Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1991

/ Nr.2

- S.17

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AUS DER ARBEIT UNSERER UNIVERSITÄT:

Geisteswissenschaften bieten Orientierungshilfen
Sie stellen ein Wissen bereit, das für die berufliche Tätigkeit in vielen Bereichen unentbehrlich ist
Die Geisteswissenschaften befinden sich heute angesichts des
technisch-industriellen
Fortschritts in einer schwierigen Lage,
obwohl die „high-tech" Hochstimmung am Ende unseres Jahrhunderts nicht ungetrübt ist und
gleichzeitig der Ruf nach „Orien-

Freundschaftsvertrag
Innsbruck—Besancon
Die Geisteswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck
und die Literatur- und Humanwissenschaftliche Fakultät der
Universität Besancon (Frankreich) haben einen Freundschaftsvertrag geschlossen, der
eine enge Zusammenarbeit in
Forschung und Lehre vorsieht.
Sie betrifft gemeinsame Forschungsprojekte und Tagungen,
den Professoren-, Dozenten- und
Studentenaustausch. Beide Fa- Die Geisteswissenschaftliche Fakultät am Innrain. (Foto: Murauer)
kultäten wollen auch den Austausch von wissenschaftlichen tierungswissen" in breiteren Be- sammenschließen, müssen auch
Veröffentlichungen und For- völkerungsschichten immer lau- ein historisches Bewußtsein und
schungsergebnissen pflegen. An- ter wird. Wo sich das geistige Le- ethische Vorstellungen von diegestrebt wird weiters, die interna- ben in den Gegenständen des Er- sem Zusammenleben entwickeln.
tionale Mobilität von Universi- kennens reflektiert, können die Daher ist die Ethik im wissentätslehrern und Studierenden zu Geisteswissenschaften eine bil- schaftlichen und technischen, im
fördern.
dende, regulativ-orientierende sozialen, politischen und wirtBeauftragter der „Geiwi" in Inns- und aufklärerisch-ideologiekri- schaftlichen Handeln ein wesentlicher Erkenntnisbereich der Geibruck für diesen Freundschafts- tische Funktion übernehmen.
vertrag: Univ.-Prof. Dr. Helmut Menschen, die sich zu einem steswissenschaften. Diese könStaat oder einer Gesellschaft zu- nen wie kaum eine andere WisReinalter (Inst. f. Geschichte).

senschaft „Orientierungshilfen"
bieten, ohne problematische
Sinndeutungen zu vermitteln:
Orientierung in neuen komplexen Verflechtungen mit dem gesellschaftlichen Leben. Geisteswissenschaftliche
Forschung
steht daher immer im Austausch
und in kritischer Auseinandersetzung mit dem allgemeinen Leben.
Die Geisteswissenschaften haben
zwar keine Ergebnisse vorzuweisen, mit denen man in den Weltraum fliegen oder das Sozialprodukt steigern könnte, dafür stellen sie aber Lernpotentiale und
ein Orientierungswissen für das
Leben zur Verfügung und spielen
darüber hinaus eine wichtige
Kompensationsrolle, da die
durch die experimentellen Wissenschaften forcierte Modernisierung im zunehmenden Maße
lebensweltliche Verluste verursacht. Je moderner die Welt wird,
umso unverzichtbarer werden die
Geisteswissenschaften in einer Zeit
der wissenschaftlichen Wende von
der emphatischen Eindeutigkeit
zur Kultur die Vieldeutigkeit.
Die zunehmende Wertschätzung
der Naturwissenschaften und
Technik haben zwar das äußere
Erscheinungsbild der Geisteswissenschaften im Bildungsgeschehen etwas beeinträchtigt, ihre ge(Fortsetzung Seite 21)

Die berufsbildenden Aufgaben der
Geisteswissenschaftlichen Fakultät

Die Geisteswissenschaftliche Fakultät der Universität
Innsbruck umfaßt
26 Studienrichtungen, deren Berufsorientierungen ein breites Spektrum aufweisen: Wissenschaftler, Lehrer, Erwachsenenbildner, Trainer, Übersetzer, Dolmetscher, Schriftsteller, Journalisten, Reporter, Lektoren,
Redakteure, Verleger, Bibliothekare, Archivare, Künstler,
wissenschaftliche
Reiseleiter
und Diplomaten. Dazu kommen Tätigkeiten in Forschungsund Bildungsinstitutionen, in
der öffentlichen Verwaltung, in
Parteien, internationalen Organisationen,
Kulturinstituten,
Freizeiteinrichtungen, in den
Medien, im Buch- und Kunst-

Seite 20

Einer Vielzahl von Berufen nützt diese Ausbildung
handel, in Denkmalämtern, Museen, Galerien und Ausstellungshallen.
Aus dieser kurzen Aufstellung
geht bereits hervor, daß die geisteswissenschaftliche
Ausbildung verschiedene berufliche
Möglichkeiten bietet, gleichzeitig
droht aber die Arbeitslosigkeit.
Letzteres gilt für alle Studienrichtungen, auch für das Lehramt,
das als dominantes Berufsziel
vieler geisteswissenschaftlicher
Studienrichtungen gilt, auf
Grund der Arbeitsmarktentwicklung allerdings stark an Attraktivität verloren hat.

Haben die geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen überhaupt einen Berufs(aus)bildungsauftrag? Müssen sie auf
Veränderungen im Beschäftigungssystem reagieren bzw. diese zu beeinflussen versuchen?
Können sie sich auf die These
„der
Entkoppelung
von
Bildungs- und Beschäftigungssystem" stützen und können sie
es den Studierenden überlassen, einen Beruf zu finden?
Sicher ist, daß sich die geisteswissenschaftlichen Studienangebote nicht auf bestimmte Berufsfelder fixieren können, sehr

wohl allerdings sind
berufsorientierte
bzw. berufsvorbildende Elemente in
die Studienpläne
einzubauen,
die
überwiegend den Charakter
von Schlüsselqualifikationen
haben. Alle Studienrichtungsvertreter, auch Dolmetscher
und Sportwissenschaftler, distanzieren sich von trainingsmäßigen, auf verschiedenen
Berufsbilder zugeschnittenen
Spezialausbildungen.
Möglichst breit ausgelegte, mit Zusatzqualifikation bestückte Bildungswege erscheinen als beste
Aufschließungsgaranten
für
die an Konturschärfe verlierenden geisteswissenschaftlichen
Berufsfelder.
Univ.-Prof. Dr. E. WIESER

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1991, Nr. 2