Innsbruck Informiert

Jg.2007

/ Nr.11

- S.45

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STADTGESCHICHTE

100 Jahre
Schulärztlicher Dienst
A m 30. N o v e m b e r

1906 w u r d e n die

aller städtischen V o l k s s c h u l e n in e i n e m

H
um 1910.

Rundschreiben
Wilhelm

G r e i l i n f o r m i e r t , dass b e g i n n e n d m i t I. J ä n n e r I 907
alle V o l k s s c h u l k i n d e r s c h u l ä r z t l i c h u n t e r s u c h t w e r d e n .
Diese A u f g a b e fiel d e n A m t s ä r z t e n des G e s u n d h e i t s a m t e s z u .
D a m i t w a r Innsbruck die erste G e meinde des heutigen Österreich, welche
diese Untersuchung durchführte. Als
zweite d o k u m e n t i e r t e Gemeinde hat
B e r n d o r f ( N Ö ) ab d e m Schuljahr
Für das Stadtarchiv/Stadtmuseum
von SR Mag.a iur. Dr. med.
Doris Renner, Stadtphysika
1907/08 den Schulärztlichen
eingeführt.

Dienst

W i e wichtig diese Maßnahme war,
zeigte sich daran, dass bei den U n t e r suchungen m e h r als die Hälfte der untersuchten Kinder aufgrund von ungünstigen Milieuverhältnissen unterernährt
und/oder blutarm waren. Besonders die
Hygiene ließ damals sehr zu wünschen
übrig. Deshalb w u r d e n in den Volksschulen Brausebäder f ü r die Kinder
eingerichtet. Das erste Brausebad ging
1909 in der VS Pradl in Betrieb.
Infektionskrankheiten schwächten die
Kinder noch mehr, so dass diesbezüglich Aufklärungskampagnen bei Lehr e r n und Eltern durchgeführt w u r d e n .
Es k o n n t e n z.B. I 5 % aller an Scharlach
e r k r a n k t e n Kinder nicht g e r e t t e t w e r den, auch die D i p h t h e r i e f o r d e r t e viele Todesopfer. Erst m i t der Einführung
von Impfungen und insbesondere durch
die V e r w e n d u n g des Penicillins haben
diese Infektionskrankheiten seit dem
Z w e i t e n W e l t k r i e g ihren Schrecken
verloren.
Das auch heute i m m e r w i e d e r aufflackernde Kopflaus-Problem w a r in
den Anfangen des Schulärztewesens in
Innsbruck alltäglich.
Im Jahr 1911 w u r d e bereits m i t U n tersuchungen für eventuell zurückzustellende noch nicht schulreife Kinder
begonnen.
1912 w u r d e die schulärztliche Tätigkeit auf die Bürgerschulen (das sind die
spateren Hauptschulen) ausgeweitet.

Gerade in den Jahren nach dem Ersten
W e l t k r i e g w a r der Ernährungs- und
Gesundheitszustand der Kinder sehr
schlecht, so dass vor allem von den Amerikanern 1922 Schulausspeisungen für die
schwächsten K i n d e r z u r Kräftigung
durchgeführt w u r d e n , welche allerdings
eine erhebliche Zahl von Bedürftigen
nicht erreichten. Die Kinder erhielten zur
Behandlung der w e i t verbreiteten Rachitis auch Lebertran verabreicht. Alle
diese Maßnahmen w u r d e n von den
Schulärzten organisiert und durchgeführt
Ebenfalls 1922 w u r d e von Prof. D r .
Hayek der Tuberkuloseverein für T i r o l
gegründet und die Kinder auf diese
schwere Krankheit gezielt untersucht.
Zunächst w u r d e n die Kosten hiefür
v o m Land T i r o l getragen, ab dem Jahr
1939 w u r d e für die Innsbrucker Bevölkerung die Tuberkulosestelle von der
Stadt Innsbruck ü b e r n o m m e n .
In den ersten Nachkriegsjahren des
Z w e i t e n W e l t k r i e g e s e r r e i c h t e n die
Tbc-Erkrankungen bei den Kindern eine
derart beängstigende Höhe, dass der Gemeinderat der Stadt Innsbruck aufgrund
der Stellungnahme des Gesundheitsamtes beschloss, für Tbc-gefährdete Kinder
eine v o m Gesundheitsamt organisierte
Sommererholung zu bezahlen. Die A k tion begann 1948 im Almgasthof „Frohne b e n " in Fulpmes im Stubaital. V o n
1949 bis 1954 w u r d e n die Kinder ins
H e i m „ B u c h w i e s " o b e r h a l b v o n St.
Johann in T i r o l geschickt. Innerhalb w e niger Jahre besserte sich der Gesundheitszustand der Kinder derart, dass nicht
mehr jahresdurchgängig die 4-wöchigen
Turnusse angeboten w e r d e n mussten.
A b e r nicht nur Infektionskrankheiten
und Unterernährung spielten eine große
Rolle, auch dem damals aufgrund Jodmangels w e i t v e r b r e i t e t e n K r o p f w u r d e
der Kampf angesagt 1923 wurde die Jodprophylaxe in Ö s t e r r e i c h ins Leben gerufen.

INNSBRUCK INFORMIERT - NOVEMBER 2007

n

»

Freiübungen in der Innsbrucker

Direktionen

v o m d a m a l i g e n V o r s i t z e n d e n des Stadtschulrates

1"

«
Mädchen-Bürgerschule,

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Sign. KR/PL-1408)

In Innsbruck begann das G e s u n d heitsamt im gleichen Jahr eine Schokolade-Jodostarintablettenbehandlung bei
den K i n d e r n .
1927 w u r d e wegen des sehr schlechten Zahnstatus der K i n d e r - ca. 50 % hatten ausgedehnte Karies und Wurzelfaule
— die „Schulzahnklinik" eingeführt indem
ein V e r t r a g m i t d e r Universitätsklinik
Innsbruck unter dem damaligen Vorstand
Prof. D r . M a y e r h o f e r abgeschlossen
wurde. Darin wurde vereinbart dass diese gegen eine Pauschalzahlung der Stadt
die Behandlung von u n b e m i t t e l t e n K i n dern ü b e r n i m m t .
A b 1928 erfolgte die Milchausgabe in
den Schulen, gleichzeitig begannen auch
die Reihenuntersuchungen der Kindergartenkinder.
D e r Broschüre „ 5 0 Jahre schulärztlicher Dienst in Volks- und Hauptschulen"
v o n Stadtphysikus D r . Leopold U n t e r richter 1957 ist zu e n t n e h m e n , dass es
auch während des 2. Weltkrieges Schuluntersuchungen gab.
Unterlagen über d e n Umfang und die
damit verbundene Bedeutung der
schulärztlichen Untersuchungen während
der Zeit des Nationalsozialismus sind keine vorhanden.
N a c h d e m I. Bombenangriff auf Innsbruck am 15.12.1943 w u r d e n die meisten Schulen aufs Land evakuiert und dam i t die schulärztliche U n t e r s u c h u n g
v o r ü b e r g e h e n d ausgesetzt und e r s t
1946 w i e d e r aufgenommen.
U m 1955 w u r d e v o m Gesundheitsminister die Fluorprophylaxe zur Z a h n schmelzhärtung in d e n Kindergärten
und Schulen v e r o r d n e t Binnen eines Jahres w a r die Akzeptanz bei den Eltern so
groß, dass 95 % der K i n d e r diese Prophylaxe erhielten.
Die Reihenuntersuchungen zur Erhebung des Gesundheitszustandes der
Kindergarten- und Schulkinder nehmen
auch heute, 100 Jahre nach Einführung
des schulärztlichen Dienstes, einen w i c h tigen Stellenwert ein; einerseits, u m
beginnende Schäden b e i m Kind schnell
der entsprechenden ärztlichen Behandlung zuführen zu k ö n n e n , und andererseits, u m durch Vergleichszahlen gesundheitspolitisch w i c h t i g e Entscheidungsgrundlagen zu liefern.

ßMH

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