Innsbruck Informiert

Jg.2017

/ Nr.10

- S.58

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Stadtgeschichte

Das Recht auf Heimat festgeschrieben
Mit dem Heimatrecht wurde im 19. Jahrhundert die Basis für die
Staatsbürgerschaft gelegt. Städte und Landgemeinden standen
den neuen gesetzlichen Regelungen anfangs skeptisch gegenüber.
von Mag.a Susanne Gurschler

D

er Fall der Witwe Bichl beschäftigte
die Gerichte. Nach dem Tod ihres
Mannes im Jahr 1900 hatte sie vergeblich um die Aufnahme in den Heimatverband von Wilten ersucht. Die Entscheidungsträger waren der Ansicht, dass das
„Ersitzungsrecht“ einer Witwe erst mit dem
Todestag des Mannes beginne und die Zeit,
die sie mit ihm bereits in der Gemeinde gewohnt hatte, nicht zähle.
Über drei Instanzen ging die juristische
Auseinandersetzung, jedes Mal gab das
Gericht der Witwe recht. Einer der Gründe, warum sich Wilten so lange wehrte: Mit dem Heimatrecht stand der Frau
auch die Versorgung durch die Gemeinde zu, da sie sich nach dem Ableben ihres
Mannes nicht selbst erhalten konnte. Hätte das Gericht Wilten recht gegeben, wäre
die Herkunftsgemeinde des verstorbenen
Ehemanns, nämlich Kufstein, unterhaltspflichtig gewesen.
Das im 19. Jahrhundert erstmals gesetzlich verankerte Heimatrecht sicherte österreichischen StaatsbürgerInnen neben dem permanenten Aufenthalt auch
die Armenversorgung in einer Gemeinde.

Prosperierende Gemeinden, wie Wilten
(1904 in Innsbruck eingemeindet), und
Städte, wie Innsbruck, sahen das Gesetz
anfangs kritisch.

Keine Heimatlosen
Der Begriff selbst geht aus der „Bettlerschub- und Verpflegungsordnung“ hervor, die Mitte des 18. Jahrhunderts erlassen
wurde. Eingeführt wurde das „Heimatrecht“
allerdings erst 1849. Ab da waren Gemeinden verpflichtet, ein Verzeichnis ihrer EinwohnerInnen zu führen, wobei das
Heimatrecht nur österreichische StaatsbürgerInnen erwerben konnten. 1863 legte
ein eigenes Heimatrechtsgesetz schließlich
fest, dass jede/r österreichische StaatsbürgerIn in einer Gemeinde beheimatet sein
muss. Ziel war, keine heimatlosen StaatsbürgerInnen mehr zu haben.
War bis dahin Heimatrecht an Vererbung
gebunden, an die Ausübung eines öffentlichen Amtes oder den Beschluss der jeweiligen Gemeinde, gegen den es keinen
Einspruch gab, so sollte nun jede/r österreichische StaatsbürgerIn das Heimatrecht in
einer Gemeinde erhalten, wenn nachgewie-

Die Angaben in
den Heimatrollen
halfen nach dem
Zweiten Weltkrieg,
die österreichische
Staatsbürgerschaft
nachzuweisen.

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INNSBRUCK INFORMIERT

sen werden konnte (oder die bisherige Zuständigkeitsgemeinde es verlangte), dass
sie/er eine gewisse Zeit in dieser Gemeinde
lebte. Gerade für ZuzüglerInnen und nicht
mit dem Bürgerrecht versehene Menschen
erhöhte das die Chancen enorm.

Entscheidende zehn Jahre
Die Heimatrechtsnovelle 1896 unterstrich
diesen Aspekt noch einmal: Eine Gemeinde musste das Heimatrecht zugestehen,
sobald jemand durchgängig zehn Jahre in
der Gemeinde sesshaft war. Was bei der
eingangs erwähnten Witwe Bichl der Fall
gewesen ist. Den politisch Verantwortlichen ging es nicht zuletzt darum, die „Souveränität“ der Städte einzuschränken, wie
der Tiroler Abgeordnete Vinzenz Gasser im
Oktober 1896 in der Abgeordnetenkammer ausführte: Diese verstünden es nämlich, „sich wohl die Vortheile der zugewanderten Bevölkerung zu erfreuen, aber alle
damit verbundenen Nachtheile sich vom
Leibe zu halten“. In Not geratenen Personen sollte jene Gemeinde helfen, in der
diese ihren Lebensmittelpunkt hatten.
Gerade wirtschaftlich starke Gemeinden
und Städte waren von Zuwanderung betroffen. Zum einen brachte die Industrialisierung neue Arbeitsplätze und förderte
damit Zuwanderung aus den ländlichen
Regionen, zum anderen sorgten Verkehrsmittel, wie die Bahn, für höhere Mobilität
in der Bevölkerung. Umgekehrt sank die
Zahl jener, die bereit waren, in der Landwirtschaft tätig zu sein.
Wie wichtig das Thema für Ballungszentren wie Innsbruck war, zeigt allein die Tatsache, dass die „Innsbrucker Nachrichten“
die Rede von Gasser zur Gänze abdruckten. Die Sorge, der Haushalt müsste unter
der „Armenlast zusammenbrechen“, wie
sie die Stadtväter in ihrer Petition äußerten, erwies sich als unbegründet, da die Ar-