Innsbruck Informiert

Jg.2011

/ Nr.4

- S.59

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Aus de m S t a d t a r c h i v / S t a d t m useu m

Der Fall Bederlunger

Eine Ehescheidung im 19. Jahrhundert in Innsbruck

vo n Ger t r aud Z e i n dl

D

ie Ehescheidung um 1850 erfolgte
wie heute nur auf Antrag eines
der Ehegatten, aber anders als
heute nur beim Vorhandensein triftiger
Gründe, die zumeist aber nicht nur gesetzlich bestimmt sein mussten. Solche
Gründe waren nach Lehre der Kirche:
Ehebruch und „bösliche Verlassung“. Nach
den weltlichen Gesetzen kamen je nach
Rechtslage weitere Gründe für eine Ehescheidung hinzu. Trotz der vorhandenen
rechtlichen Regelung war eine Ehescheidung im 19. Jahrhundert in Innsbruck
nichts Alltägliches und oft mit viel öffentlichem Aufsehen verbunden.

Einen triftigen Grund für eine Ehescheidung lieferte 1849 der Innsbrucker Johann Bederlunger (* 07.02.1804,
† 23.11.1850) seiner Ehefrau Anna geb.
Sterzinger. Nach mündlicher Überlieferung soll Johann Bederlunger „zu einer schönen Bauerntochter in Natters in
heißer Liebe erglüht“ sein. Diese schöne
Bauerntochter soll sogar ein Kind von
ihm erwartet haben. Nach der einen
Überlieferung der Familiengeschichte
hätte Bederlunger ein Gelübde abgelegt,
eine Kapelle zu errichten, wenn kein
Kind auf die Welt käme. Nach der anderen Deutung hätte er „über sein sündiges
Leben Reue und Leid empfunden“ und als
Buße und Sühne eine Kapelle erbauen
wollen. Nachweisbar ist, dass Johann
Bederlunger an der Brennerstraße, dort
wo die Straße nach Natters abzweigt,
eine Kapelle errichten ließ. (1939 musste
dieses Kleinod einer Straßenverbreiterung weichen.)
Auf diese Vorkommnisse hin überreichte Anna Bederlunger ihrem untreuen Ehegatten am 27. Oktober 1849
die Scheidungsklage, die dann auch zur
Ehescheidung führte. Über die Scheidungsvereinbarungen wurde im Verfachbuch des Stadt- und Landrechtes
Folgendes festgehalten: „1. Die Ehegattin
soll von Tisch und Bett geschieden sein, bis
sie sich wieder vereinigen. […]

Hochzeitsfoto,
um 1880

5. Zum Unterhalt der geschiedenen Gattin verpflichtet sich Joh. Bederlunger, einen
jährlichen Beitrag von 220 Gulden R. W. in
Viertel Jahresraten zu zahlen. Ferner erhält
die Ehegattin Freiquartier in seinem Landhaus zu Natters (Bederlungerhof) nebst
freies Holz und den Gartennutzen sowie
täglich eine Maaß Milch für die Tochter
Maria.“

Das Eherecht
Diese Vereinbarungen entsprachen dem
geltenden Eherecht, das zu jener Zeit für
Katholikinnen und Katholiken nur eine
Scheidung „von Tisch und Bett“ vorsah.
Das bedeutete, dass diese Ehetrennung
eine Aufhebung der Ehegemeinschaft
und eine Regelung des Vermögens mit

© stadtarchiv/stadtmuseum

Die Ehescheidung Bederlunger

sich brachte. Die geschiedenen Eheleute besaßen aber kein Recht, sich wieder
zu verheiraten, solange die Ehefrau oder
der Ehemann noch lebten. Aus diesem
Grund heißt es auch am Schluss des
Ehescheidungsaktes Bederlunger: „[…]
verspricht Anna Bederlunger einen solchen
Lebenswandel zu führen, dass ihr Gatte
[…] gegen sie keine gegründete Ursache zur
Klage haben werde. Dagegen verspricht
Joh. Bederlunger gegen seine Frau keine
grundlose Beschwerde zu führen und insbesonders keinen Zwischenträgern und
Ohrenbläsern Gehör zu geben, um so die
Möglichkeit einer baldigen Wiedervereinigung zum Wohle des Hauswesens und der
Kinder anzubahnen.“
Da es beiden Eheleuten nicht erlaubt
war, sich wiederzuverheiraten, war es
für die wenig vermögende Frau sehr
wichtig, dass vor allem hinsichtlich ihres
Unterhaltes eine Entscheidung getroffen
wurde. Denn sie hatte als geschiedene
Frau keine Möglichkeit, durch Heirat
die nötige materielle Versorgung durch
einen neuen Ehemann zu erlangen.
Der Fall konnte sich aber auch umgekehrt darstellen. Wenn die Ehefrau genug Vermögen besaß oder fähig war, für
ihren Unterhalt selbst zu sorgen, musste
der weniger vermögende Ehemann bei
einer Trennung auf Wiederaufnahme
der Ehegemeinschaft pochen. So erging
es auch dem Innsbrucker Kassian Pollendinger, der 1822 seine Ehefrau verlassen hatte. Einige Wochen später reichte
er bei Gericht Beschwerde ein, dass man
seine Ehefrau dazu anweise, „in gemeinschäftlicher Wirthschaft mit ihm zu leben
und nicht für sich allein durch Bewirthung
und Bedienung fremder Leute eine Haushaltung zu führen“. Vom Gericht über
seine ehelichen Pflichten belehrt, kehrte
Kassian Pollendinger schlussendlich zu
seiner Frau zurück.
Im Fall Bederlunger kam es allerdings nicht mehr zur Wiederaufnahme
der ehelichen Gemeinschaft, da Johann
Bederlunger einige Wochen nach der
Scheidung verstarb.

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