Innsbruck Informiert

Jg.2012

/ Nr.12

- S.56

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S t ad t g e s c h i c h t e

innsbruck informiert nr. 12/2012

A u s d e m S t ad t a r c h i v / S t ad t m u s e u m

Porträt einer Widerstandskämpferin 
Zum 30. Todestag der Innsbrucker KZ-Überlebenden Carmella Flöck 

vo n F r i e d r i c h S t e pa n e k

Carmella Flöck mit ihrer Ziehschwester Rita beim Schifahren 1933. In ihren Erinnerungen betonte
sie, wie wichtig ihre sportliche Körperverfassung für das Überleben im KZ war.

© Rita Seistock (alle)

56

Bei der Verleihung des Landesehrenzeichens am 20. Februar 1958

I

n den Morgenstunden des 10. Oktober 1942 dringen zwei Gestapobeamte in die Wohnung im dritten
Stock der Seilergasse 2 ein. Sie verhaften
die hier wohnende Carmella Flöck. Ihr
Vergehen: Sie war Kurierin einer monarchistischen Widerstandsgruppe und
hatte für diese verschiedene Personen
angeworben. Doch bevor konkrete Taten gesetzt werden konnten, fiel die
Widerstandsgruppe einer Denunziation
zum Opfer.
Mit der Verhaftung war eine Hausdurchsuchung verbunden, an die sich
Carmella Flöck später folgendermaßen
erinnerte:
„Dann begann die Hausdurchsuchung.
Gründlich – wie sie meinten. (...) Ein
verschnürtes Paket, dessen Inhalt mich
sehr belastet hätte, konnte ich heimlich
beiseite legen, ohne daß es die Männer
bemerkt hatten. Heute staune ich, daß
ich diesen Mut aufbrachte, den ich mir
gar nicht zugetraut hätte.“

Wer war diese Frau, die über ihren eigenen Mut erstaunt war?
Am 28. Oktober 1898 in Pradl als außereheliches Kind der Näherin Juliane
Flöck geboren, wuchs Carmella Flöck
bei ihrer Mutter in Innsbruck auf. Nach
Besuch der Volks- und Bürgerschule
absolvierte sie zwei Jahre an der Ursulinenschule. Die Mutter erzog die kleine
„Mella“ streng katholisch zu Aufrichtigkeit, Vaterlandsliebe und Kaisertreue.
Carmella Flöcks Leben veränderte sich
einschneidend, als ihre Mutter zu Beginn der 1920er-Jahre ein außereheliches Pflegekind aufnahm, da sie nun
in eine Art Mutterrolle für ihre um 24
Jahre jüngere Ziehschwester schlüpfte.
Die damit verbundene Verantwortung
für das Ziehkind bedeutete eine gewisse Selbstaufgabe, da sie von nun an eine
Heirat ausschloss, um ganz für ihre Familie da zu sein.
Als gebildete, sittsame und opferbereite Dame entsprach Carmella Flöck
dem katholisch-bürgerlichen Frauen-

ideal. Auf der anderen Seite war aber die
heimliche Raucherin und begeisterte
Bergsteigerin und Schifahrerin verhältnismäßig eigenständig und wusste sich
in von Männern dominierten Umfeldern zu behaupten. Ihre Berufung fand
sie 1925 als Kanzlistin im Sekretariat des
Landesverbandes der katholischen Arbeitervereine Tirols. Die katholischen
Arbeitervereine wollten im Sinne der
Enzyklika „Rerum Novarum“ von Papst
Leo XIII. die Arbeiterschaft katholisch
„erziehen“ und so vor Verelendung und
Proletarisierung bewahren. Über 12 Jahre arbeitete Carmella Flöck im „katholischen Arbeitersekretariat“, das sich im
„Leopoldenhaus“ in der Bürgerstraße 10
befand, bevor im März 1938 die Nationalsozialisten das Büro beschlagnahmten und die katholischen Arbeitervereine auflösten. Auch in diesen Tagen der
nationalsozialistischen Machtübernahme zeigte Carmella Flöck beispiellosen
Mut, indem sie versuchte, gegen die Nationalsozialisten Stimmung zu machen: