Innsbruck Informiert

Jg.2012

/ Nr.6

- S.58

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 2012_Innsbruck_informiert_06
Ausgaben dieses Jahres – 2012
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
S ta dtg e s c h i c h t e

innsbruck informiert nr. 6/2012

A u s d e m S ta d ta r c h i v/ S ta d t m u s e u m

Erika Cremer

Die erste ordentliche Universitätsprofessorin der Universität Innsbruck

vo n M ag . a A n g e l i k a Ko l l m a n n -R oz i n

E

rika Cremer wurde am 20. Mai
1900 in München als Tochter
des ordentlichen Professors für
Physiologie Max Cremer geboren. Ihre
Mutter Elisabeth Rothmund war die
Tochter des Münchener Professors für
Augenheilkunde August von Rothmund. Max Cremer, der 1906 das Prinzip der Glaselektrode entdeckte, wurde
1909 von München nach Köln, von dort
1911 nach Berlin an die Tierärztliche
Hochschule berufen. Erika Cremer, die
deshalb mehrmals die Schule wechseln
musste, hatte schon sehr früh ganz klare Vorstellungen von ihrer beruflichen
Zukunft: „Ich kann mich erinnern, dass
ich in der ersten Volksschulklasse von
einer Lehrerin herausgeholt wurde […]
Sie wollte von mir wissen, was ich einmal werden möchte. Das war noch eine
sehr moderne Frage damals, denn Mädchen sollten ja nichts werden, die sollten
ja zu Hause bleiben, sollten dann wieder
einen Haushalt gründen – in dieser Umgebung ihr ganzes Leben verbringen.
Ich war aber absolut nicht verlegen zu
sagen, was ich zu sagen hatte, nämlich:
,Ich möchte eine Studentin werden‘.“
(Stöger, 1990)

Studium in Berlin
Nach der erfolgreich absolvierten Reifeprüfung inskribierte Erika Cremer 1921
Chemie und Physik an der FriedrichWilhelm-Universität in Berlin. Frauen
waren in Berlin seit 1908 offiziell zum
Studium zugelassen. Trotzdem stellte
ein naturwissenschaftliches Studium
für eine Frau dieser Zeit einen außergewöhnlichen und gewagten Schritt, mit
nicht gerade rosigen Berufsaussichten,
dar. Von 1925 bis 1927 arbeitete Cremer
an ihrer Dissertation „Über die Reaktion
zwischen Chlor, Wasserstoff und Sauerstoff im Licht“. Darin stellte Cremer die
Chlorknallgasreaktion durch ein Bildschema dar und leitete die Möglichkeit
der Explosion durch Kettenverzweigungen ab. Betreut wurde die Dissertation
durch den berühmten Physikochemiker

„Solange man
studierte, ging
das ganz gut.
Aber als man
dann fertig war
und als Konkurrent auftrat,
da merkte man
schon, dass
man sehr viel
weniger Chancen hatte als die
Männer.“
Erika Cremer
© Universitätsarchiv Innsbruck

58

Max Bodenstein. Cremer promovierte
am 11. Oktober 1927.
Nach der Promotion musste Erika
Cremer erkennen, dass ein gutes Doktordiplom in den Händen einer Frau
wenig Bedeutung hatte. Rückblickend
erinnerte sie sich: „Solange man studierte, ging das ganz gut. Aber als man
dann fertig war und als Konkurrent
auftrat, da merkte man schon, dass man
sehr viel weniger Chancen hatte als die
Männer […] Ich habe nach meinem Doktor, den ich 1927 gemacht habe, mehr als
10 Jahre nie eine feste Stelle gehabt.“
(Stöger, 1990) Sie arbeitete in dieser Zeit
als freie Mitarbeiterin an verschiedenen
Universitäten und Forschungseinrichtungen und wurde dafür meist schlecht
oder gar nicht bezahlt.

Habilitation und
Berufung nach Innsbruck
Erika Cremer hielt trotzdem an einer
wissenschaftlichen Laufbahn fest und

meldete sich im Mai 1938 zur Habilitation an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität
Berlin an. Die Habilitationsschrift „Bestimmung der Selbstdiffusion in festem
Wasserstoff aus dem Reaktionsverlauf
der Ortho-Para-Umwandlung“ wurde
vom Erstbegutachter Paul Günther, der
damals zu den wenigen Fachleuten für
die chemischen Wirkungen ionisierender Strahlung gehörte, und vom Zweitbegutachter Adolf Thiessen sehr positiv
aufgenommen. Der Grad einer Dr. phil.
habil. wurde Erika Cremer am 10. Februar 1939 verliehen. Der Dekan meinte
dann aber wörtlich: „Den Dr. habil. geben wir Ihnen, eine Dozentur bekommen Sie nie, da Sie als Frau gar keine
Möglichkeit haben, das für Dozenten
vorgeschriebene politische Schulungslager zu machen.“ (Bobleter, 1997)
Zum Glück sollte dieser Dekan nicht
Recht behalten. Im Juni 1940 erhielt Erika Cremer eine Berufung als Dozentin