Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1967

/ Nr.4

- S.2

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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

dorn an ungezählten anderen Autoren, die später sowohl innerhalb wie außerhalb des „Brenner" zu
Rang und Namen gelangt sind. Wie unbestechlich sein
Unterscheidungsvermögen geblieben war, zeigte sich
noch einmal, als er sich spontan für die damals noch
unbekannte Christine Lavant einsetzte. I n Ludwig
von Ficker lebte unbezähmbar die Leidenschaft, jeweils
unbekannten Menschen das Äußerste an Sagbarteit
abzufordern, indem er ihre Gestaltungen dem Nesonanzraum der von ihm herausgegebenen Zeitschrift
„Der Brenner" aussetzte. Heute muß man sich rückblickend fragen! Daß es in Innsbruck, i n T i r o l , ja in
Österreich eine Nevue gegeben hat, i n der die Geisteskämpfe und Ausdrucksnöte einer Epoche ftellvertretend
vorweggenommen wurden?! Wie war das nur möglich? Ich denke etwa an den „Brief eines Juden an
Carl Dallago" oder an Theodor Haeckers Prophetie
i m Nachwort zu seinem „ V e r g i l " . Diese schon immer
auf Entscheidung eingestellte Zeitschrift und der ihr
angeschlossene Brenner-Verlag waren nur möglich,
weil einerseits dieses "editorische Genie völlig hinter
den Hervorbringungen der Autoren zurücktrat, anderseits die Mitglieder des alten Brenner-Kreises von
einem Opfermut und einer Generosität waren, denen
Ficker selber in der X V I I I . , der letzten Folge, in seinem Rechenschaftsbericht „Frühlicht über den Gräbern" den Tribut einer tiefen Erkenntlichkeit gezollt
hat. Unvergessen sollen die Freundschaftsdienste eines
Maz Esterle, eines Daniel Sailer, eines Erich Lechleitner und eines K a r l Nöck bleiben! Es war wie
eine Rückkehr zu den Ursprüngen, als dieser „Diener
am W o r t " in den letzten Wochen vor seinem Tode nach
der Lektüre der jüngst aufgefundenen Briefe von K a r l
Kraus an Tidonie von Nathernn in einem seltsamen
Schaffensfieber Seite um Seite schrieb und wieder
umschrieb für ein Gutachten, das die baldige Drucklegung dieses einzigartigen Dokuments der Liebe und
des Schmerzes ermöglichen sollte. Als ob er sein nahes
Ende geahnt hätte, korrigierte er in den vergangenen
Wochen noch die Fahnen jenes Buches, das, eine
Sammlung seiner Aufsätze, seiner Kritiken und seiner
Reden, als sein geistiges Vermächtnis gelten darf und
im Herbst erscheinen soll.
Und w i r fragen ein drittes M a l : Welches war das
Geheimnis dieses divinatorischen Wirkens und in vieler Hinsicht exemplarischen Lebens? Um diesem nahezukommen, müssen w i r uns wenigstens versuchsweise
auf das von ihm Gemeinte einlassen. Ludwig von
Ficker war ein Mensch, der sich, solange ich ihn kannte,
immer wieder von oben geführt wußte. Immer hielt
er Ausschau nach Zeichen, aus denen sich der Wille
eines sich in der Geschichte inkarnierenden Gottes —
des Gottes Abrahams, Isaats und Jakobs — ablesen
lassen könnte. Ludwig von Ficker war immer ein Hof-

Nummer 4

fender, ein christlich Hoffender. Obwohl er sich immer
gewünscht hatte, in der Karwoche zu sterben ^ und
wio wurde ihm, dem Freitagstind, dieser Wunsch erfüllt! —, waren für ihn nicht das Kreuz und das
christliche Leiden, sondern die Auferstehung, das M i t auferstehen das letzte Wort. Er war im Leben, im
Denken, im Sprechen und im Schreiben ein Wachender
vor dem Morgen, einer, in dem eine reale Vision
einer besseren, einer verklärten Welt lebte. Aus dieser unversieglichen Hoffnung heraus vermochte er
jahrelange Verkennung, unverdiente Einsamkeit, eine
angeborene Schwermut und selbst Schicksalsschläge
wie den Verlust seines einzigen Sohnes am Ende des
zweiten Weltkrieges zu ertragen. Er war kein intellektueller, sondern ein spiritueller Ehrist. Er war kein
rationalistischer Denker, aber, wenn man so w i l l , ein
mystischer Vedenker der kreatürlichen Wirtlichkeit,
darin einem Charles Psgun und Loon Bloy tief verbrüdert.
Sein Christentum war sowohl johanneisch wie paulinisch wie petrinisch, war von Pascal, Kierkegaard,
Dostojewsty und Newman und von ihrem „esprit clu
cooui-" bestimmt. Für ihn war die Kirche die ewige
Liebesgemeinschaft auf Erden. Keiner, der ihn näher
kannte, hätte sagen können, wo bei ihm das Menschliche aufhörte und das Christliche begann und umgekehrt. Er brauchte, als er Anfang der dreißiger Jahre
nicht nur persönlich, sondern mit dem ganzen „Brenner" zur Kirche zurückkehrte, keine falschen Vergöttlichungen irdischer Werte revozieren. Dies alles wird
noch deutlicher wecken, wenn eines Tages der Nachlaß dieses wahrhaft großen Vriesschreibers gesammelt
vorliegen wird. V i s es soweit ist, lassen w i r uns trösten durch eine Stelle aus einem noch unveröffentlichten Brief, den Ludwig von Ficker 1936 zum Tode von
K a r l Kraus an Sioonie von Nathernn gerichtet hat,
Trostworte, die auch für ihn in dieser Stunde des Abschieds gelten dürfen: „ . . . W e m werden w i r denn
n i c h t begegnen, den wir hier aus Erden geliebt haben, sofern wir ihn nur so geliebt haben, daß wir aus
dem Glück sowohl wie aus dem Schmerz unserer Erinnerung heraus wie Neugeborene vor Gottes Antlitz
treten können! Was anders sein wird im Angesicht
des Neuen Himmels und der Neuen Erde, die uns
am Ende des Läuterungsweges, wenn w i r das Dunkel dieser Weltzeit hinter uns haben, erwarten, ist
nach der Geheimen Offenbarung dieses Tröstliche " daß
alle Tränen abgetrocknet sein werden, daß Frühere
vergangen und kein Tod mehr sein wird. Was also
trauern wir, Varonin? Was einmal war, im Geist
der Wahrheit war, wird immer sein" wahrnehmbar
auch in verwandelter Sinngestalt. Und was im Grabe
ruht, wird auferstehen!"

O t t o Gamper, ehemaliger Vizeburgermeister, verschieden
Nach langer Krankheit ist am 1«. März 1967 der
frühere 2. Bürgermeister-Stellvertreter Otto Gamper
von uns gegangen.
Der Verstorbene gehörte vom l. A p r i l 1!)>">!1 bis
5. November 1965 dem Innsbrucker Gemoinderate an,
i n dessen Forum er durch viele Jahre als Frattions-

obmann der Freiheitlichen Partei wirkte. Seine Tätigkeit als Stadtrat erstreckte sich uon A p r i l 195,0 bis
Dezember 1Wl> und neuerdings von November 197>9
bis November Ml>^. I n den Jahren, in denen er die
Funttion eines amtsführenden Stadtrates innehatte,
unterstanden ihm die Magistratsabteilung IV, das