Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1955

/ Nr.12

- S.4

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Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

studiimi für Nervenheillunde und Psychiatrie unter
Prof. (5. M a y r zu. Nebenbei besuchte er deu Physitlitsklirs. den er 19^!3 >nit einer wohlbestandenen Prüfung
abschloß. I n i folgenden Jahr erhielt er den Titel eines
Facharztes für Nervenheilkunde. Alsbald trat er in
den Dienst des städtischen Gesundheitsamtes und er
öffnete 1927 auch eine Privalpraxis. Da damals die
Stadt Innsbruck ja noch wesentlich kleiner war, und
daher das Gesundheitsamt einen engeren Aufgabentreis hatte, so tonnte er sich nebenbei noch ausgiebig
dem schulärztlichen Dienst, wie auch dem Schulunterricht für Körperlehre und Schulhygiene und der Ausbildung des Nachwuchses bei der freiwilligen Rettungsgesellschaft widmen. Dr. Steidl wurde auch Vertrauensarzt für die Angestellten der Bundespost und
der Nordlettenbahn. Unterricht erteilte er mit besonderer Vorliebe in der Hilfsschule und seit 1945 auch
in der Lehrerbildungsanftalt. A l s Ergebnis seiner
schulärztlichen Untersuchungen veröffentlichte Dr.
Steidl im „Amtsblatt der Landeshauptstadt I n n s bruck" (193?) eine längere Abhandlung „Der schulärztliche Dienst in den Volks- und Hauptschulen 1935/
36". I n seiner amtsärztlichen Tätigkeit widmete er sich
weiters vorzüglich der Bekämpfung des Rauschgiftmißbrauches. Hiezu veröffentlichte er 1942 in der
Zeitschrift „Der öffentliche Gesundheitsdienst" eine
Arbeit „ Z u r Erfassung und Bekämpfung des Rauschgiftmißbrauches". Ende I ä n e r 1949 übernahm Dr.
Steidl die Leitung des städtischen Gesundheitsamtes,
die er bis zu seinem Ableben innehatte.
Nach dem Jahre 1945 wandte sich Dr. Sleidl vorzüglich der karitativen Tätigkeit d. h. der vordringlichen Bekämpfung der Unterernährung zu. Dank seiner
persönlichen Beziehungen zur Schweiz traf bereits im
Herbst 1945 eine große Hilfssendung an Schweizerkäse, Kondensmilch und Schokolade ein, die hauptsächlich in den Altersheimen zur Verteilung kam- später gelangte Zucker zur Ausgabe. Auf eine gerechte
Verteilung achtete er mit solcher Rigorosität, daß er

Nummer 12

die Lagerbestände beinahe täglich überprüfen ließ. I m
Jahre 19l<> war von Seite der Stadt in Froneben bei
Fulpmes ein Kinderheim für tnbertnlosegesälirdek"
Kinder eingerichtet worden, das 1917 nach Buchung
bei St. Johann verlegt wurde. Das Heim in Froneben
wurde in der Folgezeit als Erholungsstätte für tin
derreiche Mütter verwendet. Alljährlich fanden dorl
etwa 120 Franen in vier Turnussen je einen Mona!
lang einen kräftigenden Urlaub. Voi» Fortschritt der
Kräftigung überzeugte sich Dr. Steidl i» j ^ m Fall
stets persönlich.
Persönlich war Dr. Steidl ein leutseliger, zu heiterer Geselligkeit neigender Mensch, der nie nachträgerisch war. Für die ärmere Bevölkerung, besonders
Schulkinder und Mütter zeigte er größte Hilfsbereitschaft. Auch in seiner Abteilung suchte er stets einen
herzlichen Zusammenhalt aller Angestellten zu erreichen, der besonders bei den Betriebsausflügen ,"i>ir
Geltung kam.
Am düstergrauen Morgen des ^4. November wurde
Dr. Steidl seinem Wunsche gemäß im Ortsfriedhof
zu Oberperfuß, wo er einen Ansitz besaß, zur letzten
Ruhe gebettet. Eine riesige Trauorgemeinde gab ihm
das ehrende Geleite. Der Bürgermeister uno beide
Vizebürgermeister der Landeshauptstadt waren erschienen. Mitarbeiter und Freunde aus den einzelnen
Magistratsabteilungen waren allein in drei großen
Autobussen vorgefahren. Die Polizei hatte eine starke
Abordnung samt Vläserchor gestellt, ebenso die freiwillige Rettungsgesellschaft. Viele Ärzletollegen nahmen teil, ebenso Apotheker, Professoren und Lehrpersonen. Priester aus dem weiten Freundeskreis des
Verewigten verstärkten die Ortsgeistlichkeit. Den
Sarg, den die Schützenkompanie mit Musik begleitete,
trugen Schützen von Oberperfuß. Drei Chargierte der
Studentenverbindung Tyrolia gaben gleichfalls ihrem
einstigen Kameraden das letzte Geleite.
M i t Dr. Steidl verlor die Stadt Innsbruck eine
markante Persönlichkeit.
Dr. K. Echadelbauer.

Erinnerung an Dr. Steidl
cerium in re incerta ccrnitur. Uno war es
nicht eine unsichere, vielleicht peinliche Sache, um 1945
für einen einzutreten? Dr. Steidl hat es unternommen, ungefragt und ungebeten. Es ist nicht mehr als
billig, daß ich ihm das nicht vergessen habe, und auch,
daß ich es nicht für mich behalte.
Freilich, w i r waren seit langher Kameraden, Haben
w i r doch noch in der alten Neruenklinik am I n n r a i n
und in der psychiatrischen Abteilung, dort wo heute
das Schwesternheim ist, und im Ambulatorium miteinander gearbeitet und die Freuden und Leiden des
klinischen Assistenten geteilt. Steidl war ein guter
College, gefällig, anhänglich und stets bereit zu helfen.
Dr. Steidl konnte sich mit äußerster Ausdauer in
einen Fall vertiefen. Ich erinnere mich noch gut an
eine überaus mühsame Sensibilitätsprüfung, die
schließlich dem Dr. Steidl blieb: er aber war ihr gewachsen und eine sichere Diagnose war sein neidlos
gegönnter Lohn.
Dr. Steidl beherrschte die neruenärzlliche Unter
suchungstechnik wie nicht gleich einer, und auch in spä

teren Jahren, er war schon längst Stadtphysitns.
konnte ihn nichts so entrüsten wie ein unzulänglicher
oder fehlerhafter ueurologischer Bcfund.
Dr. Steidl hatte den richtigen ärztlichen Ehrgeiz und
ich weiß es noch heute, wie wir die Köpfe hängen
ließen, als uns einmal E. Mayr bei der Hauptvisite
befriedigt lächelnd nachwies, daß die jahrelang bestehende Lähmnng beim Mädchen R. R. psychoge» lind
nicht organisch war.
Auch der Psychiatrie galt sein Eifer. Als er schon
Amtsarzt war. haben w i r uns ab und zu über ei in»
Befund und über die beste Form, in der man die
Schlnßsolgernngen im Gntachten ausdrücken könniV,
besprochen.
Dr. Sleidls Krankengeschichten waren M u j l ^ r ! wir
pflegten von ihnen zu sagen, sie seien genau so ans^
führlich wie nötig, also manchmal sehr kurz lind ande>e Male sehr lang, je nachdem, ob eine eingehende Dar
»lelluug notwendig war oder nicht.
lieber Sleidl. Du fehlst lins, und mit Deiner Fa
milie trällern wir um Dich.
Helmut Scharfetter