Innsbruck Informiert

Jg.2008

/ Nr.5

- S.48

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STADTGESCHICHTE

Die Sellrainer Wasch"
Es ist e r s t r u n d 30 Jahre h e r , dass d i e l e t z t e n F u h r e n m i t s a u b e r e r
W ä s c h e v o n S e i l r a i n nach I n n s b r u c k g e b r a c h t w u r d e n . V o r d e r
H e i m f a h r t l e g t e m a n d i e e i n g e s a m m e l t e S c h m u t z w ä s c h e auf.
Einer der letzten Fahrer war der
heutige Seilrainer Bürgermeister Norbert Jordan. Er erinnert sich:
„Als Bua bin ich mit meinem Vater
Lambert Jordan noch mit dem Gaul
nach Innsbruck gefahren, am Schluss
mit einem Lastauto. Beim Weißen
Rossi in der Kiebachgasse waren
Handwagen eingestellt, mit denen
w i r die saubere Wäsche in die einzelnen Stadtteile ausgeführt und die
Für das Stadtarchiv/Stadtmuseum
von Winfried Hofìnger
schmutzige eingesammelt haben. Besonders steil ist mir da die Höttinger
Gasse in Erinnerung. Bevor man die
Wäsche daheim gewaschen hat, hat
man nachgeschaut, ob wohl alles,
was in einem Pack drinnen ist, markiert war - ein blauer Stern, zwei gelbe Fäden usw. Gewaschen wurde
nicht in der Melach, sondern in den
Waschhütten bei den Häusern, also
mit Quellwasser, das bei uns auch ganz
,weich" ist. Als Kinder hatten w i r die
zur Bleiche ausgelegte Wäsche regelmäßig mit der Gießkanne zu besprühen. Das Geld aus der Innsbrucker Wasch" war für viele unserer
Familien die einzige wirklich regelmäßige Geldeinnahme."
Was haben die Männer, außer der
Zustellung, noch getan? Sie haben das
Holz für die Beheizung der Waschkessel beigestellt. Sonst war diese Arbeit, die im W i n t e r besonders hart
war, und die Gesundheit der Frauen
nicht selten dauerhaft beschädigte, fast
ausschließlich Frauensache. W e r es
weiß, findet einzelne Waschhütten
noch in der Nähe der Wohnhäuser
stehen; sie sind etwas größer als die
Waschhütten in anderen Orten, weil
oft mehrere Frauen gemeinsam gewaschen haben.
Es waren in Innsbruck nicht nur die

reicheren Familien, die sich in Sellrain
ihre Bettwäsche, die Tischwäsche, Badetücher und Bekleidung waschen
ließen: W e r in einer Altstadtwohnung
hauste, fünf, sechs Personen in zwei
Räumen, ohne ein Recht, den Dachboden oder den Keller zu benützen,
der hatte gar keine andere W a h l , als
die Wäsche „auswärts" zu geben. In
den Bürgerfamilien Innsbrucks, in
W ü t e n genauso wie in Hötting und
Mühlau, w a r es die Regel, die
Schmutzwäsche von Seilrainerinnen
waschen zu lassen. Gebügelt hat man
sie selber; die Seilrainer Wasch" kam
nur ordentlich zusammengelegt an.

hof erbte oder in keinen einheiratete, musste wegziehen. Das tägliche
Auspendeln ins Inntal - heute sind es
rund tausend Personen täglich - war
bei den früheren Verkehrsverhältnissen undenkbar.
Die relative Nähe zur Landeshauptstadt begünstigte den Z u e r w e r b ebenfalls.
Dr. Friedel Berger, jahrelang Leiter
der Pressestelle des Landes, hat in seiner Dissertation zum Thema „Sellrain"
diese landesgeschichtliche Besonderheit ausführlich beschrieben. Als er
seine Arbeit ! 969 bei Professor Kienzl
ablieferte, waren noch sieben Höfe da-

Das Ende kam mit der Einführung
der Waschmaschinen. Und weil die
Seilrainer als Tagespendler mehr verdienen konnten als die paar Schillinge bei der Innsbrucker Wasch". Nun
blieben die Frauen auf den zumeist
kleinen Höfen, betreuten das Vieh und
die Kinder, die Alten und die ersten
Fremdengäste, und die Männer fuhren
zur Arbeit ins Inntal, wenn die erst
I 888 eröffnete Talstraße nicht wieder
einmal vermurt war. Vorher fuhr
man über die Nederseite, über Grinzens, Axams und Götzens nach Innsbruck, oder über Oberperfuss.
Und warum wurde gerade in Sellrain gewaschen?
Im Gegensatz zum harten Wasser,
das aus den Nördlichen Kalkalpen
kommt, ist das Wasser der Seilrainer
Quellen besonders weich - man
brauchte also nicht so viel Zusätze wie
in der Stadt, um einen guten Wascherfolg zu erzielen. Diese Zusätze
kaufte man bis Mitte des 20. Jahrhunderts natürlich nicht im nächsten
Kaufhaus, sondern stellte sie aus der
reichlich anfallenden Asche selber
her.
im Sellrain gab es durch Jahrhunderte mehr Menschen, als dort Arbeit
finden konnten. W e r keinen Bauern-

INNSBRUCK INFORMIERT - MAI 2008

Die Seilrainer Wäscherinnen, Anfang der
1930erJahre beim „Weibeier" (Neder, Grinzens). Arbeitsgeräte waren Seachtlroafn,
Tschapfen (zum Aufgießen der Lauge) und
Bluier.
(Foto: Archiv Dr. Georg Jäger)
mit beschäftigt. In der Blütezeit waren
es fast 60 Höfe, auf denen gewaschen
wurde. Berger führt auch die Preise
für einzelne W a r e n an: „ 1949 betrug
das Waschgeld für ein Handtuch 30,
ein Leintuch 60 und ein Hemd 50
Groschen. 1966, als das Wäschewaschen für Innsbruck langsam ausstarb, verlangte man ungefähr das
Vierfache", so Berger im Reimmichlkalender 2002.

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