Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1936

/ Nr.4

- S.7

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Amtsblatt Nr. 4.
größten Teil der Fleischbeschaffung der Armee im
Felde. Die Bevölkerung war auf die kargen Mengen,
die auf Grund der Fleifchkarten ausgegeben wurden, angewiesen. Die Fleischnot löste eine andere
Erscheinung aus. I n allen möglichen und unmöglichen Räumlichkeiten (Scheunen, Ställen und dergleichen) wurden Schwarzschlachtungen durchgeführt und
wer gute Beziehungen besaß, konnte sich dort mit
Fleisch eindecken. Fleischschmuggel und Hamsterei nährten zu dieser Zeit ihren Mann. Zur Verwertung kam
alles. Es ist staunenswert, daß nicht mehr Krankheitsfälle nach Genuß verdorbenen Fleisches eintraten; denn
von einer Untersuchung dieser Schlachttiere war natürlich keine Rede. Es ist auch anzunehmen, daß nicht nur
Fleisch von schweren Notschlachtungen, sondern auch solches von Kadavern angeboten und an den Mann gebracht wurde. Leider hielten sich diese regelwidrigen
Verhältnisse bis tief in die Nachkriegszeit hinein und
nur strengste Ueberwachung und schwere Bestrafung im
Betretungsfalle konnten hier Wandel schaffen.
I m Jahre 1917 starb Stadtobertierarzt Ludwig Halbmaier an einer Blutvergiftung. Anfangs mit den markt
polizeilichen Arbeiten betraut, wurde er später als zugeteilter Tierarzt in allen Zweigen des Veterinäramtsdienstes sehr erfolgreich verwendet.
I n den Jahren 1916, 1917 und 1918 waren die
Schlachthofanlagen über Gebühr ausgenützt. Stieg doch
die Zahl der Schlachtungen allein beim Großvieh im
Jahre 1918 auf über 20.000 Stück. Die starke Ausbeutung der Rinderbestände wird durch die Zahl der geschlachteten Iungrinder veranschaulicht. Es wurden über
13.000 Jungtiere geschlachtet. Die Folgen der sinnlosen
Ausbeutung der Rinderbestände konnten nicht ausbleiben. Trotz der Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung
war es auf lange Zeit hinaus unmöglich, die nötigen
Mengen an Schlachtvieh, bzw. Fleisch im Lande aufzubringen. Die Regierungsstellen waren daher gezwungen,
den Ausfall durch Einfuhr von Fleisch aus dem Ausland wettzumachen, um der Bevölkerung die lang entbehrte und mehr denn je notwendige Fleischnahrung zukommen zu lassen. Der Markt wurde ab nun mit riesiaen Mengen Gefrierfleisch außereuropäischer Herkunft
überschwemmt, allerdings nur solange, bis sich die heimische Landwirtschaft in der Erzeugung von Schlachtvieh erholt hatte.
Um nun den Schlachtbetrieb nickt ganz zum Stillstand
zu bringen, mußte die Schlachthofleitung andere Wege
suchen. Hier half die Furcht der Auslandsstaaten vor
Tierseuchen. Es durfte g. B. nach Frankreich und die
Schweiz wohl Fleisch von seuckenunbedenklichen Tieren
einoeführt werden, nicht aber das Lebendvieh. Die nordischen Staaten, Dänemark an der Spitze, die durch
den Krieg nicht gelitten und einen reichen Rinder- und
Schweinebestand hatten, suchten diesen Ueberfluß abzustoßen. Die günstige Geschäftslage wurde von verschiedenen Firmen ausgenützt. Sie suchten in den Grenzschlachthäusern sogenannte Transitschlachtungen durchführen zu können. Der Schlachthofleitung kam das Anbot einer solchen Firma sehr gelegen. Für den Betrieb
war die Auswirkung sehr günstig. Neben den tatsächlichen Einnahmen aus den Schlachtungen, konnten durch
das Entgegenkommen der Firma große Mengen von
Nebenerzeugnissen aus der Schlachtung. Innereien, Fett
und Blut an die minderbemittelte Bevölkerung kostenlos abgegeben werden, was zu den damaligen Zeiten

nicht nur von dieser, sondern auch von der Gemeinde
dankbarst anerkannt wurde.
Das Jahr 1924 brachte die langgeforderte neue
Fleischbeschauordnung. Bis dahin hatten die einzelnen
Länder eigene Fleischbeschauvorschriften, die zum Teil
widersprechende Bestimmungen beinhalteten und in den
meisten Fällen den neuzeitlichen Anforderungen der
Fleischhygiene nicht mehr entsprachen. Die Einführung
erforderte viel Mehrarbeit. Durch die neue Verordnung
wurde auch die Laienfleischbeschauerfrage einheitlich
geregelt und die Schlachthöfe angewiesen, Kurse zur
Heranbildung von Laienfleischbeschauern abzuhalten.
Die Kurse werden jährlich einmal ausgeschrieben und
haben stets eine beträchtliche Teilnehmergahl aufzuweisen. Die Unterweisung der Kursteilnehmer erfolgt durch
den Schlachthofleiter, die Prüfungen werden in Anwesenheit eines Vertreters der Landeshauvtmannschaft (Landesveterinärdirektor), der auch als Prüfer teilnimmt, abgehalten. Knapp vor Einführung der neuen Fleischbeschauverordnung wurde vom Bundesministerium für Land-und
Forstwirtschaft ein Erlaß herausgegeben, der die stichprobenweise Untersuchung amerikanischer Specksendungen anordnete. Grund dazu waren Trichinellenfunde in
ausländischen Specksendungen bei ihrer Untersuchung
in Graz. Die stichprobenweise Untersuchung wurde späterhin auch auf Gefrierfchweine überseeischer Herkunft
ausgedehnt. Die Untersuchung war so gedacht, daß aus
einer Kiste Speck eine Speckseite untersucht und nur
bei bejahendem Befund auch die anderen Speckfeiten
der Untersuchung unterzogen werden sollten. Ein ähnlicher Vorgang war bei Schweinetransporten einzuhalten. Es wurden also z. V. von hundert eingebrachten
Schweinen 10 Stück auf Trichinellen untersucht. Es ist
unverständlich, daß ein solcher Erlaß je zustande kam:
denn ein positiver Befund war reiner Zufall. Eine weitere Verordnung vom Oktober 1924 verbot den Verkauf
und das Feilhalten von aus rohem Schweinefleisch hergestellten Lebensmitteln, wenn nicht eindeutig der
Nachweis erbracht wurde, daß das Fleisch auf Trichinellen untersucht worden war. War damit in der Bekämpfung des so gefährlichen Muskelschmarotzers ein Schritt
weiter getan, eine restlose Hemmung der Gefahr einer
Trichinenepidemie war nicht gegeben. Zu wiederholtenmalen hat der Verfasser auf die Unzulänglichkeit der
Untersuchungsmethoden an zuständiger Stelle aufmerksam gemacht und dieselben bemängelt, leider ohne Erfolg. Erst die Trichinosefälle in den Jahren 1925—1928
in Innsbruck und Wien, die mehrere Tote forderten,
haben hier Wandel geschaffen. Unter dem Druck der bedauerlichen Vorfälle — die Todesursache der Verstorbenen war einwandfrei auf eine Trichinelleninfektion zurückzuführen — wurde für den Stadtbezirk Innsbruck
die Zwangstrichinenschau für alle Schlachtfchweine und
alles Schweinefleisch eingeführt.
Einem Manne, der sich sowohl in dieser Sache, als
später in allen fleischhygienischen Belangen in selbstloser und entgegenkommender Weise zur Verfügung
stellte und den Fachorganen des Veterinäramtes stets
mit Rat und Tat beistand, sei hier der bescheidene Dank
des Berichterstatters ausgedrückt. Professor Dr. Gg. V.
Gruber, Vorstand des Pathologischen Institutes unserer
^Ima mater, gebührt dieser Dank vollauf. Die rasche
schlagartige Erhebung und Erkennung der TrichinellenKrankheit beim Menschen, die Aufarbeitung des großen
Untersuchungsmateriales in überraschend kurzer Zeit,