Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1988

/ Nr.10

- S.10

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AUS DER AKBKIT UNSKKKR UNIVKKSITÄT:

Mikroskopisch kleine, versteinerte Meerestiere
am Fuß der Martinswand: 233 Millionen Jahre alt!
Institut für Geologie und Paläontologie in internationales Tiefseeforsehungsprogramm eingebunden
Am Institut für Geologie und Paläontologie der Universität Innsbruck befallt sieh der Vorstand
des Instituts, Univ.-Prof. Dr.
llrlfricd Mosller, mit einem speziellen Forschungszweig aus dem
Bereich der Mikropalaontologie;
er untersucht Kadiolarien. Unter
Paläontologie versteht man die
Wissenschaft vom Leben der
Vorzeit. Ihr Ziel ist es, die Geschichte des Lebens auf der Erde
mit
naturwissenschaftlichen
Methoden zu rekonstruieren. Die
Dokumente, die dafür benützt
werden, sind Versteinerungen
bzw. Fossilien; mikroskopisch
kleine Versteinerungen nennt
man Mikrofossilien.
Radiolaricn sind Einzeller, die
heute wie vor 570 Millionen Jahren
(erstmaliges
Auftreten)
schwebend im Meerwasser leben.
Sie gehören zum Plankton und
entziehen dem Meerwasser die
für den Skelettaufbau notwendige Kieselsäure, die man Skelettopal nennt; es ist dies eine Substanz von glasiger Beschaffenheit, stofflich dem Fensterglas
sehr ähnlich. Damit die Radiolarien im Wasser nicht absinken,
bilden siez. B. Fetttröpfchen, wodurch sie einen entsprechenden
Auftrieb erfahren. Da sie zu aktiven Bewegungen nicht imstande
sind, werden sie passiv von der
Meeresströmung transportiert.
Sobald sie absterben, sinken ihre
Skelette nach dem Abbau der organischen Substanz zu Boden,
was oft Jahre dauert, bis sie endlich im Schlamm des Meeresi"i imdcs eingebettet werden bzw.
wurden. Durch die Einbettung im
Schlamm ist es gewährleistet, daß
die kleinen, bizarren Skelette im
Zuge der Gesteinswerdung (der
Schlamm wird durch Verlust des
Wassers und durch chemische
Umsetzungen allmählich zum
(iestem)im Laufeder Jahrmillionen ri lialten bleiben.
Mit Hilfe von Lösungsmitteln,
wie /. 15. mit verdünnter Essigsaure, kann man aus Kalk die Radiolariengchäuse
herauslösen.
Trotz des Alters von 233 Millionen Jahien
das Gesteinsaller
wird mit physikalischen MethoSeite 10

ein hoher Stellenwert zu. Nur allzu oft sind mineralische Rohstoffe in radiolarienfülirende Gesteine eingeschaltet, die durch gcbirgsbildende Kräfte verfallet
und zerbrochen wurden. Damit
ist die ursprüngliche Verbindung
der Gesteine gestört. Mit Hilfe
der Radiolarien lassen sich anhand von Bohrkernen die einzelnen zerbrochenen Gestcinspakcte wieder aneinander reihen. So
sind die Radiolarien zu einem
wichtigen Forschungszweig in
der Aufsuchung von Krdöllagerstätten geworden.
In jüngster Zeit hat die Radiolarien forschung, speziell bei der
Untersuchung alter Ozeanböden,
einen starken Auftrieb erfahren.
233 Millionen Jahre alte, inikroskopisch kleine Radio/ariengehäuse, die Mit ihrer Hilfe lassen sieh die alam Martinsbühel, am Fuß der Martinswand, entdeckt wurden.
ten Ozeanböden, die aus vulkani
den exakt bestimmt — sind, wie Radiolariengehäuse, wie sie im schem Material bestehen und in
das Foto zeigt (die Radiolarien Foto dargestellt sind. Da die fossi- großen Arealen von Radiolarienwurden mit Hilfe des Elektronen- len Radiolarienarten sehr kurz- schlamm überdeckt werden (heumikroskops aufgenommen), die- lebig sind, kann man mit Hilfe te sind es Gesteine, die sich fast
se sehr gut erhalten. Die sechs ab- dieser eine weltweite Zeitkorrela- ausschließlich aus Radiolarien
gebildeten Radiolarien stammen tion vornehmen. Man kann bei- zusammensetzen — sogenannte
alle vom Fuß der Martinswand, spielsweise Gesteinsbänke vom Radiolarite), zeillich sehr gut einund zwar aus Kalkgesteinen des Martinsbühel von 1 m Dicke mit stufen. Um Vergleiche mit dem
Martinsbühel.
solchen von Japan und Mexiko heutigen Verhalten der KadiolaWorin liegt nun der Sinn einer als völlig zeitgleich unmittelbar rien in der Tiefsee anstellen /u
können bzw. mit ihren Ablagerunderartigen Forschung? Aufgrund verbinden.
der Beschränkung der Radiola- Aufgrund der ausgezeichneten gen auf den heutigen Tiefseebörien auf das Meerwasser, insbe- zeitlichen
Übereinstimmung den, ist das Innsbrucker Institut in
sondere auf ozeanische Gebiete, kommt den Kadiolarien auch für ein internationales Tiefseelbrdienen sie für die Rekonstruktion wirtschaftliche Fragestellungen sehimjjsproL"iainm eingebunden.
ehemaliger Meeresräume; vor
allem ermöglichen sie Tiefenangaben über die ehemaligen Ablagerungsgebiete, da sie in verschiedenen Wassertiefen in geologischer Vorzeit lebten bzw. heute noch so leben. Da Radiolarien
seit dem Paläozoikum bekannt
sind — überdies: die ältesten Radiolarien Österreichs stammen
vom Kitzbühler Horn und sind
420 Millionen Jahre alt —, haben
sie eine lange Entwicklung hinter
sich und entfalteten eine besondere Formfülle im Mesozoikum.
(Die Nordkette bei Innsbruck be- Spin kassiii-Musikloidei ungspreis "88: Zwei 1"rc-islrugiT
stellt aus mesozoischen Gestei- //; .Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste — für die Stadt Innsbruck Kul
nen mit einem Alter von 245 — lundercut I izebgin. Ing. Artur Krasovic— wurden am 27. September
204 Millionen Jahren).
auj da I Icilicrburg die Musikförderungspreise 1988 der Sparkasse an
Alle diese Formen sind natürlich Ursula Heiß (Violine) aus Innsbruck und Rein hold Brunner (Klarischon längst ausgestorben. Die nette) aus Bri.xen verliehen. Im Bild die jungen Musiker mit ihren Mäzeheule lebenden Radiolarien ei in naten (IP Pr. Hubert Klingan (Tiroler Sparkasse Innsbruck-Hall) und
nein nur mehr entfernt an jene iil) Di. I ranz Ubennair (Südtiroler Landessparkasse). (F.: Birbaumci)

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1988, Nr. 10