiederum wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Buche gefällt werden muß.
Ein aufrechter Hofrat der Landesregier u n g h a t - auf dem Boden des RechtsFortsetzung auf Seite 4

Demokratische
Mehrheit
muß respektiert
werden
Die Verlegung des Radweges zur Häuserfront
hätte die Sicherheit der
Radfahrer stark beeinträchtigt, der Radfahrer
hätte zweimal die Straße
queren müssen, Stau und
Chaos wären die Folge.
Die Varianten zwei und
drei wurden im Stadtse-

Dipl.-big. Leonhard Steiger, Leiter der städtischen Grünabteilung,
mit der Baumscheibe der gefällten Rotbuche: "Der Baum war gezählte 123 Jahre alt, der Stamm unten zu zwei Dritteln faul. Es ist
fachlich ein Unsinn, daß er noch sehr lange hätte stehen können ganz gewiß nicht in Straßennähe! "
(Foto: Eizinger)

STADTNACHRICHTEN - JUNI 1993

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