Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1968

/ Nr.2

- S.4

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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

lich bei beiden I a h r i n ä r l l c n sogenannte Spieltische
aufstellen, auf welchen dann die Marttbesucher ein
Spielchen unter dem scharfen Auge des Gesetzes machen konnten. Aus "diesen Spieltischen erfloß dem Gerichtsdiener eine ganz erhebliche Einnahme, welche
aber in Kriegs-, Pest- und anderen „betribten" Zeiten zu seinem Leidwesen ausfiel, da ihm dann das
Aufstelle!: der Spieltische untersagt wurde" diese Einnahmen machten aber einen Teil seiner Besoldung
aus, und so erhielt er bei ihrem Ausfall als Ersatz aus
der Stadtkammer einen entsprechenden Betrag angewiesen. Erst im Jahre 1721 traf ein obrigkeitlicher
Befehl ein, daß die öffentlichen Spieltische „aus merveltig erheblichen Ursachen abgestolt" werden sollten,
was der Rat der Stadt dann folgend quittiert: „Auf
daß dieses hechft bebliche Werkh strictiffime gehalten
werden solle."
1648 bewilligte Erzherzog Ferdinand, daß am Thomasmarkt neben dem Krämermarkt jeweils am zweiten Tag auch ein Viehmarkt abgehalten werde, und
zwar außerhalb der Ringmauer vom Zeughaus (der
heutigen Innkaserne) an gegen den I n n r a i n zu. Die
gleichzeitige Abhaltung eines Viehmarktes muß auf
den Thomasmarkt fehr belebend gewirkt haben, da er
im Laufe der Zeit sogar den berühmten Haller Herbstmarkt überflügelte und zum größten Markt des Landes im ganzen Jahr aufrückte. Er grrff auch auf weitere Straßenzüge über, so daß er zu Ende des letzten
und Anfang unseres Jahrhunderts in seiner größten
Ausdehnung die Herzog-Friedrich-Straße, die M a r i a Theresien-Straße bis zur Annasäule, den Marktgraben, den I n n r a i n von der Innbrücke bis i n die Gegend der heutigen Uniuersitätsbrücke und zeitweilig
auch noch die Vürgerstraße ausfüllte. Der damaligen
starten Entwicklung des Thomasmarttes war auch
der Eisenbahnbau förderlich, der die Führung von
Sonderzügen ermöglichte, damit auch die Bewohner
entfernterer Talschaften sich die Vorteile dieses Marktes zunutze machen konnten.
Was war es nun, das diesen Markt alljährlich zu
einem Anziehungspunkt für so viele Tausende von
Menschen machte? Die Antwort darauf gibt uns ein
Einblick in das Warenangebot, das sich, alljährlich
wiederkehrend und jeweils nach einzelnen Warengruppen getrennt, auf bestimmte Straßen konzentrierte.
So war die Herzog-Friedrich-Ttratze dem Früchtehanoel vorbehalten, hier gab es in riesigen Mengen Kletzen (Dörrbirnen) und noch andere Zutaten zum Tiroler Zelten, wie Zibeben, Feigen, Nüsse u. dgl., daneben wurden aber auch Orangen und Zitronen vertauft. Knoblauch und Zwiebeln, meist zu Kränzen
gebunden, gingen als Winteruorrat in die städtischen
und ländlichen Haushalte. I n der Maria-TheresienStrahe waren die Buden der verschiedensten Händler
ausgestellt, es war dies ja der Platz für Eisen-, Holzund Kurzwaren" neben Handschlitten nnd Rodeln
lagen hier Vinderwaren und die beliebten Stubaier
Eisenwaren zum Verkauf bereit. Am Marktgraben
fanden sich zwischen Küchengeschirr die Sellrainer mit
ihren Strümpfen und Socken aus Wolle ein, doch
qualmten dazwischen überall Kastanienkessel, und der
liebliche Duft gebratener Kastanien mag manches
Väuerlein dazu verlockt haben, sich auch einmal so
einen Leckerbissen zu leisten. Längs der Innkaserne
war Stand an Stand mit Schuhen. Patschen und Filz

Nummer 2

ausgestellt, gegenüber, neben dov Inlllirültc, wo sich
der Markt »ut Getreide und Hülsenfrüchten breitmachte, gab es hauptsächlich Türken und Bohnen zu
kaufen.
A l l diese Kostbarkeiten waren aber nichts gegen
das, was sich dem Beschauer am I n n r a i u bot." Kamen
doch hier die beiden Hauptartitel des Thomac"inarttes,
nämlich tote Schweine und Flachs, zum Vertauf. B i s
zur Iohannistirche hin reichten die Reihen der geschlachteten Schweine, welche i n Hälften nebeneinandergereiht und vor Kälte starr am Schnee lagen.
Alljährlich kamen durchschnittlich 60U bis I M ) Stück
tote Schweine, hauptsächlich aus dem Oberinntale sowie aus Kärnten und K r a i n , zum Verkauf. Wer aber
die Launen und Tücken des Innsbrucker Wetters
kennt, der wird auch die Sorgen der damaligen
Schweineverkäufer verstehen! Bewirkte doch ein plötzlicher Föhneinbruch meist einen rapiden Preisoerfall,
da dann die Schweinehälften einem weiten Transportweg nicht mehr standhielten und damit der Absatz
in weiter entfernte Gegenden, wie Süd- und Welschtirol, ins Stocken geriet. Die Innsbrucker Haushalte
hatten dann den Vorteil auf ihrer Seite, und wer
die Ausdauer hatte, gar bis gegen M i t t a g zuzuwarten, der konnte mit einem wesentlichen Preisnachlaß
rechnen. Die „Innsbrucker Nachrichten" veröffentlichten 1874 sogar ein sinniges Gedicht von Ludwig
Uhland unter dem T i t e l : „Den Innsbrucker Hausfrauen zum Thomasmarkt gewiedmet", darinnen folgender Lobgesang ertönt:
W i r haben heut nach altem Brauch
Ein Schweinchen abgeschlachtet"...
Wenn solch ein Fleischchen, weiß und mild.
I m Kraute liegt, das ist ein B i l d
Wie Venus in den Rosen.
Und wird von schönen Händen dann
Das schöne Fleisch zerleget,
Das ist, was einem deutschen M a n n
Gar süß das Herz beweget.
Gott Amor lächelt still
Und denkt: nur daß, wer küssen w i l l ,
Znuor den Mund sich wische.
I h r Freunde, tadle keiner mich,
Daß ich von Schweinen singe!
Es knüpfen Kraftgedank"en sich
Oft an geringre Dinge.
I h r wißt: Es findet hier wie dort
Ein Schwein auch eine Perle.
O du gute alte Zeit! Kaum vorzustellen, wie im
Gefolge des Thomasmarttes in den Innsbrucker Familien geschlemmt worden ist! Doch zurück zum I n n rain. wo neben dem Schweinefleisch auch der zweite
Hauptartitel des Marktes, nämlich der Flachs, massenweise feilgehalten wurde. Der Flachs kam ungehechelt als Werch oder — allerdings meist znm doppelten Preis ^ gehechelt als feinstes Gespinst zum
Markt. Den größten Anleil an Flachsuertäliserinnen
stellte das weibliche bäuerliche Dienstpersonal, welchem als Teil des Lohnes seinerzeit häusig vom
Bauern ein kleines Stück Feld zur Verfügung gestellt
wurde, auf welchem Flachs angebaut werden durfte.