Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1986

/ Nr.5

- S.8

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I M M U S I I VISSI A D I

INNSBRUCK

Steiniger Weg zum Frauenstudium
Zulassung an philosophischer Fakultät 1897, Mcdizinstudium seit 1900
Au der Universität Innsbruck,
lo<>»> durch Kaiser Leopold I.
gegründet, wurden erstmals im
Jahre 1897 Frauen zum Studium an der philosophischen

Universitätsausbildung
dizinischen Fakultäten Öster- und
reichs berieten 1934 eine Redu- stark unterrepräsentiert. D i e
zierung der Medizinstudentin- Zahl der S t u d i e n a b b r ü c h e war
nen auf 5 % der Gesamtstudie- hoch, wobei die Studentinnen
der philosophischen Fakultät
renden.
Faknltftl zugelassen. Drei Jah- Im
nationalsozialistischen erstaunlicherweise mit 4 8 , 6 %
re spater, im Jahre 190(1, er- Deutschen Reich wurde die Abbruchquote an der Spitze lafolgte die Zulassung /um Me- Zahl der Studienanfängerinnen gen. D i e häufigen Studienabdi/iiistiidium. 1919 erhielten auf 10 % der Gesamtstudieren- brüche von Frauen hängen eng
Frauen den Zugang zur rechts- den beschränkt. Nach der A n - mit den sogenannten „Rolleniiiid staatswissenschaftlichen gliederung Österreichs 1938 konflikten" der Frau zusamFakultät. Erst ab 1946 konnten hatte diese Bestimmung aller- men. Die oft erzwungene EntFrauen an der katholisch-theo- dings keine Gültigkeit mehr. scheidung der F r a u zwischen
logischen Fakultät in Inns- Die Studentinnenzahlen stiegen Beruf und Familie wirkte sich
bruck studieren.
in Innsbruck während des Krie- natürlich auch an der UniversiD i e Ö f f n u n g der Hochschulen ges, vor allem an der medizini- tät aus.
f ü r Frauen hängt eng mit den schen Fakultät, sogar stark an. Einige der ehemaligen Studengesellschaftlichen V e r ä n d e r u n gen des 18. und 19. Jahrhunderts und den Forderungen der
Frauenbewegung
zusammen.
Der Industrialisierungsprozeß,
der neben den Produktionsverhältnissen (durch das Vordringen industrieller Fertigungsmethoden) auch die Familienverhältnisse (Trennung von Wohnund Arbeitsstätte, Entstehen
der Kleinfamilie) revolutionierte, zerstörte die materielle
Grundlage vieler bürgerlicher
Familien. D i e Familie fungierte
nun nicht mehr als Versorgungsinstitution, denn in den
bürgerlichen
Mittelschichten
reichte der Verdienst des M a n nes oft nicht aus, um den T ö c h tern bis zu ihrer möglichen H e i rat ein Auskommen zu gewährleisten bzw. ihnen eine standesgemäfie Mitgift zu finanzieren.
Von den ersten Studentinnen an unserer Universität gibt es kaum
So nahmen Frauen verschiedener Länder die Forderung nach Bilder. Die Autorin dieses Berichts ersucht, solche aus privatem Be-

Studium und qualifizierter B e - sitz dem Universitätsarchiv (Tel. 724—2035 Durchwahl) zur Verrufsausbildung auf und organi- fügung zu stellen. Dieses Foto des A kademischen Historiker-Clubs
sierten sich zur Durchsetzung aus dem Jahre 1922 zeigt schon acht Kommilitoninnen.
(Bild: Universitätsarchiv)
dieser Ziele in Vereinen.
Die krisenhafte wirtschaftliche
I Entwicklung (man denke an die
600.000 Arbeitslosen ÖsterK - K Iis In Jahr 1933!) verstärkte
die Ablehnung des Frauenstudiums und der Frauenerwerbsarbeit ganz allgemein. So kam
es neben einer Verordnung geizen das „ D o p p e l v e r d i e n e r t u m "
vom I )ezember 1933 (viele verheiratete Frauen im Bundesdienst wurden gekündigt) auch
zu I >iskussionen über eine E i n schränkung
des Frauenstudiums. I )ie Dekane der drei meSeite 8

Dabei k a m der kriegsbedingt
große Bedarf an Ärztinnen zum
Ausdruck, der keine Beschränkungen der Studentinnenzahlen mehr zuließ.
Eine Untersuchung der inländischen Studentinnen vor 1945
hat gezeigt, d a ß der Großteil
von ihnen aus Akademikerund Beamtenfamilien stammte.
Arbeiter- und Bauerntöchter
(insgesamt nur 10!) waren auf
G r u n d des großen finanziellen
Aufwandes einer Mittelschul-

tinnen der Innsbrucker Universität erreichten auch sehr bedeutende gesellschaftliche Stellungen. A l s Beispiel seien die
Innsbrucker
Universitätsprofessorin für Philosophie, Franziska Mayer-Hillebrand, und
die Generalprokuratorin der
Bai inherzigen Schwestern in
Innsbruck, Frieda Innerebner,
genannt.
Mit der lang e r k ä m p f t e n Öffnung der Universität f ü r Frauen
waren keineswegs alle Behinde-

rungen aufgehoben.
Neben
vielen Anfangsschwierigkeiten
waren es vor allem die frauenfeindliche Einstellung mancher
Professoren und Kommilitonen, die ausschließlich männlich geprägten Wissenschaftsinhalte und deren Vermittlung,
die unsichere Berufsperspektive und die mangelnde Vorbildung der Studentinnen, die große Probleme mit sich brachten.
In Tirol gab es vor 1904 kein
einziges Mädchengymnasium,
ja nicht einmal ein Lyzeum für
Mädchen. Es waren daher anfangs nur einzelne, die als Privatistinnen an Knabengymnasien
die Matura ablegten, da dies
sehr schwierig war, und zwar
nicht nur sachlich, sondern auch
wegen der Widerstände von Seiten der Prüfungskommissionen.
Erst im Jahre 1904 wurde das
Lyzeum der Ursulinen in Innsb r u c k e r ö f f n e t . 1911 erhielt dieses Lyzeum einen zweijährigen
Aufbaukurs, der 1913 die A b legung einer realgymnasialen
Matura ermöglichte. 1912 wurde das städtische Mädchengymnasium in der Sillgasse in Innsbruck eröffnet, an dem 1918 die
erste Matura stattfand.
Die Zahl der Studentinnen war
in den ersten Jahren nach Z u lassung der Frauen zum Studium gering. A m häufigsten
wurde die philosophische F a kultät frequentiert. Die ersten
Absolventinnen der Innsbrukker Universität waren deshalb
v. a. Lyzeal- und Mittelschullehrerinnen. 1907 promovierte an
der philosophischen Fakultät
die erste Frau. Es war dies
die
Historikerin
Adelheid
S C H N E L L E R aus Innsbruck.
1915 promovierte die erste M e dizinerin, Wilhelmine Schönthaler aus Holland, 1922 die erste Staatswissenschaftlerin, M a ria Huber aus Salzburg, und die
erste Juristin, Maria Fischer aus
Wien.
Nach einer langsamen Zunahme der Studentinnen stiegen
nach 1918 die Zahlen rasch an
und erreichten im Wintersemester 1934/35 mit 191 inländischen ordentlichen Hörerinnen
einen vorläufigen H ö h e p u n k t .
A n den österreichischen Universitäten hatten in diesem Jahr
die Studentinnen einen Anteil
von 20 % der Gesamtstudierendenerreicht.
Dr. Maria Sieibl

Innsbrucker Stadtnachrichten — Offizielles Mitteilungsblatt der Landeshauptstadt. Jahrgang 1986, Nr. 5