Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1963

/ Nr.11

- S.6

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Seite 6

Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

Kriegsgetreideverkehrsanstalt für die Stadt Innsbruck bestimmt. E i n Waggon Wein, desgleichen je ein Waggon
Apfel, Schuhe und Kleider standen knapp daneben. Vormittag kam ein Verwuudetenzug an, dessen Kommandant, nachdem er mehrere Stunden lang leine Verpflegung für seine
Kranken erhielt, auf eigene Faust einen Mchlwaggon offnen
ließ nnd Mehl entnahm. Den Nest des Waggons überlies;
cr der Menge nnd sagte noch leichthin, sie sollen es nur nehmen, sonst rollt"s zum Schluß noch nach Ungarn zurück. Das
sprach sich blitzschnell herum uud in: Nu waren Hunderte vou
Plünderern hier, die noch eine Reihe anderer Mchlwaggons
öffneten und sich das Mehl sackweise aneigneten. Polizei
war in zu geringer Anzahl vorhanden nnd das M i l i t ä r versagte; so konnte dem Raub erst spät abends, nachdem schon
zirka 8 Waggon Mehl, 2 Waggon Kartoffeln, Wein und
Schuhe verschleppt waren, gestcnert werden.
Die Nacht vom 2. ans (den) 3. November verlief ziemlich
ruhig. Heute ist Sonntag ( - 3. November) und viel Volk
auf den Straßen. Die Soldaten haben die Mützenrosetten
entfernt oder waren vom Volk dazu aufgefordert (worden).
Die Hinterlandsformationen des M i l i t ä r s zerfallen, da die
Soldaten — nicht nnr die fremden Nationen, sondern leider auch die Deutschen und sogar auch die Tiroler — ohne
writers davonlaufen. E i n Herr Oberst von Eccher hat für
Nachmittag eine Soldatenvcrsammlung im Stadtsaal einberufen. Um IN Uhr vormittags erscheint ein Flugblatt, daß
der Waffenstillstand mit I t a l i e n abgeschlossen ist. Die Bedingnngen sind noch nicht bekannt, sollen aber sehr schlimme
sein.
Auf der Bahn nimmt nnu die Uberflntung dnrch Soldaten,
die anf eigene Faust ihre Abteilungen verlassen haben, in
erschreckender Weise zu. Es sind die Wagen nicht nur im
I n n e n r a n m , sondern auch auf deu Plattformen und sogar
anf den Dächern überfüllt. Auf der Straße kommen die ersten Vorboten des Rückznges, und zwar vorerst Autos und
Fuhrwerke. Meist sind diese Autos mit allerlei Hausrat
nnd Lebensmittel beladen, jedoch ganz wenig mit M a n n schaften. M a n hat den Eindruck, daß es meist gewissenloses
(Gesindel ist, das mit dein Anto auf uud davon ist und noch
manches dazngcranbt hat. Wenn die Vorboten des Rückzuges
schou derart traurige siud, mnß man sich anf Entsetzliches
gefaßt machen.
Nachmittags mnßte ich in Begleitung des Herrn Kricgsgetreidedircktors Prcindl die Beschlagnahme der M i l i t ä r Pferde zn Gunsten des Tiroler Nationalrates durchführen.
Zuerst gingen w i r in die Kaserne der „Reitenden Tiroler
Landesschntzcn". E i n Herr Oberst sowie ein Leutnant empfingen uns höflich nnd erklärten fich nach Einsichtnahme in
den schriftlichen Befehl des Tiroler Nationalstes sofort bereit, die Übergabe zn veranlassen. Für den alten Herrn
Oberst war es jedenfalls eine bittere Sache, sein ihm liebgcwordcncs Werk in die Hände der Volksrcgicrnng, die ja
das Z i v i l war, übergeben zn müssen. Doch der Umstand,
daß schon der größte Teil seiner Mannschaft davongelaufen
nnd außerdem an Futter für nnr mehr knapp zwei Tage
vorhanden war, hat dem in Ehren ergrauten M i l i t ä r die
bittere Pille etwas versüßt. I m Anschluß daran wurde die
Beschlagnahme in weiteren zwei Militär-Pfcrdespitälcrn
durchgeführt.
A m Abend sah man in den Straßen die ersten M a n n schaften der Iunsbrnckcr Bürgcrwchr. Die mit der Bahn
durchfahrenden Truppen schießen fortwährend ans den
Wagen hcrans. Da noch niemand zu Schaden gekommen
ist, kann man annehmen, daß es Freudeuschüsse sind, die be
trunkene Soldaten in die Luft abgeben.
4.
am
des
nnd
(Es

November 1918. Die Nacht ist rnhig verlaufen. Gestern
späten Abend sind die Einzelheiten der Bedingungen
Waffenstillstandes bekannt geworden. Es ist entsetzlich
nncudlich traurig, daß wir so gcdcmütigt werden. - folgen einige persönliche Bemerkungen.) — Heute Vor-

Nu »ini

mittag habe ich das stabile Pfcrdcfpital in Absam für den
Tiroler Nationalrat übernommen und gleich der Stadt Hall
zur Vcrpflcguug der zu crwarteuden Truppen übergeben.
Es war ein trauriges Bild, das sich mir da bot. Vou deu ungefähr ,"<»<» Stück vorhandenen Pferden sind zirla M> verhungert, da die Warlemannschaflen vor zwei Tagen fort
sind nnd die Tiere ihrem Schicksal überließen. Weiters wur^
dcu die vergangene Nacht 30 Pferde gestohlen, angeblich von
den Lenten aus der Umgebung. Traurig, sehr traurig. Eben
erfahre (ich) vou verläßlicher Seite, daß vor eiuer Stunde
eine Anzahl italienischer Offiziere eingetroffen sei und
gegenwärtig mit dem Tiroler Nationalrat Verhandlungen
Pflege. Die Abendzeitungen enthalten nichtssagende Nachrichten.
5. November 1918. Die Nacht ist ziemlich ruhig verlaufen. Die ganze Nacht rollen Antos von Süden heran.
Aber daß diese Autos mit Soldaten belade» siud, darau ist
nicht zu denken. Statt mit Kameraden haben die Ehauffenre
ihre Wagen mit geraubtem Gut beladen, nicht etwa nnr Gut
der Heeresverwaltung, nein, es muß auch die Zivilbevölkerung gcbrandschatzt worden fein, weil Möbel, Klaviere, Nähmaschinen, Kleider nnd dergleichen in Menge ausgeladen
sind. Hier in der Stadt halten sie und verschachern die Sachen
au die Menge nm tcnres Geld. Der Naub wurde schnöden
Gewinnes halber vollbracht; hätten ihn diese Tröpfe für
ihre Familien zn Hanse mitgenommen, so wäre es wenigstens ein Mildcrnngsgrnnd. Die Menschheit segelt in einem
Fahrwasser, das schon sehr, sehr trübe ist. Am hiesigen
Bahnhof wnrdc wieder eine wüste Plündcrci veranstaltet.
Von einen: ans Südtirol heute angereisten Offizier erfuhr
ich, daß i n Bozen, eine größere Plünderci am Bahnhof ausgenommen, noch verhältnismäßig Ruhe nnd Ordnung
herrscht. Dasselbe gelte von Brir,cn uud Gossensaß. Franzensfeste werde heute vom Italiener besetzt. Auf der Straße
hier — ich bin in der Maria-Thcrcsien-Straßc — herrscht
immer der gleiche Trubel. Anto um Auto rollt vorbei. Vou
Fußtruppen ist noch nichts zn sehen. Der Tiroler Nationalrat hält fortwährend Beratungen ab; hoffentlich gelingt es
ihm, halbwegs Ordnung in diese Auflösung aller Ordnung
zu briugen, denn es wäre fnrchtbar, wenn ihm die Verhältnisse über den Kopf wachsen würden.
6. November 1918. Der Rückzug nimmt seinen Fortgang.
Jetzt kommt auch schon Train. Die Autos führen nuu auch
Mannschaften mit. Anf der Eisenbahn geschehen sehr viele
Unglücke, da so viele Personen auf den Dächern, Trittbrettern und Plattformcu Platz nehmen und in den Tunnels
hcruntergestreift werden. B i s hcntc wurden schon über 3(10
Leichen aus den Brenncrtunnels geborgen uud nach I n n s bruck gebracht. Da sich uiemand findet, der die Beerdigung
vornimmt, bleiben die Leichen liegen. Nun wollen es aber
die Kapuziner in die Hand nehmen.
7. November 1918. Ich habe mich im Auftrag des Tiroler
Nationalratcs mit der Errichtung der Verköstiguugsslationeu
für die Truppeu zu befasse». Die Ruhe kehrt laugsam zurück. Nun sind Vcrköstigungsstationcn iu den Hauptorleu
des Ober- uud Unteriuntalcs, ini Wipptal bis Stcrzing. errichtet nnd im besten Gang. Fleisch mnß von den Trains, die
zurückflnteu, durch ihre Pferde beigestellt werde» uud darau
ist kein Mangel. Brot, Gemüse, Mehl nnd andere Zn taten
werden vom Ernährnngsausschnß des Tiroler Nationalrates
gegeben. Ich war die letzten Tage in Imst, Landeck, Schwaz,
Brir.legg, Steinach, Brenner, Gossensaß »nd Sterling. Bei
Vandeck über die Finstermünz geht der Rückzug geregelter,
da auch viel weniger Truppen als über den Brenner lommeu. Die Bürgcrwchr in Landcck nimmt den Truppen die
Pferde, andere Tiere nnd Sachgütcr ab uud versteigert sie
au die Bevölkerung. Der Ertrag wird zu Gnusten des Tiro«
ler Nationalrates hinterlegt. Ausschreitungen durch die Truppeu sind iu Laudeck uoch nicht vorgekommen. Dagegen hat
die Zivilbevölkerung sich Plüudereien, ähnlich wie iu I u u s «