Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1938

/ Nr.6

- S.5

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1938_Amtsblatt_06
Ausgaben dieses Jahres – 1938
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Amtsblatt Nr. 6.

Vas Innsbrucker Muötarchib
Vie Innsbrucker Chronik
Gottfrieö Pusch von
V o n Dr. K a r l Schadelbauer
(10. Fortsetzung)
(1765.) 6. August: Heute um 11 Uhr vormittag erhoben sich I .
Rom. Kais. Kön. Majestäten nebst des Erzherzogs und Erzh. I n fantin und der Erzh. M. Anna und Christine K. H. in Begleitung
höchstdero Namentlichen Hofstaates in die St. Jakobs Pfarrkirche
und wohnten allda der von dem Erzbifchof H. Card. Migazzi fürstl.
Eminenz gehaltenen, stillen Einsegnungsmesse bei. Um 1 Uhr war
abermals öffentliche Tafel. Abends geruhten die höchsten Herrschaften der Oper in dem auf das Prächtigste neu zubereiteten und
ausgezierten Hoftheater am Rennplatze beizuwohnen. Dieses von
dem berühmten H. Abbate Metastasi« verfertigte Singfpiel, Romulo und Ersilia genannt, ist von dem vortrefflichen, unter dem
Namen i l Sassone bekannten, berühmten H. Hasse ^ zu gegenwärtigen Vermählungsfeier eigens in Musik gefetzt worden und hat
den Beifall des Hofes und aller Kenner sich erworben. Das von
dem H. Hilterding dazu verfertigte, neue Ballet stellte die von dem
Aeneas durch Hilfe der Venus vollzogene Vermählung mit der Lavinia, der Tochter des Königs Latinus in Italien, vor und wurde
mit allgemeinen Beifall aufgenommen. Vorzüglich bewunderte man
die ungemein schön und wohl angebrachten Veränderungen und
Verzierungen der Schaubühne.
8. August.: Gestern abends wurde in dem großen Universitäts
Saale großer Ball im sogenannten Domino gehalten, welchen die
über einen hölzernen Gang von der Burg aus dahin gekommenen
allerhöchsten und höchsten Herrschaften felbst zu eröffnen und demfelben bis nach 10 Uhr beizuwohnen geruhten. Der Saal war auf
das Herrlichste beleuchtet und mit sehr schönen Blumengehängen
an der Wand geschmackvoll verziert. Das große mit Damast behangene Nebenzimmer diente zum Spiele und es wurde bis nach
Mitternacht getanzt.
Heute um 11 Uhr vormittags verfügten sich die landschaftl. Herrn
Deputierten zu S. Kön. Höh. dem Erzh. Leopold, um höchstdemselben ihre Aufwartung zu machen, und überreichten ihm bei diefer
Gelegenheit ein Hochzeitpräsent — (am Rande: ein Beutel mit 2000
Dukaten) — und erhielten dagegen von S. Kön. Höh. mehrere
Denkmünzen.
Dazu ist ein Zettel eingeklebt, auf dem steht: (Wort unleserlich) Sitzung vom
23. J u l i 1765. — ommissis — datz dem Erzh. Leopold Kön. Höh. 2000 Ducaten
^praesentiret und der Fundus hierüber bei nächsten Congreß ausgemacht werden
möge, wie dann zu dem Ende ein schöner Läckl mit dem Tyrolischen Wappen gesticket
und die 2000 Ducaten i n einem Schlag zusammen gesuchet werden sollen und dem
Herrn Stofferin bei dem Münzamt zu Hall nachzufragen Commission gegeben
werden.

NB. Der hochw. H. Prälat von Wilten erhielt auch schon am
5. d. von I . Maj. der Kaiserin mittelst eines Abgesandten ein sehr
kostbares Pectoral von Diamanten und Smaragden und einen dergleichen Ring 2 zum Präsent.
Um 9 Uhr abends begann die auf dies höchstbeglückte Veilager
vorbereitete prächtige Stadtbeleuchtung. Schon um 5 Uhr erschollen
auf dem in der Neustadt auf italienische Art schön erbauten, tirolischen Landhause von zwei Chören Trompeten und Paucken. Dieses
herrliche Gebäude war mit schönen Sinnbildern und Inschriften ausgeziert, worunter auch folgende:
Diiz ?arentil)U8 — I^uptiz, nul?entil,uz — / l i r o l i x I ) . O. D.

Auf den beiden Seitentoren, welche ebenfalls mit schönen Sinnbildern verziert waren, ließ man durch einige Stunden weißen und
roten Wein rinnen und unter die Menge des versammelten Volkes
wurde Brot ausgeworfen. Der Zulauf fowohl als das Jauchzen des
Volkes war unbeschreiblich. Bei einbrechender Nacht wurde auf der
Triumphpforte das Zeichen zur allgemeinen Beleuchtung gegeben
und in kurzer Zeit stunden alle Hauptgassen und Plätze der Stadt sozusagen im vollen Feuer da. Die Beleuchtung der Neustadt zeichnete
sich auch noch durch eine besondere, ganz neue Art aus, es waren
nämlich in gleicher Entfernung von etlichen Schritten teils höhere
teils niedere Pyramiden in gehörigem Ebenmaße die Länge der
<3asse nach auf beiden Seiten aufgestellt, welche mit grünem, Hangendem Laubwerke verbunden waren. Diese Pyramiden sowohl als
das Zwischengehänge waren fämentlich mit weißen Wachsfackeln besteckt und brachten durch ihre fimetrifche Richtung die allerschönste
1 Der Komponist I o h . Adolf Hasse ist 1699 zu Bergedorf bei Hamburg geboren.
Er lam 1722 nach I t a l i e n , wo er durch seine Opern bald beliebt wurde und den
Namen „ i l c»ro 8a«5one" erhielt. 174N wurde er an den Dresdener Huf berufen,
wo er bis 1763 blieb. Er ging dann nach Wien und 177N nach Venedig, wo er
1783 starb. Hasse hat gegen 50 Opern geschrieben, die durch vier Jahrzehnte die
Bühnen beherrschten. Hauptsächlich komponierte er Texte seines Freundes Metaestasio, des bekannten italienischen Dichters, der (geboren 1698) seit 1729 Wiener
Hofdichter war und auch 1782 zu Wien starb. (Vrockhaus-Lexikon.)
2 Es ist dies wahrscheinlich der Ring, den auch der gegenwärtige H. Prälat
trägt. Das Pettorale ist nicht mehr im Stift.

Wirkung für das Aug hervor. Außer dem Landhause war auch
die neu errichtete Triumphpforte und St. Annasäule mit Wachslichtern sehr reichlich beleuchtet. Die hier anwesenden Schützen Compagnien zogen in ihren zum Teil kostbaren Uniformen mit klingendem Spiele auf und besetzten die Gassen und Plätze in zweien
Reihen.
Gegen 9 Uhr geruhten I . K. K. Maj. samt dem Erzh. und Erzherzogin auch beiden Erzh. M. Anna und Christine, dann dem Herz.
Carl und Prinz. Charlotte von Lothringen K. Höh. in offenen Wägen und in Begleitung E. M. des röm. Königs mit dem Herz, von
Chablais und dem Prinzen Albert von Sachsen Kön. Höh. auch
vielen H. Cavaliers zu Pferde von der Hofburg aus durch die Stadt
und Neustadt zu fahren und die Beleuchtung zu sehen. Das auf die
sichtbarste Art bezeugte allerhöchste Wohlgefallen vermehrte unter
dem Volke das Freudengefchrei, welches sich durch die von so vielen
fremden Gästen und den von der ganzen Landesgegend herbeigekommenen Menschen erfüllte Stadt ausgebreitet hatte. Die Witterung felbst, welche bisher beständig regnerisch war, schien diesmal,
da es eine dunkle und vollkommen stille Nacht war, zur Verherrlichung dieses Freudenfestes beizutragen. Das mit großen Kosten
zubereitete Kunstfeuerwerk wurde hingegen aufgeschoben.

Für Geschichte öer Iuöen in Innsbruck
V o n Dr. K a r l S c h a d e l b a u e r
Da feit dem Anschluß auch in Deutsch-Oesterreich die Ausschaltung
des Judentums tatkräftig betrieben wird, drängt sich die Frage auf,
wie es diesbezüglich in Tirol und besonders in Innsbruck früher
stand. Die bisher wohl beste Uebersicht gab I . E. Scherer in seinem
1901 erschienenen Buche „Die Rechtsverhältnisse der Juden in den
deutsch-österreichischen Ländern". Da dieses Buch nur wenigen
Lesern bekannt sein dürfte, fei hier einmal auf Grund der Akten
des Stadtarchives (Nr. 60/1706) in einigen kleineren Auffatzen gezeigt, in welcher Weise sich das Judentum am Innsbrucker Stadtleben beteiligte und wie sich der Magistrat und die Bürgerfchaft
dazu stellte. Bemerkt sei, daß einige ältere Akten (von 1581 und
1662) über den Aufenthalt der Juden in Innsbruck, welche das
alte Archioregister anführt, feit vielen Jahren fehlen.
Vorausgeschickt sei, daß sich die Juden seit ihrem ersten Auftreten
in Tirol um das Jahr 1300 zwar immer wieder bemerkbar machten, aber nie eine allzu große Bedeutung erlangten. Die Zahl der
ansässigen Juden war stets eine bescheidene. I m 18. Jahrhundert
sollen überhaupt nur zwei Familien in Bozen und zwei in Innsbruck gelebt haben. Bei der Volkszählung von 1785 werden nur
acht (?) Juden angegeben. Ioh. Jak. Staffier schreibt in seiner bekannten Topographie von Tirol und Vorarlberg (I, 129) im Jahre
1847: „Die Bevölkerung von Tirol und Vorarlberg bekennt sich
durchaus zur katholischen Religion. Nur gibt es auch geduldete
Juden, und zwar 92 Familien zu Hohenems in Vorarlberg, 7 i n
I n n s b r u c k und eine Familie in Bozen, welche Zahlen nicht
überschritten werden dürfen.
I n Innsbruck spielte feit dem 16. Jahrhundert eine gewisse
Familie „May" die wichtigste Rolle. Sie führte ihren Namen nach
einem „Maggius" (Maggio, May), einem Sohn des Juden Salomon von Bastano. Dieser Salomon hatte schon von Maximilian I.
im Jahre 1509 die Bewilligung erhalten, überall im Reiche Handel
zu treiben und sich irgendwo, ausgenommen in den Fürstentümern
Oesterreich, Steyr und Kärnten, niederzulassen. Diese Bewilligung
bestätigte Karl V. im Jahre 1530 und später neuerdings für den
gen. Maggius in den Jahren 1544 und 1548. Um diese Zeit dürfte
sich der Maggius wohl als erster der Familie May in Innsbruck
niedergelassen haben. Am 11. Juni 1578 erhielt Samuel May von
Erzherzog Ferdinand II. das Privilegium, sich am Hoflager zu
Innsbruck aufzuhalten. Schon wenige Jahre fpäter (1582) erwarb
er nach K. Fischnalers „Innsbrucker Chronik" (IV. 83) um 580
Gulden ein Haus (Seilergafse Nr. 16). Nach dem Steuerbuch von
1591 hatte „Samuel Mai Jud vom Egghaus vom Paul Schießt!
erkauft von Paulen Steuffen und Hans Dieppertskirchers Erben
herrüerent" zwei Mark fünf Pf. zu zahlen. Auch den Friedhof bei
der Weiherburg besaßen die Juden bereits damals. Wie es in
einer Urkunde von 1598 heißt, hätten ihn die Juden, „so in diser
Statt gewohnt, jederzeit von unnerdenklichen Jahren hero zu begebenden Todsfählen" benützt (Ferdinandeums-Zeitschrift, 41/301).
Gewisse Sorgen bereitete den Juden immer wieder die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, die meist nur für wenige Jahre
(5 oder 8) erteilt wurde. Die Familie May scheint sich damit allerdings etwas leichter getan zu haben, denn sie stand bei den Landesfürsten in hoher Gunst und hatte bis zum Jahre 1630 schon eine
ganz nette Reihe von fürstlichen Gnadenbriefen in Händen. Der