Innsbruck Informiert

Jg.2020

/ Nr.11

- S.30

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HLA

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Wohnraumverdichtung am Beispiel der Kreuzung Türingstraße/Gumppstraße (2015/2020)

Der Eichhof in den 1950er-Jahren.

Das Erbe der Südtiroler
Siedlungen in Innsbruck
Bei einem Spaziergang durch Pradl und die Reichenau fällt die
ungewohnte Mischung von leerstehenden, meist ein- bis zweistöckigen
Wohnhäusern und die unmittelbar daneben stattfindende rege
Abbruch- bzw. Neubautätigkeit auf. Was hat es damit auf sich?
von Michael Svehla

D

ie Neue Heimat Tirol als Bauherrin und Eigentümerin eines Großteils der „Südtiroler Siedlungen“
beschloss vor rund zehn Jahren, einen
Teil dieser Gebäude durch zeitgemäße
Neubauten zu ersetzen und gleichzeitig
den Wohnraum zu verdichten. Es handelt
sich dabei um Bauten im Pradler Saggen,
beidseits der Türingstraße sowie Teile des
Eichhofes. Die ersten Neubauten wurden
2016 (Ecke Türingstraße/Gumppstraße)
und 2019 (Oswald-Redlich-Straße) übergeben, nächstes Jahr erfolgen weitere im
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INNSBRUCK INFORMIERT

Winkel Amthorstraße/Türingstraße/Am
Rain. Im Eichhof wird vorerst durch einen
Neubau in den ehemaligen Grünanlagen
an der Kranewitterstraße Wohnraum geschaffen.

Die Zukunft der Siedlungen
Geplant ist, dass in den nächsten zwei
Jahren einige Wohnblöcke des Eichhofes
(hauptsächlich an der Kranewitterstraße), im Pradler Saggen sämtliche Blöcke
im Innenhof sowie jene an der Kärntner
Straße und schließlich alle verbliebenen

Wohnblöcke entlang der Türingstraße,
Am Rain und Am Roßsprung abgerissen
und durch Neubauten ersetzt werden sollen. Die verbliebenen Altbauten wurden
bereits generalsaniert und wärmeisoliert
und sollen als bleibende Erinnerung an
ein besonderes Ereignis weiterbestehen.

Entstehungsgeschichte
Mit dem Anschluss Österreichs im März
1938 wuchsen in der Südtiroler Bevölkerung die Hoffnungen und Erwartungen
an einen ebensolchen Anschluss an das

Deutsche Reich. Dieser erfolgte jedoch
nicht, wie Adolf Hitler bei seinem RomBesuch im Mai 1938 deutlich machte. Mit
dem Hitler-Mussolini-Abkommen vom
Juni 1939 wurden die SüdtirolerInnen vor
die Wahl („Option“) gestellt, entweder für
die Auswanderung in das Deutsche Reich
zu stimmen oder in Italien zu verbleiben.
Die Stadt Innsbruck wie auch der gesamte Gau Tirol-Vorarlberg musste sich somit auf einen großen Ansturm von Südtiroler Optanten einstellen. Man rechnete
mit rund 40.000 bis 50.000 SüdtirolerInnen. Dafür musste in aller Eile Wohnraum
geschaffen werden. Die dafür notwendigen Rahmenbedingungen wurden bereits im Februar 1939 mit der Gründung
der Baugesellschaft „Neue Heimat“ (heute: Neue Heimat Tirol) geschaffen. So entstanden ab dem November 1939 bis 1944
verschiedene Anlagen in Wilten-West
(Speckbacherstraße), in Pradl (Ahornhof, Lindenhof, Eichhof sowie rund um
die Straßenzüge Gumppstraße, Langstraße, Koflerstraße, Amthorstraße, Türingstraße, Am Rain, Am Roßsprung) und im
Pradler Saggen (Scheelblock nördlich der
Sill). Insgesamt 189 Häuser mit fast 2.000
Wohnungen wurden so errichtet. Eine beachtliche Leistung für die damaligen Verhältnisse mit kriegsbedingt immer knapper werdenden Rohstoffen. Dass derart
viel Wohnraum auch tatsächlich benötigt
wurde, belegen die entsprechenden Zahlen: Bereits am 26. November 1939 konnte der erste Rücksiedlungstransport am
Innsbrucker Hauptbahnhof begrüßt wer-

den, in den nächsten Monaten sollten
täglich weitere 200 bis 250 Personen in
der Stadt eintreffen. Bis August 1940 waren infolge der Option rund 12.000 Volksdeutsche in den Gau Tirol-Vorarlberg ausgewandert, bis zum Kriegsende wuchs
diese Zahl auf insgesamt fast 39.000 Personen an. Erwähnenswert ist noch, dass
die „Südtiroler Siedlungen“ nicht ausschließlich an Umsiedler vergeben wurden, sondern auch an „Nichtumsiedler“
(also Einheimische), Politische LeiterInnen der NSDAP (wohl als KontrolleurInnen
und Spitzel der BewohnerInnen), Kriegsversehrte und Bombengeschädigte.

Besonderheiten
Grundsätzlich ist zwischen zwei verschiedenen Bautypen zu unterscheiden: Vor
allem in Wilten und in der Gumppstraße kann man sehr gut die klare Symmetrie und den streng hierarchischen Aufbau
in der Geschoßfolge erkennen, während
der ländliche Charakter in den niedrigeren Häusern der Pradler Siedlungen Am
Rain, Am Roßsprung, in der Türingstraße
oder auch im Panzing deutlich zum Vorschein kommt. Dort finden sich auch Erker in unterschiedlichen Formen und Anordnungen. In allen Anlagen sind aber
auch zahlreiche Gemeinsamkeiten wie
beispielsweise Torbögen als Einlass in
die Höfe, großzügig gestaltete Innenhöfe mit viel Grün, sogenannte Stichstraßen als reine Zufahrtsstraßen mit wenig
Verkehrsaufkommen anzutreffen. Charakteristisch für die Architektur der Sied-

lungen sind weiters die beiden wuchtigen Quertrakte in der Speckbacher- und
Gumppstraße, die eine Art übergroßes
Tor darstellen sollen. Mit ihrer speziellen
Bauweise prägen die Südtiroler Siedlungen auch weiterhin Teile des Innsbrucker
Stadtgebietes.

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