Innsbrucker Stadtnachrichten

Jg.1985

/ Nr.4

- S.24

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Gesamter Text dieser Seite:
Die Höttinger Saalschlacht
Der Beginn der dreißiger Jahre
in der noch jungen Republik
Österreich war politisch gesehen von starken Machtkämpfen
zwischen den Parteien gekennzeichnet. Sie eskalierten zum
offenen Bürgerkrieg zwischen

sammlung im Gasthof zum
„Goldenen Bären" in der
Schneeburggasse (Nr. 31) einberufen. Die Sozialdemokraten
der Stadt, die Hötting „als ihre
ureigenste Domäne" betrachteten, organisierten Widerstand.
Bereits vormittags wurden allgemein Flugzettel mit folgendem Inhalt verteilt: „Arbeiterschaft von Hötting. Wir rufen
Euch zur Demonstration gegen
den Hakenkreuzfaschischmus.
Die Nationalsozialisten haben
für Freitag, den 27. Mai 1932, in
den Gasthof ,Goldener Bär" in
Hötting eine Versammlung einberufen. Wir aber fordern Arbeiter und Angestellte auf, an
diesem Freitag abends halb 9
Uhr im Hofe vor dem Gasthaus
,Reiter" in Mariahilf sich einzufinden, um dort in der Volksversammlung flammenden Protest gegen den Hakenkreuzfaschismus zu erheben! Jeder werbe und komme!"
Es blieb jedoch nicht allein bei
der Abhaltung dieser Protestversammlung in Mariahilf, sondern im Gegenteil, Sozialdemokraten fanden sich bereits am
frühen Abend dieses Tages im
Hotel „Sonne", ihrem Hauptquartier am Südtiroler Platz, ein
und marschierten geschlossen,
sichtlich bewaffnet mit Stöcken
durch die Stadt in Richtung
Schneeburggasse und besetzten
bereits vor Einlangen der Nationalsozialisten den Versammlungssaal im „Goldenen Bären".
Nach damaligen amtlichen Mit-

teilungen befanden sich vor 20
Uhr ca. 150 Besucher, mehrheitlich kampfbereite Sozialdemokraten und Kommunisten,
im Saale und erwarteten das
Eintreffen der 70 uniformierten
Nationalsozialisten. Über den
weiteren Ablauf der Ereignisse
Von Josefine Justié
berichten die „Innsbrucker
Nachrichten" am 28. Mai: „Mit
dem seit 1933 verbotenen
ohrenbetäubendem
Gejohle
Wehrverband der Sozialdemowurde die in Ruhe, die Fahkratischen Partei, genannt „Rene voran, einziehende SA
publikanischer Schutzbund" ei(= Sturmabteilung, Anm.)
nerseits und der staatlichen
empfangen. Ihre Spitze hatte
Exekutive und der „Heimatungefähr die Mitte des Saales
wehr" auf der anderen Seite im
erreicht und war nun mitten unFebruar 1934 in den östlichen
ter der vielfachen Ueberzahl toBundesländern.
bender und schreiender GegDiese Zeilen dokumentieren jener, als plötzlich von mehreren
doch anhand von Berichten der
Seiten gleichzeitig Bierkrügeln,
Tagespresse ein blutiges EreigSteine und Stühle in die Reihen
nis in unserer Stadt, das sich
der Nationalsozialisten gebereits zwei Jahre zuvor, am
schleudert wurden. Von allen
27. Mai 1932, in Hötting abSeiten stürzten sich die Marxispielte und als „Höttinger Saalsten auf die von ihnen eingeschlacht" ein Begriff der Innsschlossenen
Nationalsozialibrucker Zeitgeschichte wurde.
sten... diese setzten sich aber
Allerdings bekämpften sich dakräftigst zur Wehr, obwohl sehr
bei nicht die „privaten" Wehrviele SA-Leute, durch Wurfgeverbände der etablierten Parschosse der verschiedensten Art
teien, sondern es kam zu Ausgetroffen, mehr oder weniger
einandersetzungen zwischen
schwer verletzt wurden. Die
Mitgliedern der SozialdemoNationalsozialisten hatten in
kratischen und Kommunistiungefähr zehn Minuten die
schen Partei und Anhängern
Mehrzahl der Angreifer aus
der inzwischen auch in Tirol
dem Saal geworfen. Bei diesem
erstarkten NationalsozialistiKampfe zersplitterten Stühle
schen Deutschen Arbeiterparauf blutenden Köpfen, da und
tei (NSDAP), auch Hitlerbewedort sank, von heimtückischen
gung genannt.
Messerstichen getroffen, ein
SA-Mann zu Boden... Im Nu
Für den Abend des 27. Mai
war
die Saaleinrichtung restlos
1932 hatten die Nationalsoziazertrümmert... und alle Scheilisten Innsbrucks eine Verben zersplittert."
Eine inzwischen von der Gendarmeriekaserne angeforderte
Reserveabteilung eilte durch
die Bachgasse in die Schneeburggasse und mußte mit gefällten Bajonetten vorgehen, um
die bereits auf die Straße ausgedehnten
Kampfhandlungen
einzudämmen und Platz zur
Evakuierung und zum Abtransport der Verletzten zu schaffen.
Gegen 22.30 Uhr rückte dann
noch eine Bundesheerabteilung, von der Höttinger Kirche
kommend, vor, um unterstützend einzugreifen. Der Abzug
Die anläßlich einer nationalsozialistischen Versammlung mit der restlichen im „Goldenen
„spanischen Reitern" abgesperrte Schneeburggasse. Original im Bären" verbliebenen NationalStadtarchiv — Fotosammlung.
(Repro: Murauer) sozialisten wurde durch die

Gendarmerie ermöglicht, und
diese kehrten nun in ihre Zentrale in die Müllerstraße 3 zurück. Gegen Mitternacht war
der „gesetzliche Zustand" wiederhergestellt.
Dem Bericht der Freiwilligen
Rettungsgesellschaft
zufolge
wurden bei den Zusammenstößen 38 Personen verletzt, zwei
bis drei davon trugen schwere
Verwundungen davon. Die
Höttinger Saalschlacht forderte
auch ein Todesopfer. Der Nationalsozialist Silvester Fink erlag noch in der Nacht seinen
schweren Verletzungen. Er
wurde späterhin als einer der ersten „Blutzeugen" von der NSBewegung in Tirol „märtyrisiert".
Eine Fülle von Materialien aus
dieser bewegten Zeit in Innsbruck und Tirol zeigt die im
Stadtarchiv laufende zeitgeschichtliche Ausstellung, die die
Jahre 1932 bis 1938 umfaßt.

VOR HUNDERT
JAHREN
18. April: „Anzeige. Es wird eine Sängerin von angenehmen
Äußeren und mit guter Stimme
begabt, wenn möglich Altistin,
gesucht für die ,Tiroler SängerGesellschaft" Sutterlüty in Buffalo, Nordamerika. Reise dahin
frei. Bedingungen günstig."
25. April: „Wie bekannt, wurde
von Seite der Staatsbahn die
Anlage eines Bahnhofes mit
Personenaufnahme und Magazinen in der Gemeinde Wüten
bei Kilometer 1,2 projectiert.
Dieses Project erlitt nun eine
Verkürzung, indem von der k. k.
Generaldirection der Staatsbahnen nur die Errichtung eines
Güterschoppens bewilligt wurde."
30. April: „Wie uns berichtet
wird, ist nun die Straße vom
Schlosse Ambras nach Aldrans
in ihrer ganzen Länge fertiggestellt und kann vom 3. Mai an
befahren werden."
6. Mai: „In Innsbruck ist ein
Gesangverein mit dem Namen
,Sängerbund Eintracht" gegründet worden; seine Statuten wurden von der k. k. Statthalterei
bescheinigt. In Igls ist ein Verschönerungs-Verein gegründet
worden, dessen Statuten von
der k. k. Statthalterei bescheinigt worden sind."
W.