Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1987

/ Nr.9

- S.12

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Flechtenstudie belegt: Verkehr verursachte eine dramatische Erhöhung der Luftbelastung
Botanik-Institut der Universität erstellte mit Unterstützung der Stadt neue „Flechtenkartierung" — Verieich 1977 mit 1987 zeigt große Ausdehnung der „Flechtenwüste" — Lanze für den öffentlichen Verkehr
(Eiz) Dramatische Verschärfung der Vegetationsbelastung durch
Luftschadstoffe in den letzten zehn Jahren im Großraum Innsbruck
—der Verursacher steht fest: Es ist eindeutig der Verkehr! Dies ist, auf
den kürzesten Nenner gebracht, das Ergebnis einer Studie des Botanischen Instituts der Universität, die mit Unterstützung der Stadt erstellt und auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des Bürgermeisters
und des Umweltschutz-Stadtrates von Univ.-Prof. Dr. Sigmar
Bortenschlager vom Botanik-Institut erläutert wurde. Unbestechliche „Gutachter" waren die Flechten: Die „Flechtenwüste" hat sich
in Innsbruck im vergangenen Jahrzehnt gut und gern verfünffacht!
Flechten („Barte" an den Bäumen, „Landkarten" auf Brettern
und Steinen) sind Lebewesen aus
Pilz und Alge in einem sehr empfindlichen Gleichgewicht. Sie haben keine Wurzeln, nehmen ihre
Nahrung nur aus der Luft und
sind daher sehr empfindlich gegen Luftverschmutzung. Je nach
dem Grad der Luftbelastung sterben verschiedene Flechtenarten
aus — und darauf basiert die
Luftgüteskala der Wissenschaft:
Sie reicht von Zone I (keine Luftverunreinigung, alle Flechten
kommen vor) bis zur Zone V
(sehr starke Belastung, keine
Flechte auf einem Baum kann
überleben).

„Der Wahrheit ins
Auge schauen"
Flechten können als BioIndikatoren, was ein Meßgerät
nicht kann: Sie erfassen die kombinierte Wirkung verschiedener
Luftschadstoffe über einen längeren Zeitraum hinweg. Und die
kann sich potenzieren!
Innsbruck ist die erste Stadt in
Österreich, in der in drei aufeinanderfolgenden Intervallen eine
sogenannte
„Flechtenkartierung" erfolgte. Erstmals haben
Botaniker der Universität 1947
die Flechtenausbreitung erhoben
und kartiert; dann wieder 1977,
und zuletzt 1987. Diesmal mit
Unterstützung der Stadt, denn
„wir wollen der Wahrheit ins
Auge schauen und die Bevölkerung über den tatsächlichen
Stand informieren", wie UmweltStadtrat Dr. Josef Rettenmoser
auf der Pressekonferenz betonte.
Strengste Heizölvorschrift
trug Früchte
Die „Wahrheit" ist nicht gerade
erbaulich. Bei der Untersuchung
1977 (obere Karte) trat die
schlechteste Zone V, die „Flechtenwüste" (in den Karten im ZenSeite 12

trum, grau) nur im dichtbesiedelten Innenstadtbereich auf. 1987
hat sie sich (untere Karte) auf das
Vier- bis Fünffache vergrößert.
Sie zeigt nicht mehr eine kompakte Gestalt, ihr Bild ist heute ungemein differenziert. Die Wissenschafter schließen daraus, daß
heute andere Faktoren für die
Luftbelastung
verantwortlich
sind als vor zehn Jahren. Damals
belastete Schwefeldioxyd aus
dem Hausbrand die Luft. Es wurde inzwischen durch Maßnahmen der Stadt — strenge Heizölvorschriften — meßbar so sehr
verringert, daß es, so Univ.-Prof.
Dr. Bortenschlager, „bei der
Flechtenkartierung 1987 gegenüber der Belastung durch den
Verkehr weitgehend in den Hintergrund getreten ist."
Schon die Lage und die Form der
jetzt stark belasteten Zonen — sie
erstrecken sich fingerförmig entlang der Hauptverkehrswege und
Ausfallstraßen in weniger belastete Gebiete hinein — weist auf
den Verkehr als Verursacher hin.
Ganz neu tritt die Zone V am
Paschberg und in Hall auf. Die
Autobahn gab es zwar auch
schon vor zehn Jahren, doch der

Lassen wir öfter
das Auto stehen!
Die Entwicklung der Luftgüte
in Innsbruck in den vergangenen zehn Jahren ist nicht erfreulich. Doch in den anderen
Landeshauptstädten ist es um
nichts besser, weiß Univ.-Prof.
Dr. Bortenschlager. Diese Studie wird .Munition" für die
Verantwortlichen beim Treffen unumgänglicher Maßnahmen sein.
Zur Besserung beitragen kann
und soll jeder: Das Umsteigen
auf ein öffentliches Verkehrsmittelfür die Fahrt zur Arbeit
wäre ein sehr wichtiger Schritt.

Verkehr hat sich seit damals in
etwa verdoppelt!
Die Zone IV (ÜberlebensKampfzone der Flechten, in den
Karten braun) ist seit 1977 flächenmäßig nicht unbedingt größer geworden, sie bildet aber nunmehr einen schmalen Saum um
die extrem ausgedehnte Zone V.
Die Zone III (gelb) kennzeichnet
„normale" Beeinträchtigung der
Luft durch die Siedlungstätigkeit; gefährliche Schadstoffkonzentrationen treten noch nicht
auf. Diese Zone zog sich 1977 talbodenbreit
ungefähr
von
Hötting-West bis in den Osten
nach Hall.
1977 war westlich von Innsbruck,
durch sehr viele Meßpunkte belegt, noch die Zone II verbreitet;
1987 wurde hier Zone IV und V
gemessen . . .
Vorrang für den
öffentlichen Verkehr
Bürgermeister Romuald Niescher: „Innsbruck hat den Nachteil seiner topografischen Lage
und der häufigen Inversionen.
Die Stadt hat schon bisher viel getan: Wir haben die strengsten
Heizölvorschriften erlassen, die
Müllverbrennung nicht gebaut
und ein Schweröl-Fernheizwerk
verhindert. Die Gasmischanlage
wurde errichtet. Die Dieselbusse
werden schrittweise durch elektrisch betriebene O-Busse ersetzt.
In Zukunft gilt es, möglichst viele
Gebäude auf Gasheizung umzustellen, dem öffentlichen Verkehr
ist absoluter Vorrang einzuräumen."

Vergleich 1977—87:
Verkehr bedeutet
, JFlechtenwüste" !
Die beiden Flechten-Karten
rechts (1977) und unten (1987)
zeigen das Inntal zwischen
Kranebitten links und Hall
rechts; im Zentrum liegt Innsbruck. Der graue Raster bedeutet „Flechtenwüste" (Zone
V), das Braun die „Kampfzone" der Flechten (Zone IV);
Gelb wäre die Luft im normalen
Siedlungsgebiet (Zone III),
Grün zeigt bereits leichte Beeinträchtigung, doch noch gute
Luft an (Zone II); Weiß markiert die Zone I — unbelastete
Luft.

Flechtenkartierung des
Bkanik-Instituts aus 1977:
echtenwüste" noch klein

Vergleichskarte 1987: Die
,.Todeszone" für Fichten
ist nun erschrecken! groß

„Transit auf die Schiene"
StR. Dr. Josef Rettenmoser: „Die
Entwicklung zeigt, daß der Verkehr Hauptverursacher der Luftbelastung ist. Wir müssen daher
den öffentlichen Verkehr forcieren, den Verkehrsverbund vorantreiben und auch das Radwegnetz
weiter ausbauen. In Dieselbusse
sollen Rußfilter eingebaut werden, in Benzinautos Katalysatoren. Die Zuführung von Erdgas
muß beschleunigt betrieben werden. Überörtlich wird Innsbruck
mit dem Land Tirol auf die Verlagerung des Gütertransits auf die
Schiene drängen. Diese Studie
wird uns Entscheidungshilfe für
die nötigen Maßnahmen sein."

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1987, Nr. 9

Bundesbahn
Autobahn
Straszen
Gewaesser
verbautes Gebiet mit
Untersuchungspunkten

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