Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1957

/ Nr.10

- S.5

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Nummer 10

Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

Seite 5

Gedenken an Direste Josef Wilberger
I n der gemeinsamen Sitzung des Aufsichtsralcs dor
Innsbructer Verkehrsbetriebe AG. lind aucl, der AG,
Etubaitalbahll am 11). September !!!.">? hielt der Obmann. S l R . Dr. K a r l K u n st, dem am Ni. d. M . verstorbenen Direktor Josef Wilberger folgenden ehrenden Rachruf. den die Anwesenden stehend anhörten!
„Sehr geehrte Herren! Ein unerbittlichem Schictsal
hat das Vorstandsmitglied nnd den Direktor nnferer
beiden Unternehmungen plötzlich nnd ganz unerwartet aus unserer M i t t e abberufen.
Josef Wilberger ist am l!. Februar 1l!1<>, ani Tage
nach der Vollendung seines 13. Lebensjahres, als
Oberbauarbeiler bei der Stnbaitalbahn eingetreten
lind diesem Betriebe bis zu seinem Lebensende treu
geblieben. Nachdem sich der Jüngling drei Jahre hindurch als Oberbauarbeiter bewährt hatte, wurde er
1!»2<» Stationsdiener und Transiteur. I m Jahre 1921
wurde er in den Fahrdienst übernommen, rvo er teils
als Wagenführer, in der Hauptsache aber als Zugführer verwendet wurde. I n dieser Stellung blieb er
bis zum Jahre 1941, da Josef Wilberger, das Kind
eines Kleinbauern und Sägearbeiters, mit der nicht
einmal abgeschlossenen ländlichen Volksschule die
Fahrdienstleiterprüfung ablegte. Von dieser Zeit bis
zum M a i 1945 war er als Fahrdienstleiter-Ablöser in
den Stationen Fulpmes und Innsbruck tätig. Vom
Herbst 1944 bis März 1945 tonnte er allerdings keinen Dienst versehen, weil er gleich vielen anderen
Gegnern des damals herrschenden Regimes im Lager
Reichenau ohne Grund in Haft gehalten wurde. Am
.">. M a i 1945 hat er im Auftrage der prov. Landesregierung interimistisch die Leitung unserer beiden Unternehmungen übernommen. Am 17. M a i 1945 erfolgte seine Bestellung zum Kommissär und am
28. J u n i 1945 zum Direktor und Vorstandsmitglied
der I V V - A G . und der AG. Stubaitalbahn.
I n dieser Stellung blieb Wilberger, von den Generalversammlungen immer wieder bestätigt, bis zu
seinen, Ableben. I m vergangenen Jahr konnten wir
sein lOjähriges Dienstjubiläum feiern. Aus kleinsten
Verhältnissen stammend, mit 13 Jahren als Hilfsarbeiter in eines unserer Unternehmungen eingetreten, hat Josef Wilberger einen Aufstieg zum leitenden Direktor zweier großer Unternehmungen vollzogen, wie dies nur ganz selten geschieht.
Josef Wilberger hat als junger Mensch stets an sich
selbst gearbeitet und sich Kenntnisse angeeignet, die
sonst nur eine Mittelschule vermittelt. Er ist aber
anch in den Mannesjahren nicht untätig geblieben.
V i s in seine letzten Tage hat er sich fortgebildet. So
hat er jenes reiche Wissen erworben, das ihm die
Möglichkeit geboten hat, neben seinen vielfältigen
außerberuflichen Aufgaben seine Pflichten als Vorstandsmitglied und Direktor zweier Aktiengesellschaften vorbildlich zu erfüllen.
I n den schweren Jahren 1945/46, als es galt, die
Innsbrncker Verkehrsbetriebe, die unter den"Kriegsereignissen schwerstens gelitten hatten, wieder flottzumachen, hat er seilte organisatorischen Kenntnisse
unter Beweis gestellt. W i r vergessen allzu gerne,
unter welch schwierigen Verhältnissen damals gearbeitet werden mußte. Es fehlte nicht nur an Material.

sondern auch an Arbeitskräften, Direktor Wilberger
hat in unglaublich turzer Zeil den öffentlichen Verkehr in unserer Stadt zur Zufriedenheit der gesamten
Bevölkerung wieder in Gang gebracht.
Er hat in der Folgezeit dnrch eine sparsame Verwaltung verhindert, daß die Verkehrsbetriebe in eine
äliuliche Lage getoinmen sind wie die in vielen anderen Städten.
Sein Fleiß, sein Pflichtbewußtsein war allen seinen
Mitarbeitern ein vorbildliches Beispiel. Er hat das
uneingeschränkte Vertrauen seiner Mi"wi-bel"ier bl"^
herab zum jüngsten Oberbannrbeiler besessen, wußten
sie doch, daß er einer der I h r i g e n war, der alle Leiden
und Freuden des kleinen Mannes aus eigenem Erleben kannte.
Noch in den letzten Tagen war er wegen des Umbaues der Hungerburg-Vergstation besorgt. Als es
am vergangenen Freitag nach großen Schwierigkeiten
gelungen war, die bei der Vauverhandlung mit den
Anrainern aufgetretenen Differenzen zu beseitigen,
freute sich keiner mehr als Direktor Wilberger, der
damit den Weg für ein neues Werk frei sah.
Jede Frage, die Direktor Wilberger, seine Betriebe
betreffend, vorgelegt wurde, konnte er fast immer aus
dem Gedächtnis beantworten. Er war in seinen Betrieben zu Hause.
I n der Menschenführung hatte er eine besonders
gute Hand. Wenngleich er als verantwortlicher Leiter
der beiden Betriebe auch von seinen Untergebenen
eine ordentliche Dienstleistung fordern mußte, verstand er es in seiner menschlich einmaligen A r t , den
Arbeitsfrieden im Betriebe stets aufrechtzuerhalten.
War er einmal gezwungen, mit grobem Geschütz aufzufahren — er tonnte manchmal sehr laut und deutlich werden —, so wußte jeder, daß er gefehlt haben
mußte, weil der sonst so sensible Direktor zu solchen
Maßnahmen nicht griff. Keiner trug ihm eine verabreichte Rüge nach.
Das Pflichtbewußtsein dieses Mannes war einmalig. Oft war er durch seine öffentlichen Funktionen
gezwungen, bis in die Abendstunden, manchmal sogar
bis in die frühen Morgenstunden das Bett zu missen.
Um 6.30 Uhr früh spätestens, meist aber schon um
6 Uhr war Dir. Wilberger als erster in seinem Büro.
Die Verkehrsunternehmungen können sich beglückwünschen, daß sie die schier unerschöpfliche Arbeitskraft dieses stets tätigen Menschen zur Verfügung
hatten. Sie haben mit dem Ableben dieses Mannes
in der Vollblüte seines Schaffells einen schwereil Verlust erlitten. Es wird nicht leicht sein, die Lücke zu
schließen, die Direktor Wilbergers Tod gerisseil hat.
W i r werden seiner einmaligen Verdienste stets
ehrend gedenken. W i r danken ihm für alle Arbeit,
die er im Interesse der beiden Unternehmungen bis
zur Selbstaufopferung geleistet hat. W i r danken auch
seiner Ehefrau, die den Pflichteifer ihres Mannes nie
gehemmt hat, nnd versichern sie und ihren Sohn unserer innigen Teilnahme. Wenn es notwendig sein
sollte, werden wir sie auch materiell nicht vergessen.
I m Geiste des Verstorbenen wollen wir uns bemühen,
die Verkehrsbetriebe im Interesse der Bevölkerung
weiterzuführen."