Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1989

/ Nr.10

- S.5

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Ein Netz von Erdbeben-Meßstationen um Innsbruck
Ständige Informationen von vier Seismometern werden über die Berufsfeuerwehr nach Wien gesendet
Das Netz des Erdbebenwarndienstes funktioniert so: An vorerst drei
Stationen um Innsbruck — und
zwar auf der Walderalm ober Gnadenwald, bei der Moosalm bei Telfs
und in St. Quirin im Seilrain (eine
vierte Station ist im Bau) — stehen
in erschütterungssicheren Felsstollen hochempfindliche Seismometer. Sie registrieren jede
Erschütterung — auch solche, die
weit unter der Fühlbarkeitsgrenze
liegen. Über Funk gelangen die
Daten in die Hauptfeuerwache
nach Innsbruck. Hier speichert sie
ein Computer, zugleich aber laufen
die Daten in die Zentralanstalt für
Meteorologie und Geodynamik in
Wien, die sie wissenschaftlich auswertet.

Ziel: Erdbebenwarnung
Die Anlagen wurden zwar als „Erdbebenwarndienst" vorgestellt, doch
davon ist man heute noch weit entfernt. Dieses Ziel wird erst angepeilt: Aus der exakten Aufzeich-

Die Meßstelle Walderalm wird
durch diese photovoltaische
Anlage (Siliziumzellen, die Sonnenlicht in Strom verwandeln) mit
Energie versorgt. Auch die Datenübermittlung über Funk (Richtantenne auf der Mastspitze) erhält
so die nötige Energie.

(Eiz) Innsbruck wurde in den vergangenen Jahrhunderten mehrmals von
schweren Erdbeben heimgesucht. Heute ereignen sich im Großraum Innsbruck rund 30 Prozent aller in Österreich registrierten Beben: Es ist daher
kein Zufall, daß die Wissenschaft Innsbruck für die erste Ausbauphase
im Rahmen des Österreichischen Erdbebenwarndienstes (ÖEW) ausgewählt hat. Der 18. September war dafür ein wichtiger Tag: In festlichem
Rahmen wurden die Anlagen des ÖEW Tirol der Öffentlichkeit vorgestellt. Wissenschaftsminister Busek, Landeshauptmann Partl und die
Repräsentanten der Stadtführung mit Bürgermeister Romuald Niescher
an der Spitze waren neben zahlreichen Mitarbeitern des Katastrophenschutzes interessierte Gäste.
nung der tektonischen Vorgänge und
ihrer Interpretation will man eines
Tages dahin kommen, drohende
Erdbeben vorhersagen zu können.
Die Warnung müßte ja den Ort, die
Zeit und die vorraussichtliche

Historische Beben
im Raum Innsbruck
Folgen der noch andauernden
Gebirgsbildung der Alpen sind
tektonische Beben. Sie können
jederzeit auftreten. Aus der
Vergangenheit sind im Raum
Innsbruck-Hall mehrere überliefert.
Die Katastrophen der Jahre
1670 und 1689 versetzten die
Bevölkerung in Angst und helles Entsetzen. Sie richteten an
den Gebäuden zum Teil sehr
erhebliche Schäden an. Am
17. Juli 1670 wurde die alte
Heiliggrabkirche in der Kapuzinergasse so stark beschädigt,
daß sie teilweise einstürzte. Das
Beben richtete in Hall noch viel
ärgere Schäden als in Innsbruck
an.
Nach dem Beben des 20. November 1689 mußte das alte Regierungsgebäude in der HerzogFriedrich-Straße 3 neu errichtet
werden: Dem wenig erfreulichen Anlaß verdanken wir das
einzige profane Barockgebäude
in unserer Stadt, das AltstadtRathaus.
Bei diesem Beben haben auch
Gewölbe und Turm der Hofkirche (erst gut 100 Jahre früher
erbaut) so stark gelitten, daß sie
neu erbaut werden mußten. Sie
sind barock wiederentstanden
und bilden so eine architektonische Besonderheit in unserer
Stadt. Nach diesen beiden
Beben wurden auch die schrägen Stützmauern an den Altstadthäusern erstellt.

Intensität des Bebens enthalten.
Der wichtigste Schutz vor Bebenfolgen ist nach wie vor eine möglichst erdbebensichere Bauweise.

ment sowie geomagnetische Anomalien festgestellt. Später mehrten
sich die Anzeichen für ungewöhnliche tektonische Vorgänge noch.
Als die Seismographen eine Unzahl
an Kleinstbeben aufzuzeichnen
begannen und auch die geoelektrischen Instrumente plötzlich Anomalien registrierten, als schließlich
auch die Tiere ein abnormes Verhalten zeigten, wurde am 4. Februar
1975 die Bevölkerung evakuiert.
Am Abend desselben Tages ereignete sich dann das starke Beben.
In den letzten Jahrzehnten gelangen auch andere, weniger spektakuläre Erdbebenprognosen. Es gab
aber auch Fehlprognosen: Alle
Anzeichen können, müssen aber
nicht ein Erdbeben anzeigen.

1975 gelang in China die exakte
Prognose des Bebens von Haicheng, einer Stadt mit 90.000 Einwohnern. Das Beben zerstörte die
Stadt fast zur Gänze. Die WissenDie wissenschaftlichen Anstrenschaftler hatten das Epizentrum,
gungen um die Erdbebenvorherdie große Bebenstärke und den
sage werden weltweit unternomZeitpunkt für die Warnung und
men; Erfahrungen werden ausgeEvakuierung der Bevölkerung richtauscht. Grundvoraussetzung ist
tig abgeschätzt.
Vorausgegangen waren dieser
Prognose Beobachtungen einer
Vielzahl von Disziplinen. Ende
1974 wurden in dem Gebiet erhöhte
Mikrobebentätigkeit, Höhenänderungen beim geodätischen Nivelle-

die exakte Beobachtung aller tektonischen Vorgänge in einem gefährdeten Gebiet. Dafür wurde nun im
Großraum Innsbruck die Infrastruktur geschaffen. Die Stadt hat
das Projekt finanziell maßgeblich
unterstützt.

Nahe der Walderalm ober Gnaden wald liegt dieser Meßstollen, in dem
ein Seismometer auch Erdbewegungen registriert, die vom Menschen
noch gar nicht wahrgenommen werden. Anläßlich der Eröffnung
besichtigten (von links) Landeshauptmann Alois Partl, Univ.-Prof. Dr.
Peter Steinhauser, Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und
Geodynamik in Wien, Wissenschaftsminister Dr. Erhard Busek,
Stollenpatin Martha Mayr, Wirtin der Hinterhorna/m, und Bürgermeister Romuald Niescher die Meßstelle.
(Fotos: Eliskases)

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1989, Nr. 10

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