Stadtnachrichten

Jg.1993

/ Nr.3

- S.30

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Mit 30 Teilnehmern ging vor 100 Jahren
das Telefonnetz in Innsbruck in Betrieb
2L
Mit einem gehörigen Schuß Lokalpatriotismus bringen die Innsbrucker Nachrichten am 24. Oktober 1877 folgende Schlagzeile: "Der erste Sprechtelegraph am
Continente in Innsbruck!" Der anschließende Artikel berichtet von der tags zuvor
abgehaltenen Gemeinderatssitzung, auf
der die Errichtung eines Feuersignaltelegraphen zur schnelleren Alarmierung im
Brandfall beraten wird. Im Rahmen der
Diskussion macht Altbürgermeister Dr.
Tschurtschentaler auf die neue amerikani-

Von Mag. Matthias
Rettenwander
sehe Erfindung des "Bell"sehen Sprechtelegraphen" (1876) aufmerksam. Dieser
revolutionäre Apparat würde laut Tschurtschentaler in der nächsten Zusammenkunft des Naturwissenschaftlichen Vereines von Prof. Leopold Pfaundler und
Optiker F. Miller vorgeführt, worauf die
Entscheidung über den Feuersignaltelegraphen vertagt wird.
Schon in der Nummer vom 11. November
1877 beschäftigen sich die Innsbrucker
Nachrichten erneut mit dem Bell"schen
Telefon. "Dem hiesigen Universitätsmechaniker und Optiker Miller", so heißt es,
"ist es gelungen, das Telephon so zu verbessern, daß selbst der etwas Schwerhörige alle Töne noch deutlich verstehen
kann." Der aufgeschlossene Techniker
führte
seine
Fernsprechversuche
über die eindrucksvolle Distanz von
200 bis 300 Metern
durch.

kömmlichen Feuersignaltelegraphen entschieden.
Dieser "Rückschlag" konnte jedoch auch
in Innsbruck den Siegeszug des "Sprechtelegraphen" nicht stoppen. Zunächst waren
es einzelne Innsbrucker Großbetriebe, die
sich die revolutionäre Erfindung zunutze
machten. Unter den so eingerichteten privaten Fernsprechleitungen war jene der
Firma Rhomberg zwischen Innsbruck und
Hall eine der bekanntesten.
Der Startschuß für den öffentlichen Fernsprechverkehr in Innsbruck fiel jedoch erst
1893. Am 20. Juni dieses Jahres wurde das
staatliche Telefonnetz der Landeshauptstadt mit der Zentrale in der Stainerstraße
und 30 privaten Anschlüssen in Betrieb
gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt standen der
Bevölkerung auch schon drei "öffentliche
k. k. Telephonsprechstellen" zur Verfügung: am Post- und Telegraphenamt in der
Maria-Theresien-Straße
(Taxis-Palais
beim alten Landhaus), im Postamt Mühlau
und am Innsbrucker Südbahnhof. Wohltuend dürften für den Telefonkonsumenten
von heute die Tarife der damaligen Zeit
klingen. Für die Herstellung eines Teilnehmeranschlusses mußte man 1893 mit Kosten von 50 Gulden bis 500 m und darüber
hinaus mit jeweils 10 Gulden pro 100 m
Telefonleitung rechnen. Die Telefongebühr betrug "per Abonnentenstation jährlich 20 Gulden"! Gleichgültig wieviel man
sprach, die Telefonrechnung machte im
Jahr umgerechnet ca. 2000 Schilling aus.

Das Leitungsnetz in den Urzeiten des lelel"ons in Innsbruck basierte hauptsächlich
auf Freileitungen mit Masten. Mauerträgern und Diichständern. Die telefonischen
Verbindungen kamen natürlich bis weit ins
20. Jahrhundert, genau bis zum 19. Juni
1943, durch das vielbemühte "Fräulein
vom Amt" zustande. Nach der Jahrhundertwende wurde sukzessive das sogenannte "interurbane" Fernsprechnetz ausgebaut. 1905 erfolgte die Inbetriebnahme
der Leitung Innsbruck-Bozen-Trient, 1907
wurden die ersten Ferngespräche mit Wien
geführt und 1910 konnte der mitteilungsbedürftige Innsbrucker Bürger sogar fernmündlichen Kontakt mit Hamburg aufnehmen.
Die "Belehrung über die Benützung der
staatlichen Telephon- (Fernsprech-) Anlagen" im ältesten erhaltenen Tiroler Telefonbuch von 1905 (Museum Ferdinandeum) gibt uns guten Einblick in das
telefonische Alltagsleben um die Jahrhundertwende. Die Gesprächsdauer war auf
höchstens 6 Minuten beschränkt, und man
unterschied zwischen "gewöhnlichen" und
"dringenden" Gesprächen, wobei letzteren
(bei der Herstellung der Verbindung) der
Vorrang eingeräumt wurde. Für den "interurbanen Verkehr" wird dem Benutzer geraten, den Mund bis auf ungefähr 4 Zentimeter der Sprechmuschel zu nähern und
die beiden Hörapparate genau gegenüber
des Gehörganges leicht an das Ohr zu
drücken. "Insbesondere dort, wo die Telephonapparate einer
Abonnentenstation
durch mehrere Personen benützt werden, empfiehlt es
sich,
vor
Allem
die Muscheln der
Sprech- und Hörapparate so oft als
möglich zu desinfizieren."

Diese beiden Zeitungsmeldungen sind
die ersten Nachrichten über den Einzug
der neuen Erfindung
des Telefons in die
Tiroler Landeshauptstadt. Zu erwähnen
ist vielleicht noch,
daß sich die vorsichtigen Stadtväter
trotz
der
rührigen Aufklärungsarbeit Pfaundlers und Das heutige Postgebäude in der Stainerstraße beherbergte Innsbrucks erste Telefonzentrale.
(Original im Stadtarchiv)
Millers für den her-

STADTNACHRICHTEN - MÄRZ 1993

Selbst das Wetter
konnte
um
1900
noch ein angeregtes
Telefongespräch vereiteln, heißt es doch
in der Benützerbelehrung: "Selbstverständlich ist sich bei
Eintritt eines Gewitters
der
Korrespondenz zu enthalten."


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