Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1935

/ Nr.3

- S.3

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Amtsblatt Nr. 4
Ueber die Verhältnisse in Innsbruck kann nun berichtet werden,
daß Ing. Altmann beim Ausbau der Innsbrucker Wasserversorgung in den Jahren 1890 und 1891 einen Verbrauch van 150 Li^.
ter je Einwohner und Tag annahm. Seine Annahme war aber
bereits in einigen Jahren überholt, da nach Aufzeichnungen des
Bauamtes schon im Jahre 1895 ein täglicher Kopfverbrauch von
350 Liter zu verzeichnen war. Dieser abnormal hohe Verbrauch
ist nur durch die vielen laufenden Hausbrunnen, das hohe Pauschalwasserquantum (1000 Liter pro Auslauf und Tag) und den
niedrigen Ueberwasserpreis (2 Kreuzer pro Kubikmeter) erklärlich. Damals waren an die städt. Wasserversorgung nur 2600 JapsHähne, 550 Klosetts, 70 Badeeinrichtungen, einige Springbrunnen
und einige gewerbliche Ausläufe angeschlossen. 1897 wird der tägliche Kopfverbrauch mit 330 Liter bekanntgegeben. Nach der Eingemeindung der Vororte Wilten und Pradl — im Jahre 1903,
hatten diese beiden Gemeinden 16.640 Einwohner, Innsbruck allein
28.000 — sinkt der Kopfverbrauch — weil die Vororte von HauZ
aus auf fehr geringe Wassermengen angewiesen waren und das
Rohrnetz in Wilten wenig leistungsfähig war.
Beim Ausbau der Kanalisierung wurden die meisten laufenden
Hausbrunnen aufgelassen, was sich für den Wasserverbrauch naturgemäß günstig auswirkte. Anderseits brachte die Errichtung der
Schwemmkanalisation Verbesserungen der sanitären Einrichtungen
und größeren Wasserverbrauch mit sich. Es sei hier erwähnt, daß
gute Hausinstallationen und Spülklosetts den Hausbedarf um 20
bis 100 Prozent steigern. 1906 wird ein Kopfuerbrauch von 250
Liter und 1908 ein solcher von 290 Liter verzeichnet. 1908 wurden
1150 Bäder und 8400 Klosetts geführt. 1910 sinkt der Kovfoerbrauch auffallenderweise wieder auf 250 Liter, welche Zahl auch
im Jahre 1912 aufscheint. 1912 sind 27.500 Wasserauslaufstellen
verzeichnet, heute sind es über 52.000. I m Jahre 1927 erreicht der
Kopfverbrauch die enorme Summe von 500 Liter im Tag und
sinkt in den Jahren 1932 und 1933 auf die Tagesmaximal-, bzw.
Minimalzahlen von 427 und 398, bzw. 307 und 297 Liter.
Schon über Auftrag des Gemeinderates wurden, um Detailziffern über den Haushaltverbrauch zu erhalten, einige Typen von
Wohnhäusern aufgestellt und für jede Type eine Gruppe von
Häusern untersucht. Es würde zu weit führen, auf alle diese
Ergebnisse einzugehen, wohl aber kann gesagt werden, daß in
jeder der aufgestellten Typen der Kopfverbrauch kolossalen
Schwankungen unterworfen ist, die Hunderte von Prozenten betragen. Es sind Schwankungen zwischen 137 Liter und 764 Liter,
110 und 436, 67 und 363, 76 und 442 Liter usw. Die Unregelmäßigkeiten in den Verbrauchsziffern sind größtenteils auf den
Pauschaltarif zurückzuführen, weil das zugesprochene Paufchalwasserquantum von 146 Kubikmeter je Auslauf und Jahr viel Zu

verbrauchten Wassers nach einem Kubikmeter-Tarif greifen, ein
Modus, der in den meisten österreichischen Städten schon lange
eingebürgert ist. Die zu erwartenden Schwierigkeiten der Einführung ließen jedoch den Herrn Regierungskommissär vorläufig
ein milderes Mittel wählen; er verminderte bei gleichbleibendem
Pauschaltarif, d. h. 15 8 für den Auslauf, das für jeden Auslauf
zustehende Pauschalwasserquantum von 400 Liter auf 300 Liter
im Tage oder von 146 Kubikmeter im Jahre auf 110 Kubikmeter
im Jahre, wobei verfügt wurde, daß die Wasserabrechnung künftighin halbjährig vorzunehmen ist, damit der Stadt aus diesem
Titel schon nach dem ersten halben Jahre Einnahmen zufließen.
Das Ausmaß des Pauschalwasserquantums von 300 Liter im Tage
liegt doch erheblich über dem Durchschnittswasserverbrauch, der
mit 80 Kubikmeter pro Auslauf und Jahr, d. f. 220 Liter im
Tage, angenommen werden kann. Eine Erhöhung der Wassergebühren tritt nur dann ein, wenn das Pauschalquantum von 110
Kubikmeter im Jahre überschritten wird und das Ueberwasser
nach Kubikmeter zu bezahlen ist.

Es ist bezeichnend, daß die Anwesen, die kein Ueberwafser aufweisen — es find dies zirka 86 Prozent aller nach dem Pauschaltarif verrechneten Grundstücke — trotz des in Innsbruck eingebürgerten reichlichen Wasserverbrauches bereits mit 8N Kubikmeter pro Auslauf und Jahr das Auslangen finden.
Obige Ziffern besagen eindeutig, daß in Innsbruck viel mehr
Wasser verbraucht wird als den wirklichen Bedürfnissen entspricht.

Wien gab für Haushaltungszwecke 35 Liter (ab 1. Juli 1934
20 Liter und ab 1. Jänner 1935 nur mehr 15 Liter) je Kopf und
Tag unentgeltlich ab und kommen einzelne Anwesen ohne Mehrwasserverbrauch aus. Herr Senatsrat Echänbrunner in Wien
wirft die Frage auf, ob eine weitere Steigerung des durchschnittlichen Wasserverbrauches anzunehmen ist und welche obere Grenze
innerhalb einiger Jahrzehnte zu erwarten ist. Er ist der Meinung,
daß sich bei Eintreten besserer wirtschaftlicher Verhältnisse die
Wohnverhältnisse großer Städte weiterhin bessern werden und
daher eine Steigerung des durchschnittlichen Wasserverbrauches
eintreten werde. Er rechnet hier für die Zukunft mit einem Betrage von 75 Liter. Rechnet man demnach diesen Zukunftsverbrauch der Gemeinde Wien zusammen, so erhält man a) für Haushalt 75 Liter, d) für besondere Zwecke 70 Liter, c) für öffentliche
Zwecke 25 Liter, 6) für Wasserverluste 40 Liter, zusammen 210
Liter je Kopf und Tag im Jahresdurchschnitt oder 250 Liter während der Sommermonate und etwa 280 Liter als größte Spitze.
Die Wiener Wasserwerke behaupten, daß mit diesen Zahlen das
Auslangen gefunden werden kann und daß Wasserverbräuche, wie
sie aus Amerika gemeldet werden, von 500 und mehr Liter je
Kopf und Tag nach unseren Verhältnissen in Oesterreich auch in
den nächsten Jahren nicht zu erwarten sind.

hoch bemessen ist.

Bei dem großen Spielraum im Verbrauche des Pauschalwassers
ist dem Konsumenten der Sinn für Sparsamkeit im Wasserverbrauch nahezu abhanden gekommen. Typisch für die Sorglosigkeit
der Betreuung der Ausflußstellen ist, daß selbst in den Stunden
nach Mitternacht vom Behälter in Mühlau allein mindestens 509
Kubikmeter in der Stunde abfließen.
Die obigen Ziffern sind aber noch ein deutlicher Fingerzeig, das;
es der Einsicht der Innsbrucker Bevölkerung anheimgestellt ist
durch vernünftige Drosselung des Wasserverbrauches die Stadtgemeinde und damit sich selbst die große Ausgabe und Belastung
für die andernfalls nötige Vergrößerung der Speicheranlage noch
auf Jahre hinaus zu ersparen.
Regierungskommissär, Beirat und Bauamt beschäftigten sich im
letzten Jahre wiederholt und eingehend mit der Frage, auf welche
Art der Bevölkerung die Notwendigkeit der Einschränkung des
Wasserverbrauches am zweckentsprechendsten verständlich gemacht
werden könnte. Man wollte zuerst auf die radikalste Löfung, die
Befeitigung des Pauschalsatzes und die Bezahlung des tatsächlich

Die Maßnahme zielt also nicht auf die Steigerung der Wasfergebühr ab, sie bezweckt die Einschränkung des Wasserverbrauches,
um auf diefe Weife möglichst lange die kostspielige Vergrößerung
der Wasserfpeicheranlage vermeiden zu können.
Dessen ungeachtet wird es aber immer eine der wichtigsten Ausgabe der Gemeinde bleiben, sich für den Zeitpunkt des Versagens
tarifpolitifcher Maßnahmen vorzusehen und sich die Möglichkeit
der Erfassung größerer Wassermengen in rechtlicher, technischer
und finanzieller Hinficht zu sichern.
Die nachstehende Uebersicht über die
Wasserverbrauchsmengen im I n - und Auslande
ermöglicht dem Leser ein eigenes Urteil über die Innsbrucker
Verhältnisse zu geben:
^ . Oe st e r r e i c h :
I. W i e n : I m Jahre 1929 war ein Durchschnittsverbrauch von
163 Liter je Kopf und Tag zu verzeichnen. Dieser Verbrauch verteilt sich:
1. Für Haushalt 39 Prozent — 63 Liter:
2. für gewerbl. und andere Zwecke 33 Prozent — 54 Liter:
3. für den öffentlichen Haushalt der Gemeinde 10 Prozent
^ 17 Liter:
4. für Wasserverluste und nichtkontrollierte Wasserabgaben 18
Prozent — 29 Liter, zusammen 163 Liter.

II. G r a z : Nach Angaben der dortigen amtlichen Stellen betrug
im Jahre 1932 der mittlere Kopfverbrauch 150 Liter und der
maximale 220 Liter pro Tag.
III. L i n z : Der mittlere Kopfverbrauch beträgt 102 Liter pro
Kopf und Tag.