Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1938

/ Nr.7

- S.2

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.Amtsblatt Nr. 7

Vas wieöererstanöene Innsbrucker Maöttheater
„ I n den Fabriken grüßen uns von den Arbeitsplätzen
Blüten und Blumen, die Theater und die Tempel der
Kunst sind weit geöffnet. Die Kunst kommt zum Volk
und das Volk kommt Zur Kunst." Man muß sich diese
Worte ins Gedächtnis rufen, die Dr. L e y vor wenigen
Tagen in Rom gesprochen hat, um zu ermessen, welcher
Wandel sich auch bei uns vollzieht, seit wir ins Mutterreich heimgefunden haben. Am stärksten wirkt sich diese
Wandlung vielleicht auf dem Gebiete der Kunst aus, weil
wohl nirgends mehr wider Natur und Geist gesündigt
worden ist.
Wie gesund und lebenskräftig die deutsche Bühnenkunst von heute ist, haben uns die Theaterfestwochen in
Wien gegeigt, wo Dr. G o e b b e l s auch mannhaft für
die oft verfemte und verlästerte Bühne in der „Provinz"
eingetreten ist, die oftmals „viel aktiver, viel verantwortungsfreudiger und viel mutiger im Aufspüren von
Talenten ist als die Bühne der Hauptstadt". Ein Musterbeispiel einer solchen Bühne im guten, und im schlechten
Sinne ist unser Stadttheater.
Als Hoftheater in der Mitte des 17. Jahrhunderts gegründet, hat es glänzende Zeiten erlebt, bis es im 19.
Jahrhundert, zum Pacht- und Geschäftstheater erniedrigt, dem Verfall anheimsiel. Vor feinem gänzlichen
Untergange hat es die Stadt Innsbruck gerettet, die es
1886 als Stadttheater übernahm. Diese Jahre seither
waren aber eine ununterbrochene Leidenszeit, weil die
Stadtgemeinde an dem Pachtsystem festhielt. Das Spieljahr 1936/37 war wohl das traurigste Jubiläum, das je
eine Bühne gefeiert hat, und am Beginn des heurigen
Jahres wurde unserem Stadttheater das Todesurteil gesprochen: es sollte nicht wieder eröffnet werden. Man
hatte ihm ja schon früher keine wirksame Hilfe angedeihen lassen, es war ein fortwährendes Siechtum, immer
an der Grenzlinie: zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Auch das großartige „Neue Leben" seligen
Angedenkens hat unserer städtischen Bühne keinen Aufschwung gebracht, weil man sie ja nicht am Leben erhalten wollte. Trotz allen schönen Redewendungen von der
Kunst, die dem Volke gehört, und von der bodenständigen Kultur, die erhalten und gefördert werden müsse,
hatte man für das Theater nichts übrig, weil man ja
weder von Verbundenheit mit dem Volke noch von
wahrer deutscher Kultur eine Ahnung hatte. Als es so
weit war, daß die nationale Bevölkerung diesen hohlen
Zauber nicht mehr mitmachen wollte, zeigte es sich, daß
die „vaterländischen" Kreise nicht einmal mit Freikarten
in das Theater zu bringen waren, womit das Faule all
dieser „Kulturbestrebungen" erwiesen war. Die vollständige Schließung der Bühne war daher nur eine selbstverständliche Folge, aber natürlich auch ein Einbekenntnis der jämmerlichen Schwäche.

ten. Minister Dr. G o e b b e l s hat als kundiger Arzt
gleich an der wundesten Stelle zugegriffen und 200.000
Reichsmark gespendet. Damit ist mit einem Schlage der
gründlichste Wandel in der Geschichte unseres Stadttheaters vollzogen worden. Es ist von allen drückenden Geldsorgen befreit und kann sich nun voll und gang seiner
künstlerischen Aufgabe widmen. Nun ist es endlich kein
Geschäftstheater mehr, sondern ein Kulturtheater, ein
Volkstheater, das im wahrsten Sinne des Wortes dem
Volke dienen kann. Von diesem Gedanken ist auch der
neue Intendant des Stadttheaters Robert H e I l w i g
voll und gang erfüllt. Für unsere Bühne könnte jetzt
auch der Satz „Kraft durch Freude" umgekehrt werden,
denn eine kräftige, gesunde Bühne ist allein imstande,
Freudebringerin gu sein.
Nun kann all das, was jahrzehntelang immer wieder
Zurückgestellt und abgelehnt werden mußte, durchgeführt
werden. Darüber hinaus wird aber unser Stadttheater
ein völlig neues Gepräge, innerlich und äußerlich, erhalten. Vor allem wird der Zuschauerraum so gestaltet
werden, daß jedermann sich bewußt wird, in eine Feierstunde und nicht in eine Gruft zu gehen. Als bezeichnende
Aeußerlichkeit sei erwähnt, daß die Stehplätze verschwinden. Die Volksgemeinschaft wird aber in ihrer ernsten
Erfassung sich nun auch dort zeigen, wo bisher sehr
starke Risse und Lücken klafften: Zwischen Publikum,
Bühnenleiter und Bühnenkünstlern. Der Gedanke der
Kameradschaft unter diesen dreien eröffnet den Ausblick
auf eine Entwicklung, wie wir sie hier in unserem Theaterleben noch nie verzeichnen konnten. Wenn wir dazu
noch bedenken, daß nach nationalsozialistischer Auffassung der Kulturschaffende einen Kulturauftrag übernommen und auszuführen hat, dann dürfen wir heute
schon, ohne daß wir noch die Künstler kennen, die hier
wirken werden, mit Spannung der Gestaltung des
Spielplanes entgegensehen. Wenn uns auch Intendant
Hellwig noch nicht allzuviel davon verraten kann und
mag, so genügt uns einstweilen seine Erklärung, daß
jeder Volksgenosse den „Faust" kennenlernen soll; er soll
aber nicht unmittelbar zu ihm hingeführt werden, sondern über den Weg guter Unterhaltung. Bei der hohen
Auffassung seiner Aufgabe ist es selbstverständlich, daß
alles Minderwertige, Kitschige ausgeschaltet bleibt. Es
wird aber auch mit etwas anderem aufgeräumt werden,
das aus überlebten Zeiten stammt, das ist die Einschätzung des Schauspielerstandes. Als Kulturschaffender ist
der Bühnenkünstler ein gleich wichtiger Teil des Volksganzen. Daraus ergibt sich nicht nur die Aufgabe und
die Stellung, die ihm in der Volksgemeinschaft zufallen,
sondern auch die Einschätzung und die Würdigung, die er
verlangen kann. Mit dem „Komödiantentum" ist es damit in jeder Hinsicht vorbei.

Der Umbruch hat nun hier ein wirkliches Wunder bewirkt. Unsere schon totgesagte städtische Bühne ist zu
neuem Leben erweckt, ja unsere schönsten Wunschträume,
die wir alle in unserem Herzen schon eingesargt hatten,
gehen nun auf einmal in Erfüllung. Gauleiter H o f e r
und Gaukulwrwart Dr. O s t h e i m e r haben zusammen
mit Oberbürgermeister Dr. D e n g sofort alle Schritte
eingeleitet, um unser Stadttheater nicht nur von den
Toten aufzuerwecken, sondern auch gang neu zu gestal-

Damit sind wir in Schillers Sinne bei der Schaubühne
als moralischer Anstalt angelangt. Ein Bühnenfachmann
unserer Zeit sagte: „Die Frage der Schaubühne ist eine
Frage des sittlichen Wollens — aber nicht eines einzelnen, sondern eines ganzen Volkes." Das deutsche Theater von heute ist Gemeingut unseres Volkes und unsere
Innsbrucker Bühne ist ein wertvoller Teil davon. Es
wird an uns liegen, uns der gebrachten Opfer würdig zu
erweisen. Fanget an!
Dr. Hans L e d e r e r .