Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1935

/ Nr.3

- S.2

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1935_Amtsblatt_03
Ausgaben dieses Jahres – 1935
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Amtsblatt Nr. 4

MüM Kl MWMMW »I MWWWÜt
I.
Es mag im allgemeinen vielleicht absurd erscheinen,
in einem Atemzug von der finanziellen Not der Stadtgemeinde Innsbruck gu sprechen und zu gleicher Zeit
Zukunftsfragen aufzuwerfen, die nur mit entsprechenden Geldmitteln gelöst werden können. Eine lebendige
Kommunalwirtschaft ist dauernd in Entwicklung begriffen, sie hat nur Sinn für das Tatsächliche.
Leider wird häufig die gewaltige wirtschaftliche und
kulturelle Bedeutung einer Gemeindeverwaltung übersehen, wenn man sich nicht immer bewußt ist, daß zielbewußte Kommunalarbeit gleichbedeutend mit Hebung
des Lebens- und Kulturstandes des gesamten Volkes ist
und übersieht, daß von den Leistungen der Selbstver^
waltungskörper die wirtschaftliche und kulturelle Leistungsfähigkeit der ganzen Bevölkerung nicht unwesentlich abhängt. Die Städte und Gemeinden sind nun
einmal die Keimzellen, aus denen sich der ganze Staatsapparat aufbaut. Es ist deshalb nur Pflicht, wenn die
verantwortlichen Organe der Selbstverwaltungskörper
sich mit Problemen beschäftigen, die über kurz oder
lang als Lebensnotwendigkeit einfach gelöst werden

müssen.

Es sollen deshalb in den Spalten des Amtsblattes
jene wichtigen Gegenwarts- und Zukunftsfragen der
Stadtgemeinde Innsbruck, die die Entwicklung zur
Großgemeinde organifch fördern, mit rückhaltloser
Offenheit besprochen werden, ohne objektive Kritik zu

scheuen.

Die Bürger Innsbrucks können stolz auf ihre Stadt
sein. Innsbruck hat anderen Städten gegenüber ganz
bedeutende Vorzüge, besonders in sozialwirtschaftlicher
Hinsicht (von der herrlichen Landschaft und von dem
Ruf als Fremdenverkehrsstadt zu sprechen, erübrigt sich
an dieser Stelle). Die Vorzüge sind: Asphaltierte Straßen bis an die Vororte, wohlschmeckendes und gesundestes Trinkwasser, einwandfreie moderne Kanalisierung, eine geradezu vorbildliche Beleuchtung, mustergültige Mullabfuhr usw. Doch die Gewohnheit macht solche
Dinge zur Selbstverständlichkeit und überhöht das kritische Niveau. Diese Ueberhöhung trübt den klaren
Blick für die Dinge (die irgendwo trotz gleich hoher
steuerlicher Belastung ganz anders sind) und beeinflußt
die objektive Kritik.
Dies wurde vorausgeschickt, um darauf hinzuwirken,
daß Zukunftsfragen der Gemeindewirtschaftspolitik allmählich so beurteilt werden, wie sie tatsächlich sind,
nicht wie man sie unter Umständen gerne haben möchte,
und daß es solche zu lösende Zukunftsfragen gibt, steht
fest. Kommunale Wirtschaftspolitik muß auf weite Sicht
getrieben werden, um die Ausgestaltung des Verwaltungsbereiches lebendig, wirksam und richtig durchzuführen. Sie dient nicht einer Interessentensphäre, sondern "dem Gesamtwohl, sie ist nicht für einen Teil der
Bewohner da, sondern für alle.
Eine der wichtigsten und verantwortungsvollsten Aufgaben einer
Gemeindeverwaltung ist zweifelsohne

die Wasserversorgung.
Die Befriedigung des Wasserbedarfes als lebensnotwendige
Voraussetzung jeder menschlichen Siedlung und als wesentliche

Vorbedingung für die Hebung des zivilisatorischen Niveaus der
breiten Schichten der Bevölkerung obliegt in Europa fast ausschließlich den Gemeinden, was mit Rücksicht auf die mit der
Wasserversorgung in Verbindung stehenden Fragen öffentlich rechtlicher, feuerpolizeilicher und sanitätspolizeilicher Natur zu begrüßen ist.
Es sei bemerkt, daß gutes Nasser, das zu Trink- und Nutzzwecken geeignet ist, nicht beliebig vermehrt oder beliebig aus
der Erde erschlossen werden kann. Es ist örtlich und mengenmäßig beschrankt, weshalb die Deckung der über einen gewissen
Grundbedarf hinausgehenden Spitzenmengen oft sehr erhebliche
Aufwendungen für Fassung, Speicherung und Zuleitung erfordert.
Die Anforderungen, die an die Innsbrucker Wafserverforgungsanlagen zeitweife gestellt werden, übersteigen schon seit längerer
Zeit deren Leistungsfähigkeit. Hiebe! liegt aber die Ursache nicht
etwa in der unzureichenden Menge des erschlossenen Wassers allein
oder in der tatsächlich geringen Speicherungsmöglichkeit, sondern
auch in dem übermäßigen, teilweife nahezu verschwenderischen
Verbrauch der durch verhältnismäßigen Wasserreichtum und den
seit Jahrzehnten eingeführten unrationellen Pauschaltarif begünstigt wurde.
Erschwerend und die Wirtschaftlichkeit des Wasserwerkes beeinträchtigend, fallen hygienische Gesichtspunkte und Rechtsfragen
ins Gewicht. Hn gesundheitlicher Hinsicht müssen an Trinkwasser
die höchsten Ansprüche gestellt werden und ist die öffentliche Hand
verpflichtet, die Beaufsichtigung, bzw. die Betriebsführung städtischer Wasserwerke strenge handzuhaben. I n rechtlicher Hinsicht
ist die Stadtgemeinde gezwungen, die fehlenden Wassermengen
den Mühlauer Werksbesitzern abzulösen, wofür die erforderlichen
Geldmittel gegenwärtig wohl schwerlich zu beschaffen sind und die
auf alle Fälle die Wirtschaftlichkeit der Wasseruersorgungsanlagen
beeinträchtigen würden.
Was die Speichermöglichkeiten anbelangt, sei angeführt, daß de
Behälter 3135 Kubikmeter fassen können, während die größten
Tagesverbräuche über 28.000 Kubikmeter betragen. An solchen
Tagen kann die fluktuierende Wassermenge, das ist diejenige, die
in den Zeiten des Minderverbrauches gesammelt werden mutz,
um in den Zeiten des Mehrverbrauches die fehlende Menge dekken zu können, durch die Quellenleitungen nicht mehr zugeführt
werden. Theoretisch würde Innsbruck mit einem Behälterinhalt
von 20 bis 25 Prozent des täglichen Wasserverbrauches auskommen — im allgemeinen ist es jedoch empfehlenswert, die Fassungsräume bei größeren Anlagen nicht kleiner als für den halben
maximalen Tagesbedarf einzurichten, wenn Vorforge getroffen ist,
daß der Zufluß zu den Behaltern unter allen Umständen gesichert
ist, so daß Störungen in den Zuleitungssträngen nicht vorkommen oder durch Reserveanlagen erfetzt werden können.
Nun soll noch untersucht werden, ob der Innsbrucker Wasserbedarf, der mengenmäßig nicht hinter Graz mit 153.WN Einwohnern
zurücksteht und Linz mit 114.00U Einwohnern um das Doppelte
übertrifft, als normal und notwendig angesehen werden kann.
Der bekannte Hygieniker Abel schreibt: „An und für fick ist
von der Hygiene ein reichlicher Wasserverbrauch im Haushalte
natürlich zu begrüßen, weist er doch in gewissem Grade auf eine
Erhöhung der Reinlichkeit, der Grundlage aller Hygiene hin. Aber
Hygiene verlangt auch kein Uebermaß. Wenn es gelegentlich als
erfreulich bezeichnet wird, daß wir uns im Wasserverbrauch nordamerikanifchen Verhältnissen nähern, wo oft 500, nahezu 1000
Liter Wasser pro Kopf und Tag verbraucht werden, so ist dies
eine Verkennung der Verhältnisse. Newyork liegt auf demselben
Breitegrad wie Neapel? der große Kontinent bringt ein Klima
mit sehr starken Extremen, scharfer Winterkälte und unerträglicher Sommerhitze. Tägliches, ja sogar mehrmaliges Baden wird
dort Lebensbedürfnis."
Durch jahrzehntelange Erfahrung und Feststellung weiß man,
wie viel Wasser der Bewohner in unseren Breitegraden im Durchschnitt braucht, um alle seine Wünsche ausreichend zu befriedigen.
Für den Hausbedarf des gesunden Bürgers genügt im Tage eine
Wassermenge von durchschnittlich 80 Liter für jedes Familienmitglied. Bei der Ermittlung der Kopfquote des Gesamtwasserbedarfes, find der Verbrauchsmenge für den Hausbedarf noch in den
einzelnen Städten ziemlich variable Mengen für den gewerblichen
und industriellen Wasserverbrauch, für den Wasserverbrauch durch
die Gemeinde für öffentliche Zwecke und eventuell für Wasserverluste zuzurechnen. Aus dem am Schlüsse beigegebenen Vergleichsmaterial kann für österreichische Verhältnisse ein täglicher
Gesamtwllsserverbrauch des Städters von 150 bis 200 Liter als
normal angesehen werden.