Innsbruck Informiert

Jg.2021

/ Nr.1

- S.31

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FÜR BAUK
UNST

Die Zeichnung der straßenseitigen
Fassade von Ing. Josef Retter aus
dem Jahre 1932 zeigt deutlich die
Auslagen der beiden Ladenlokale,
die 1935/36 zum „Stieglbräu“
umgebaut wurden.

Die beiden von der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck in den Jahren 1926/27 und 1933
errichteten Häuser mit den Kammerlichtspielen und dem Stieglbräu in einer Aufnahme aus dem
Jahre 1957 (Fotografie: Johann Niczky von Niczk).

Vom Rettungsheim
zur Gaststätte
Im August vergangenen Jahres jährte sich die Inbetriebnahme
des „Stieglbräu“ in der Wilhelm-Greil-Straße 25 zum 85. Mal.
von Ernst Pavelka

B

eim „Stieglhaus“ handelt es sich
um das zweite von der Rettungsgesellschaft in Innsbruck errichtete Gebäude. Das erste Haus in der
Welser­
gasse 7a (heute Wilhelm-GreilStraße 23, „Audioversum“) war im Oktober 1927 nach einjähriger Bauzeit feierlich eröffnet worden. Es hatte die seit
1907 im Rathaus untergebrachte Rettungsstation abgelöst. Um einen Kredit
von 265.000 Schilling tilgen zu können,
der für die Finanzierung eines Teils der
Baukosten aufgenommen werden muss-

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te, wurde das Haus auf einen möglichst
hohen Ertrag durch Vermietung von
Wohnungen, Geschäftslokalen und den
Betrieb eines Kinos, der im März 1928
eröffneten „Kammerlichtspiele“, ausgelegt.
Bereits Anfang November 1927 überließ die Stadtgemeinde der Rettungsgesellschaft für einen „jährlichen Anerkennungszins“ von 50 Schilling gegen
Widerruf das südliche Nachbargrundstück als Schrebergarten. Als im Frühjahr 1930 ruchbar wurde, die Stadt Inns-

bruck wolle das Grundstück verbauen,
beschloss der Ausschuss der Rettungsgesellschaft, den 508 Quadratmeter
großen Nachbargrund trotz angespannter finanzieller Lage um 40.000 Schilling
zu erwerben. Dreiviertel des Kaufpreises wurden wieder über die Innsbrucker Sparkasse finanziert, der Rest sollte durch Erträge der Kammerlichtspiele
aufgebracht werden. Geplant war die Errichtung eines Wohnhauses mit Mittelund Kleinwohnungen sowie zwei Ladenlokalen im Erdgeschoss.

Hintergrund für die geplante Nutzung des
Gebäudes war, den Rettungsbetrieb auf
stabile wirtschaftliche Beine zu stellen,
da die Stadt Innsbruck aufgrund der Weltwirtschaftskrise ihre jährliche Subvention an die Rettungsgesellschaft komplett
einstellte. Ebenso fielen finanzielle Unterstützungen des Landes Tirol weg und
weitere Zuwendungen reduzierten sich
ebenfalls. Vor demselben Hintergrund
wurde der 1930 erworbene Grund im April 1932 von arbeitslosen Sanitätern gegen ein Entgelt von acht Schilling pro Kopf
und Tag hergerichtet. Finanziell ermöglicht wurde der Neubau schließlich durch
die Baufirma Josef Retter, die mit der Errichtung des Baues beauftragt wurde und
sich bereiterklärte, die gesamte Bausumme mit einer Verzinsung von fünf Prozent
auf fünf Jahre als Darlehen unkündbar zur
Verfügung zu stellen.
Am 6. Juni 1933 wurde mit dem Bau
begonnen und nach nur fünfmonati-

ger Bauzeit konnte im Oktober 1933
beim Stadtmagistrat um die Baurevision und die Erteilung der Benützungsbewilligung für den „in allen seinen Teilen
fertiggestellt[en] Neubau in der Welsergasse“ angesucht werden. Wenige Tage
später wurde im Beisein der Presse der
Schlüssel für das knapp 320.000 Schilling teure Gebäude übergeben. Anfang
November zogen die ersten MieterInnen
in die zwölf mit fließendem Warm- und
Kaltwasser sowie Gasanschluss ausgestatteten Wohnungen ein.

Wo sind die Gewerbe­treibenden?
So schnell man MieterInnen für die Wohnungen gefunden hatte, so zäh gestaltete
sich die Suche nach ebensolchen für die
beiden Verkaufslokale. Der Ausschuss der
Freiwilligen Rettungsgesellschaft nahm
deshalb Kontakt mit der Stieglbrauerei in
Salzburg zur Errichtung eines Gastbetriebes unter Übernahme der Geschäftslokale auf. Gleichzeitig wurde die Vermietung

Werbefalter für das
„Stieglbräu“, um 1936

© ARCHIV DER FREIWILLIGEN RETTUNG INNSBRUCK

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Das Stieglbräu entsteht

dieser noch einmal inseriert. Im Oktober
1934 gab es Verhandlungen mit Interessenten. Nachdem diese nicht von Erfolg
gekrönt waren, suchte die Rettungsgesellschaft im März 1935 selbst um die Gastgewerbekonzession an. Diese wurde von
Bürgermeister Franz Fischer anstelle einer
Subvention angeboten. Am 19. Juli wurde
dem Ansuchen um Baubewilligung und
gewerbepolizeiliche Genehmigung „zur
Errichtung einer Bierstube samt Schankund Toilettenanlage vom Stadtmagistrat
stattgegeben. Die dafür nötigen Umbauarbeiten wurden wieder an die Baufirma
Retter vergeben. Am 20. August 1935 wurde das „Stieglbräu“ eröffnet. Im folgenden
Jahr wurde die Gastwirtschaft durch die
Firma Retter erweitert.

Das Bier fließt
Bereits im Juli 1935 war mit der Stieglbrauerei in Salzburg ein Liefervertrag
auf 15 Jahre abgeschlossen worden. Als
einstweiliger Pächter wurde Max Ambach
bestellt, ein Pachtvertrag aber erst im
Oktober unterzeichnet. Die Mindestpacht
betrug monatlich 500 Schilling für eine
Liefermenge von 30 Hektoliter Bier. Bis
Ende September erbrachte die Pacht bereits 1.800 Schilling, was als „voller Erfolg“
gewertet wurde.
Haus und Gastwirtschaft standen bis
1969 im Eigentum der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck. Danach
wurde das Haus um fünf Millionen Schilling an die Stieglbrauerei verkauft. Der Erlös floss der Finanzierung des gerade in
Bau befindlichen Hausbaues der Freiwilligen Rettungsgesellschaft Innsbruck, des
Wacheneubaues am Sillufer zu.
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