Stadtnachrichten

Jg.1992

/ Nr.10

- S.31

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"Freunde erkennt man in der Not":
Bgm. Niescher besuchte Sarajevo
Seit sechs Monaten liegt Innsbrucks Partnerstadt Sarajevo unter
mörderischem Sperrfeuer faschistisch-serbischer Belagerer. Täglich gibt es an die 20
Tote und 50 Verletzte; von ursprünglich 550.000 sank die Einwohnerzahl
durch Flucht auf etwa 350.000 (bis Anfang September). Am 28. August fuhr Bürgermeister Romuald Niescher, begleitet vom stellvertretenden Magistratsdirektor
Dr. Gerhard Loinger, in die arg geprüfte Stadt, um "ein Zeichen der Solidarität mit
der Partnerstadt" zu setzen.

(Eiz) In Sarajevo leben seit Jahrhunderten Moslems und Christen, Bosnier und
Serben friedlich nebeneinander. Diese
Eintracht ist ein Dorn im Auge der faschistischen Serben Rest-Jugoslawiens,
seit Bosnien nach dem Beispiel von Slowenien und Kroatien seine Unabhängigkeit erklärt hat: Die Identität der Stadt, in
Sarajevo historisch gewachsen, soll ver-

einer Herkules-Maschine der italienischen Luftwaffe im UNO-Einsatz, gefüllt
mit Hilfsgütern, nach Sarajevo. Auf dem
Flughafen traf Niescher den Oberkommandierenden der UNO-Truppen in Sarajevo, einen ägyptischen General, der feststellte: "Ich habe drei Kriege gegen Israel
mitgemacht - dieser Krieg ist der schmutzigste."

Krisenbesprechung im Keller des Bürgermeister-Gebäudes in Sarajevo. Links Kultlirstadtrat Prof.
Mechmed Alicehajiz, der fließend Deutsch spricht, ein alter Freund Innsbrucks. Daneben Bürgermeister Niescher, dritter von links Muhamed Creslevljakovic, Bürgermeister von Sarajevo, mit anderen Mitgliedern des Krisenstabes.
(Foto: Loinger)

nichtet werden durch Artilleriegranaten
und die Todesschüsse der Heckenschützen.
Am 28. August besuchte Bürgermeister
Romuald Niescher, begleitet von Magistratsdirektor-StellVertreter Dr. Gerhard
Loinger, die Partnerstadt. "Durch die
Fernsehberichte waren wir auf einiges
gefaßt - die Wirklichkeit war um vieles
ärger", berichteten die beiden nach ihrer
Heimkehr.
Über Vermittlung des Außenministeriums
flog der Bürgermeister von Zagreb mit

Fahrt mit dem Schützenpanzer in
die Stadt, die Bgm. Niescher von früheren Besuchen gut kannte - "die Zerstörungen sind grauenhaft". Aussprache
mit Bürgermeister Muhamed Creslevljakovic und dem Regierungschef von Bosnien, Dr. Jure Pelivan. Teilnahme an
einer Sitzung des Krisenstabs, der täglich
in einem anderen Keller tagt; unter
den 12 Mitgliedern Vertreter der Kroaten,
Moslems und auch der Serben - viele von
ihnen kämpfen hier Seite an Seite mit
den anderen Volksgruppen gegen die "fa-

STADTNACHRICHTEN - OKTOBER 1992

schistischen Serben Restjugoslawiens".
Sarajevo lag unter schwerem Beschuß.
Das Bayerische Fernsehen interviewte
Bgm. Niescher in einem Hinterhof. Nur
Minuten nach dem Gespräch schlug die
Geschoßserie einer Stalinorgel am Ort des
Interviews ein. Nieschers Aussage kam
voll über den bayerischen Sender: "Ich
wünsche mir, die europäischen Entscheidungsträger könnten jene Gefühle verspüren, die wir jetzt empfinden, vielleicht
würden sie dann rascher die notwendigen
Entscheidungen treffen."
Auf einer Pressekonferenz nach seiner
Rückkehr erläuterte der Bürgermeister
den dreifachen Zweck seiner Reise: "Erstens wollte ich ein Zeichen der Solidarität setzen: Partnerschaft soll sich in der
Not bewähren."
Die Verantwortlichen in Sarajevo waren
über den Besuch sichtlich erfreut: Seit
zwei Monaten (Mitterand!) hatte kein
westlicher Politiker mehr die hart geprüfte Stadt besucht. Niescher: "Die Menschen fühlen sich von Europa verkauft
und verraten und verstehen nicht, daß
man ihnen nicht hilft."
Zweiter Zweck der Reise: Es soll ein humanitäres Programm für die Partnerstadt
Sarajevo gestartet werden. Gesprochen
wurde über eine Erholungsaktion für Kinder, die für eine gewisse Zeit nach Innsbruck kommen könnten. Niescher: "Hier
wird mein Appell an unsere Bevölkerung
gehen..." Auch ein Hilfsprogramm für alte Menschen wird beraten. Möglich wäre
es auch, Verletzte in Innsbruck zu pflegen.
Der dritte Zweck der Reise: Als Vizepräsident des Städtebundes überbrachte Bgm.
Niescher die offizielle Einladung an den
Bürgermeister von Sarajevo zum Österreichischen Städtetag am 16. September in
Graz. Bgm. Muhamed Creslevljakovic
sagte zu, gerne zu kommen, wenn es sich
irgendwie machen läßt. Leider war es, wie
man inzwischen weiß, dem Stadtoberhaupt nicht möglich, nach Graz zu kommen.
Innsbruck hat schon bisher seine Solidarität mit der Partnerstadt Sarajevo bekundet: Um eine Million Schilling wurde im
Rahmen der Aktion "Nachbar in Not" Babynahrung in die belagerte Stadt geschickt; um eine halbe Million wurden
Medikamente gekauft, um weitere
500.000 S wurden Feuerwehrschläuche
gekauft, um die die Stadt dringend gebeten hatte.


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