Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1988

/ Nr.3

- S.23

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Der 11.-13. März 1938 in Innsbruck
Es ist eine traurige Ehre unserer
Stadt, daß hier am 9. März 1938
das verhängnisvolle Ende der 2.
Republik begonnen hat. Unter
dem Eindruck der in Berchtesgadcn ;nn 12. Februar erlebten Nieilril.u"c (Übergabe des für die Sicherheit wichtigen Innenministeriums an den NS-Minister SeyßIIK|UÜI1, Öffnung der Vaterländischen front für die illegalen NaVon Archivdirektor Sen.-Rat
Univ.-Doz. Dr. Franz-Heinz Hye
tionalso/.ialisten) hoffte Bundeskanzler Dr. Kurt von Schuschnigg, durch die am 9. März im
Innsbrucker Stadtsaal verkündete Volksbefragung für den selbständigen Fortbestand Österreichs am 13. März, Hitlers
Anschluß-Pläne zu durchkreuzen. In Wirklichkeit aber trat
Schuschnigg damit die Lawine
los, die bereits zwei Tage später
ihn und Österreich hinwegreißen
sollte. Die NS-Demonstrationen
gegen die Volksbefragung, die in
Innsbruck bereits am Abend des
10. März begannen, steigerten
sich nämlich — für ganz Österreich von der Parteizentrale mit
klaren Devisen versorgt — am 11.
März in unbeschreiblichem Ausmaß, wobei nun nicht nur die Absetzung der Volksbefragung, sondern unverblümt in mitgetragenen Transparenten Schuschniggs
Rücktritt gefordert wurde. Das
Gebrüll der Straße erhielt von
Berlin her durch die ultimative
Forderung, entweder Rücktritt
oder militärischer Einmarsch, ei-

ne wesentliche, der Masse aber
noch unbekannte Unterstützung.
Erst in seiner denkwürdigen Abschiedsrede im Rundfunk um
19.47 Uhr machte Schuschnigg
davon Mitteilung. Da mit seinem
Rücktritt eben dieses Ultimatum
erfüllt war, konnte es aber zugleich als abgetan gelten.
So wie im Bundeskanzleramt
vollzog sich nun auch in Innsbruck noch am Abend des 11.
März die Machtergreifung der
NSDAP im Rathaus und im
Landhaus. Herr und Frau Österreicher gingen an diesem Abend
schlafen im Bewußtsein, daß
Staat, Länder und Gemeinden
nun eben von der österreichischen NSDAP regiert werden. Da
brachte der 12. März die große
Überraschung: Angeblich um
Hilfe gerufen, marschierte seit
den Morgenstunden die Deutsche Wehrmacht in Österreich
ein. Der Befehl dazu wurde von
Hitler bzw. Göring noch am
Abend des 11. März um 20.45 Uhr
erteilt, obwohl die Forderung
nach Schuschniggs Rücktritt zu
diesem Zeitpunkt bereits längst
erfüllt war! Für die Mächtigen in
Berlin ging es nun nicht mehr um
den Wortlaut ihrer Forderungen,
sondern einzig darum, die Gunst
der Stunde, den erzwungenen
Machtwechsel in Österreich, total
für den jahrelang gehegten Anschlußplan zu nützen.
Der Einmarsch der deutschen
Truppen am 12. März von Mittenwald her in Innsbruck erfolgte
in zwei Gruppen. Eine Voraus-

Abteilung in Beiwagenmaschinen unter Obstlt. F. Schörner
machte nur von 11 bis 11.15 Uhr
kurze Rast in Innsbruck und traf
um 13 Uhr am Brenner ein, um
sich
dort
demonstrativfreundlich bei den italienischen
Grenzeinheiten als neuer Nachbar vorzustellen. Dieser ersten
Abteilung folgte stundenlanges
Warten, bis gegen 21.15 Uhr die
Marschgruppe des Gebirgsjägerregimentes 98 die Stadt erreichte
und in der Maria-TheresienStraße u. a. auch vom österreichischen Bundesheer mit seiner Militärmusik begrüßt worden ist.
Die NS-Propaganda verlegte diesen Einmarsch in der Folge in die
Nachmittagsstunden,
als in
Wirklichkeit kein Militär, sondern NS-Parteibonzen in einem
Fahrzeugkonvoi in der MariaTheresien-Straße eintrafen und
photographiert werden konnten,

was abends nicht möglich war!
Während dann am 13. Mär/ in
Wien von der Noch-Regierung
Seyß-Inquart das „Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem
Deutschen Reich" — wein lieh
vorbereitet in Berlin, letzte Redaktion durch Hitler in I in/ —
beschlossen worden ist, wurde
der „Dollfuß-Platz" vor dem
Landestheater in „Adolf-HitlerPlatz" umgetauft.
Fast gleichzeitig begannen die
„Innsbrucker Nachrichten" mit
der Veröffentlichung von „Maulkorb-Erlässen" (z. B. zum Thema
Südtirol) und von Maßnahmen
gegen jüdisches Fluchtkapital —
das jüdische Geld wollte man ja
behalten . . .
Innsbruck war „deutsch", die
Gefängnisse mit politischen Gegnern gefüllt. Für viele begann —
wie auf einer damaligen NS-Propaganda-Ansichtskarte — die
Sonne des Hakenkreuzes über
der Stadt zu leuchten, für andere
begann der Weg in die Un frei licit,
nach Dachau und in den "löd.

1888 VOR HUNDERT JAHREN
15. März: „Gestern nachmittags
fand hier eine außerordentliche
Gemeinderaths-Sitzung
statt.
Der Vorsitzende, Bürgermeister
Dr. Falk, eröffnete dieselbe mit
dem Hinweis auf das Ableben des
deutschen Kaisers Wilhelm:
„Kaiser Wilhelm ist es, der
Deutschland zu einem mächtigen, großen Reiche gemacht hat,
er hat den Traum Barbarossas
verwirklicht."
Anti-Schuschnigg-Transparent und SADemonstration
um II. März
1938 gegen
A1 it lug in der
Maria-Theresicn-Straße.
I om ehemaligen Gasthof
Alt-Innsprugg
weht die
I lakenkreuzlahne. (Fotosammlung
Sladtarehiv/
Original llojnü Dr. Wilhelm Neumann, Villaeh)

31. März: ,,I lei i Professor Franz
v. Defregger hat auf Bitte des
Herrn kaiserl. Rat lies Dr. .
Schönherr in liebenswürdiger
Weise gestattet,
daß sein
Original-Oelgemälde, ,Speckbachers Aufruf während der Ostcrfeiertageim Museum zur Ausstellung gelangen dürfe."
7. April: „Se. k. und k. Apostolische Majestät haben allergnädigst zu genehmigen geruht, daß
das vom Oesterreichischen loin i
stenclub nächst dem Gipfel des
Patscherkofels bei Innsbruck errichtete und in kurzer Zeit zu eröffnende Sehut/.haus "Kaiser
Franz-Josef-Schutzhaus"
benannt werden dürfe."
9. April: „Das Hofermonuincnt
auf dem Berg Iscl. Wie wir vernehmen, hat am 3. April eine
neue Sitzung des C"omiles Im Errichtung des Hofennonumeiiies
auf dem Berg Isel stattgefunden,
deren I lauptgegenstand die Verhandlung über einen /weiten ah
gelieferten Entw in I des Bildhauers Heinrich Natter war. Das ins
Auge gefaßte Modell soll, wie es
scheint, den neugierigen Blicken
des Publicums entzogen bleiben,
vielleicht um diesem eine freudige
UcheiTaschuny /u bereiten." W.