Innsbruck Informiert

Jg.2021

/ Nr.5

- S.30

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Stadtgeschichte

Die vergessenen Frauen
der Operation Greenup
Operation Greenup

In Innsbruck erhielten am 21. Dezember 1989 drei Frauen, Maria Hueber,
Ruth Heltzel und Margarethe Kelderer, für ihren Beitrag zur Operation
Greenup die Befreiungsmedaille der Republik Österreich.
von Matthias Breit

© ARCHIV TIROLER TAGESZEITUNG

aus Oberperfuss stammenden Wehrmachtsdeserteur Franz Weber die Operation Greenup vorbereiteten: „Als Erstes
haben sie ausführlich über die Situation
in Oberperfuss gesprochen, über Webers Beziehungen und Verbindungen zu
den Menschen, die dort lebten. Schnell
kristallisierte sich heraus, dass es Frauen waren, auf die sich der Einsatz stützen würde: Webers fünf Schwestern, von
denen zwei in Oberperfuss und drei in
Innsbruck lebten, und Frauen wie Anna
Niederkircher und Maria Hueber als
Quartiergeberinnen oder Kurierinnen.
Das erklärt Fred Mayers Aussage über die
Frauen von Oberperfuss nach der Befreiung Innsbrucks: „Die Einzigen, denen
man wirklich trauen konnte, waren die
Frauen, die waren stur wie Eisen.“

Konspirativer Sammelpunkt
44 Jahre nach der Operation Greenup : Verleihung der Befreiungsmedaille der Republik Österreich an Frauen der Operation Greenup: (v. l. n. r.)
Heinz Mayer, Maria Hueber, Ruth Heltzel, Landeshauptmann Alois Partl, Dr. Franz Weber und Margarethe Kelderer, Innsbruck, 21. Dezember 1989.

Exkursion
Auf den Spuren der Operation
Greenup in Innsbruck, Kematen und
Oberperfuss – eine Fahrradexkursion
des Gemeindemuseums Absam: am
Samstag, 15. und 22. Mai, jeweils
von 12.00 bis 18.00 Uhr (beschränkte
TeilnehmerInnenzahl).
Anmeldung unter:
Tel.: +43 676 84 05 32 700

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INNSBRUCK INFORMIERT

E

ine Innsbruckerin hat als eine der
Ersten die Spur zu den Frauen
im Widerstand gelegt: 1989 erschien in Deutschland das Buch der aus
Innsbruck stammenden Journalistin Ingrid Strobl „Sag nie, du gehst den letzten Weg. Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche
Besatzung“. Diese hat damit das vorherrschende Narrativ gestört, dass (bewaffneter) Widerstand gegen die Terror- und
Kriegsmaschine der Nazis „Männersache“ war. Die Frauen, die Ingrid Strobl

interviewt hat, die historischen Quellen, die sie gegen den Strich gelesen hat,
belegen: Frauen, viele davon Jüdinnen,
riskierten ihr Leben. Auch in Tirol kann
man Frauen im Widerstand finden. Allerdings hat mit ihnen nie jemand ein Interview geführt.
Der Historiker Peter Pirker beschreibt in
„Codename Brooklyn: Jüdische Agenten
im Feindesland. Die Operation Greenup
1945“, wie Anfang 1945 in Italien die beiden amerikanischen Agenten Fred Mayer
und Hans Wijnberg zusammen mit dem

In Innsbruck hat der Widerstand von
Frauen für die Operation Greenup eine
konkrete Adresse: die Anichstraße 19.
Dort beherbergten Margarethe Kelderer
und ihre Schwester Eva Weber, beide
aus Oberperfuss, im Frühjahr 1945 illegal Fred Mayer. Sie ermöglichten ihm
so, Daten zu den Wehrmachtstransporten auf der Brennerstrecke und andere
militärische und politische Informationen zu sammeln. Der in Oberperfuss
versteckte Funker Hans Wijnberg leitete
diese Informationen dann an die alliierten Kommandostellen in Süditalien
weiter. Margarethe Kelderer stellte ihre
Wohnung auch für Treffen Mayers mit
Innsbrucker Regimegegnern, wie Georg
Wallnöfer, Fritz Moser und Josef Heiss,
zur Verfügung. Die Wohnung wurde zum
konspirativen Sammelpunkt für militäri-

sche und politische Informationen, die
den Kriegsanstrengungen der USA und
Großbritanniens im Kampf gegen NSDeutschland dienten. Die beiden Frauen
übermittelten auch die Informationen
an Hans Wijnberg.
Ende April gerieten die Männer und
Frauen des Widerstands in Innsbruck
durch einen Verräter in Gefahr. Eine Verhaftungswelle der Gestapo und eine für
Anfang Mai geplante Massenhinrichtung
sollten den Bestand des NS-Regimes in
Tirol absichern. Auf der Flucht vor der
Gestapo fand Fred Mayer in den Abendstunden des 20. April 1945 in der Anichstraße 19 Zuflucht. Obwohl die Gauleitung das Beherbergen von Ausländern
ohne polizeiliche Erlaubnis bei Todesstrafe verboten hatte, nahm Margarethe
Kelderer Fred Mayer in dieser Nacht auf.
Um etwa 23.00 Uhr drang eine Gruppe
von acht Männern des Sicherheitsdienstes der SS bzw. der Gestapo in die Wohnung ein und nahm Fred Mayer und Eva
Weber fest. Margarethe Kelderer bekam
einen Haftaufschub, um sich von ihren
bei ihrer Familie in Oberperfuss lebenden minderjährigen Kindern zu verabschieden. Sie flüchtete dann aber zu Fuß
nach Bayern, wo sie in einem Kloster in
München-Pasing bis zur Befreiung durch
die US-Armee versteckt wurde. Fred
Mayer wurde von der Gestapo in den folgenden Tagen in der Herrengasse schwer
gefoltert und Eva Weber im Lager Reichenau inhaftiert.

Kampflose Übergabe
Bereits eine Woche später konnte dank
der Vermittlung von Fred Mayer Innsbruck kampflos den Alliierten Truppen

Die amerikanische SpionageOperation im Frühjahr 1945 hatte
durch die Unterbrechung der strategisch wichtigen Brenner-Linie und
die aktive Unterstützung des Widerstands zum Ziel, das schon absehbare Ende des Zweiten Weltkriegs zu
beschleunigen. Am 3. Mai 1945 wurde
Innsbruck durch Vermittlung von Fred
Mayer und Mitgliedern der Widerstandsbewegung kampflos an die Alliierten
übergeben. Dadurch konnte Innsbruck
und Innsbrucks Bevölkerung vor weiterem
Schaden bewahrt werden.

übergeben werden. Damit war für Innsbruck das Ende des NS-Regimes und
des Zweiten Weltkriegs eingeläutet. Eva
Weber, eine jener Frauen, die das Rückgrat der Operation Greenup bildeten,
verstarb allerdings nur wenige Wochen
nach der Befreiung Innsbrucks vom
Nationalsozialismus am 24. Mai 1945
nach einer Operation im Krankenhaus
Innsbruck.

Hinweise
Peter Pirker
Codename Brooklyn.
Jüdische Agenten im Feindesland. Die
Operation Greenup.
Innsbruck 2019. Tyrolia Verlag
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