Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1966

/ Nr.1

- S.9

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Amtsblatt dcr Vandeshaup lind gut bearbeiten, sichern wir uno unseren Platz im
Gesamlen und tonnen darüber hinaus auch noch die
Geuugluung haben. als winziges" Zahnrad zum ^untlionieren des großen ^Apparates das Unsere beizutragen.
I,n Spezialisieren besteht aber außerdem auch noch
die Hoffnung, daß wir dadurch Vertiefung gewinnen
und so. wie elwa von einer äußeren Nugelhaul
das
wäre die Gleichzeiligleil
. oon bestimmter Stelle aus
lwrdl"iiigend, in die Alalie des Zentrums gelangen.
Das Zenlruin aber
so hoffen w i r — ist wiederum
allem gemeinsam, in seinem Vereich böte sich uns der
an der Peripherie »ich! mögliche Überblick, freilich in
einer Art von Innenschau.
Wenn es erlaubt ist, bei dem stereometrischen Vild
zu bleiben, so dürfte in dieser dem Mittelpunkt nahen
Zone der Vereich der Kultur erkannt werden. Dieser
Vereich ist prinzipiell von allen Stellen der Peripherie
erreichbar, denn ihm gehört ja nicht nur an, was
gedacht, gedichtet, gemalt oder musiziert wird, sondern
alle Teilgebiete des menschlichen Tuns. Studieren wir
doch auch an den alten Kulturen den Stand ihres
technischen Könnens, ihrer Geldwirtschaft, ihre Staatskunst, ihren Nechtsbegriff, ihr Sozialwesen, Nachrichtenübermittlung, Verkehrstechnik, Handel und Wandel. Allerdings bedarf es der Vertiefung des Tuns
von der Oberfläche des Getrieben- und Nefchobenwerdens weg nach dem Zentrum zu. Die Komponente
aber, die dahin führt, könnten wir die „Sinngebung"
nennen, das Suchen nach dem Sinn, das Streben, den
Sinn zu finden und zu deuten.
Wenn nun die Hilfskonstruktion eines dreidimensionalen Vergleichsbildes wieder beiseite gelassen wird,
so bleibt doch Vertiefung in Richtung Sinnhaftigkeit
als Eharakteristikum für die Kultur festzuhalten. Das
in dieser Richtung Erkenn- und Erfahrbare entspricht
einer neuen Dimension, deren Inhalte auf der Ebene
bloßer Gleichzeitigkeit höchstens in der Verkürzung auf
ihren Ansatzpunkt zu erahnen sind. I n dieser Abkürzung liegt ein Weglassen, liegt Versäumnis einer Entwicklung. Und daher kommt es wohl, daß die Gegenwart in ihrem Erscheinuugscharakter vielfach so sehr
als heterogen und geradezu als verwirrend angesehen
wird.
Die menschliche Reaktion auf diese Zusammenhänge
zeitigt dann das bunte Lebensbild, wie wir es gewohnt sind! da ist die große (Gruppe derjenigen Zeitgenossen, die mit der lurbnlenlen Eigenschaft unserer
Zeil virtuos zu spielen verstehen, indem sie eben aus
der oertürzenden Weglassung den Vorteil der leichten
Beweglichkeit ziehen, Ihrer Lebeusperspettive fehlt,
wie gesagt, eine ganze Dimension. Unter den anderen,
die diese Knnstfertigteil eines Sich-Tragen- uud ^ortbewegen-Lassens nicht besitzen, gibt es welche, die mit
den Zeitbewegungen überhaupt nicht mitkommen!
ihnen erscheint die Gegenwart als Verfallszeit, die
dem Untergang entgegensühren mnß. I n ihrer Nähe,
jedoch mit stärterem Kontakt zur Gegenwart, wenn
auch nicht imstande, das Grundproblem zn lösen,
finden wir alle die Zeitgenossen, welche wohl das ehrliche Bestreben haben, sich in die Gegenwart zu stellen,
in der Kompliziertheit ihrer Maschinerie aber eine
unmenschliche Dämonie wirtsam sehe»! die berühmten
beschworenen, aber nicht mehr bannbaren Geister der

Seite?

Vallade. Geister, denen man nicht mehr steuern kann
und denen man infolgedessen auch nicht mehr folgen soll.
^"lllen diesen wäre vor Augen zu halten, daß auch für
das technisch automatisierte Spezialisten-Zeitalter der
Begriff der Kultur im Sinne eines Einheitsbegriffes
alles menschlichen Planens. Streben^ und Erreichens
lieg!.
freilich tritt in de» Gegenwart etwas starter als
jemals hervor, was an sich zum Menschsein integrierend gehört, in Zeiten eines einheitlicheren äußeren
Gepräges aber, weil nicht so differenziert, weniger in
Erscheinung getreten ist. das ist die Enlscheidungssituation. Sie durchdringt heute alles, betrifft jeden,
und jeden in seiner Weise. I h r sich zu stellen, bedeutet
den Punkt, wo aus dem Peripheren eines sozusagen
zweidimensionalen Mitgezogenwerdens herausgetreten wird in die Tiefe der Sinnbezogenheit. K u l t u r
fängt im Grunde genommen erst hier an.
Alles das finden w i r auch in der Musik. W i r finden
die verwirrende Vielfalt der Phänomene, die sich
teilweise gegenseitig aufzuheben scheinen und keinesfalls mehr von einem einzigen Standpunkt her umfaßt
werden können. W i r sehen das Spezialistentum, aber
auch die Großräumigkeit der Organisation. W i r f i n den die Flucht vor dem musikalischen Zeitgeist, ja die
Reaktion gegen ihn in strikter Ablehnung. W i r finden
aber auch den öden, allen Tiefgangs baren Betrieb,
der sich jede Tagesströmung zunutze macht und das
geschaffen hat, was man eine „Industrie" nennt —
ein sonst hochachtbarer Vegriff, im Vereich des Musischen aber ein Paradoxon ohnegleichen.
W i r finden vor allem — und darum geht es eigentlich — d i e Entscheidungssituation als Eingangspforte
— und einzige! — zum kulturellen Vereich.
D a r i n steht unsere Zeit nun wirklich so ganz anders
da als die alten Zeiten. Es wäre gänzlich verfehlt,
diefe Situation auch für früher anzunehmen, daß es
nämlich einer Entscheidung bedurft hätte, eines persönlichen Aktes von der Art, wie sie uns in der Legende
von Herakles am Scheideweg erzählt w i r d ! das eine zu
tun, das andere aber zu lassen, um vom Sinnlosen
weg zum eigentlich Wertvollen, zum Kulturellen zu
gelangen. Entscheidungen dieser A r t waren von den
alten Meistern kaum zu treffen. Das Grundsätzliche
war für sie schon entschieden in der Welt- und Daseinsschau, in die sie hineingeboren waren. Wenn sie schufen,
so schufen sie völlig naiv, ja sie waren sich nicht einmal
des „Schaffens" im heutigen Verständnis bewußt:
Handwerkliches und Schöpferisches war für sie eins,
und die große Entwicklung ging unbemerkt über sie
hinweg, durch sie hindurch. Sie lebten in der - um ein
hente fast unnnterbrochen gebrauchtes Wort zu wiederholen! ..heilen" Well.
Die Welt blieb aber nicht ..heil". Wie das vor sich
ging, wissen w i r alle. W i r kennen den allmählichen
Prozeß, in welchem der Mensch aus scharfsinnigem
Denken heraus zunächst die ..Voranssetznngslosigteit"
seines Wirkens protlamierte, dann aber erkannte, daß
es ans seiner Ebene auch eine Voraussetzuugslosigteit
eigentlich nicht gab, sondern daß er sich zu entscheiden
habe, welchem Untergrund er sich anvertrauen wolle.
Die Well wnrde dadurch uicht elwa „ t r ä n t " . Aber was
früher als ..Gauzes" erschienen war, zeigte sich nun
mit einem M a l als „Zusammengesetztes": Auflösung