Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1954

/ Nr.1

- S.4

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Seile 4

Amtsblatt der Landeskauptfiadt Innsbruck

Wie sieht es mit den Kirche» ans? Konimt man in eine
kleine Ortschaft, möchte man zunächst meinen, daß der Wasserturm der beherrschende Bau der ganzen Gemeinde ist.
Später kommt man darauf, daß das religiöse Leben in verschiedenen Formen tief in der Bevölkerung verwurzelt ist.
37 Millioueu Katholiken bilden die größte geschlossene Religiousgruppe, 4!! Millionen Protestanten sind in vier große
Hanptgrnppcn gegliedert.
Es gibt kleinere Städte nut 100.000 Einwohnern, die
20 bis AO Religionsgemeinschaften verzeichnen. I n Washington besuchte ich die Leitung der Katholischen Aktion (Catholic Weifare). Die Front des Hanfes zeigte eine riesige
Ehristnsstatnc. Nachdem ich länger ini Lande war, störte es
mich nicht mehr, daß ich in einer Kirche las, diese nnd jene
religiöse Übung wäre ein „good investment". Es ist ja auch
in der Heiligen Schrift von „Schätzen im Himmel" die Rede.
Nie Bevölkcrnng ist den Religiousgesellschaftcn gegenüber
sehr entgegenkommend eingestellt. (3s gibt kein Hotel, in
welchem nicht die Gottesdienste sämtlicher Rcligionsgesellschaften verzeichnet sind; ja sogar das Telephonbnch (ein
Adreßbuch in unserem Sinne ist drüben nnbckannt, es gibt
anch kein polizeiliches Meldewesen) enthält ein Verzeichnis
der Religionsgemeinschaften. Bei der katholischen Kirche
sind die Sonntags- nnd Werktagsmessen, die Neichtgclegenheiten nsw. genan angeführt, eine nns ungewohnte, aber
sehr zweckmäßige Einführung,
E i n seltsames nnd ergreifendes Bild ist es, wenn in den
Hänserschlnchten von Ehieago, zwischen den Wolkenkratzern,
die Heilsarmee auf den Gehsteigen musiziert nnd sich mitten in diesem Trubel des Lebens mit Predigten an die Vorübergehenden wendet.
Wie verschafft sich der Amerikaner sein Wissen? Eine
große Zahl Bibliotheken, reich dotiert, sind im ganzen Lande
öffentlich uud jedermann ohne Legitimation zugänglich.
Wer ein Buch mitnehmen will, muß sich legitimieren. Sonst
kann er sich ohne Legitimierung von 8 Uhr früh bis 1 abends dort aufhalten.
Au einem Samstaguachmiltag spazierte ich allein laugsam durch Chicago, über den Bahnhof, wo sich neben den
Wartesälen ein Spiclsalou befindet, in die Kongreßbibliothck, die derzeit mit 10 Millionen Bänden die größte B i bliothek der Welt sein dürfte. Antoren nnd Gegenstände der
Bücher finden sich im Zettelkatalog, der große Säle ausfüllt, kuutcrbnnt durcheinander, wie es dem Wesen des
Krenzkatalogcs entspricht. Ich schlug „Innsbruck" nach nnd
fand das Bilderhcft von Sickert sowie die Eröffnungsreden
des Gemeinderatcs ans dein Jahre 1946. Ich bestellte diese
Werke, nach 30 M i n u t e n hatte ich sie in Händen. Es wurde
mir erklärt, daß an diesem Samstagnachmittag weniger
Personal anwesend wäre. Inzwischen hat der Stadtrat beschlossen, die Lücken unter den Werken über Innsbruck durch
Büchcrspcuden an die Kongrcßbibliothek wettzumachen.
W i r besichtigten einige Schulen. I n den Bestrebungen,
das Schnlalter hinauszusetzen, ist man nns drüben weit
voraus. I n allen Staaten herrscht Schulpflicht. I n den
meisten bis znm vollendeten 16. Lebensjahr, in drei Staaten
bis zum 17. nnd in vier Staaten bis zum 18. Lebensjahr.
Das Ziel, allen Kindern cine ante Ausbildung für den
Lebenskampf zn ermöglichen, wird sehr hoch eingeschätzt.
Befinden sich die Schnlen in einer gewissen Entfernung von
der Wohnnng, so hat die Gemeinde die Pflicht, die Kinder
mit einem Schnlantobns kostenlos hin- nnd znrückzubefördcru.
Es gibt drüben 110O Universitäten. Nach diesem Maßstab
müßten w i r in Österreich deren 5,0 haben,. Die hiesigen und
die dortigen Universitäten können jedoch nicht restlos verglichen werden. Um die Bedcntnng einer einzelnen Universität beurteilen zn können, ist deren genaue ^teuutnis notwendig.

Die Ausstattung der Schulen ist nach unseren Begriffe»
verschwenderisch. Material steht in Hülle und Fülle zur
Verfügung, ebenso Geldmittel. Da bekommt mau vor nn«
serrr Wissenschaft Achtung, die im Verhältnis ärmlich aus«
gestattet ist nnd doch auch gute Ergebnisse erhielt.
Manches Studium ist auch drüben nicht leicht. I n der
kalifornischen Landcsuniversität in Berkeley habe ich Prof.
Ehrenzweig, einen Sohn des bekannten Vei"sicheruugsgelehrtcu glcicheu Namens, besucht. Auf die Frage, wie es mit
seiner Literatnr aussähe, führte er ans, daß das Rechtssystem dnrch die große Einwanderung ans den englischen
Gebieten maßgebend beeinflußt wurde. Viele Rechtsnormen
seien nicht in Gesetzen niedergelegt, sondern ans der SpruchPraxis der Gerichte entstanden. Er zeigte mir eine Samm°
lnng von 20.099 Bänden, in denen die gerichtlichen Entscheidungen der 48 Staatsgerichtshöfe uud des Buudesgcrichtshofcs verewigt sind. W i r haben es also in mancher
Hinsicht leichter.
Theater haben w i r nicht besucht, weil dazu ciuc größere
Kenntnis der Landessprache notwendig gewesen wäre. I m merhin waren w i r ans Innsbruck stolz, als w i r in S t . Lonis
feststellten, daß dort drei Monate im Jahr ein eigens zusammengestelltes Ofternenscmble gastiert, sonst aber keine
Oper vorhanden ist.
Was wir hier in Enropa von I ^ / V kennen, ist hauptsächlich der F i l m . Es gibt Filmpaläste i» verschwenderischer
Ausstattnug. I n St. Louis, einer Stadt mit 800.00« Einwohnern, befindet sich ungefähr drei viertel Stunden von der
Stadtmitte entfernt ein Kinopalast mit :",W Sitzplätzen.
Die technische Ausgestaltung der Filme ist wunderbar; großartig sind vor allem die Knltnrfilme, die w i r leider hier
nie zn sehen bekommen; es scheint, als ob w i r nur die
schlechtere Hälfte der amerikanischen Filme sehen, die besseren aber nns vorenthalten werden. So kommen zn nns meistens Filme, in denen mindestens dreimal je 5 Minuten
gcbor,t nnd viermal geschossen wird. W i r haben es drüben
beklagt, daß die gntcn Filme bei nns nicht gezeigt werden.
Was die Zcitnngen betrifft, sind Auflage und Verbranch
für unsere Begriffe unerhört hoch. Die Ausstattung ist, was
die Menge des verwendeten Papiers anlangt, für uns unvorstellbar. Die Sonntagsnnmmcrn der großen Zcitnngen
sind oft über ein ."itilo schwer nnd umfassen 200 bis AOO
Seiten. Allerdings enthält jede Seite, selbst bei der „New
Nurk Times", mindestens zwei Drittel Annoncen.
Die ernsten Zeitnngen bieten eine ungeheure Fülle von
Stoff. Die „New ?)ork Times", die anch in Enropa bei nns
zn haben ist, bildet eine Fundgrube über das Weltgeschehen
und ist mit einem monatlichen nnd jährlichen Inder, versehen; anßcrdcm besteht eine eigene Ausgabe in gutem Papier und sogar in Mikrofilm.
Etwas hat mir an den Zeitungen wenig gefallen. Schon
in den englischen Zcituugcn kann mau den Ausgaug jeder
Ehescheidung lesen, weiters, daß N . N. von seiner Frau
wegen Ehebruchs geschieden wurde und wcr aiu Ehebruch
beteiligt war. Drüben geht man noch etwas weiter. I n einer
Zeitung laS ich, daß vor Gericht ein bekannter Fnßballstar
als außerehelicher Vater iu Anspruch genommen wurde;
man konnte weitschweifig lesen, wie, wann nnd wo er Gelegenheit gehabt hatte, der Klage gerecht zu werden.
Bei nns werden Ehescheidungen grundsätzlich unter Ausschluß der Osseutlichleit behandelt und siud daher den Zeitungen überhaupt uicht zugänglich; drüben scheint es bei
diesen Gerichtsverhandlungen nur ansuahm^wcise einen
Ausschluß der Öffentlichkeit -,n geben.
Eine besondere Eigenart dci ^cilungeii bilden die sarbigeu Bilder („comics"), die iu jeder Numnicr 20 bis."!<> vcr<
schiedene Geschichten behandeln. Von jeder (beschichte wird
nur ein Streifen gebracht, man muß also 20 bis AO Nnm»
mern verfolgen, um die ganze Geschichte zu erfahren. Ich