Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1952

/ Nr.12

- S.5

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l^

Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

tigt- widerlegen mir dies mit Wort und Vild, treten je
nach Temperament des Zuhörers Ablehnung, Inlereffelosig»
ke"it, Ängstlichkeit oder Anerkennung Zlitage. ^ Ms der
französische Höhlenforfcher Marcel Loubens beiin Auffeilen
aus einer 400 Meter liefen Schachlhöhle durch Seilriß den
Tod fand oder im Schweizer Jura eine Forschergruppe meh<
rere Tage eingeschlossen war, nahm >das Fragen kein c>nde.
Am nun in knapper Form Zeugnis unserer ernsten Ar«
beit abzulegen, sollen die folgenden Abschnitte die c>rleb<
nisse eines Jahres wiedergeben.
Stundenlanger Anmarsch und Ailifstieg, bepackt mit seilen, Rampen, Reserveballerien, Karbid, mindestens doppel»
ter Verpflegung und Winterbekleidung nebst möglichst wasserdichtem Schutzanzug, das sind die Vorfreuden einer
„leichten" Vefahrung. Bei schmierigen Befalirungen bilden
Felshaken, Hämmer und Karabiner, Drahlseilleilern, Rescrueseile, Rebschnüre, Vermessungsgoräte und fallweise die
zwölszackigon Steigeisen zlisätzüche tasten, Ist dann der
Höhleneingang iinnilten der Hochgebirgswelt erreicht, scheiden sich die Geister des Lichtes und der Finsternis: Der
wagemutige Hochtourist strebt auf der mit bewaffnetem
Auge festgelegten Route zu feinem Ziele," der Weg ins
Dunkel aber wwd non Nasserläufen vorgeschrieben, es gibt
kein Auf-weite-Sicht-Lrkunden oder Ausweichen, und jede
Biegiung kann neue Äberraschungen, neue Hindernisse bringen.
Darf ich Sie nun durch unser diesjähriges Arbeitsgebiet führen?
Von Scharnih aus ist die eisfreie Höhle im unteren Auslauf des Vorderkares, im Vorderen plcisengrat, die Nächstliegende und mit der Höhe non 1845 Meter über dem
Meere die unterste. Inmitten einer Latschenblöße, klafft unvermittelt ein ? Meter langer, bis 1 Meter breiter und ?
bis 10 Meter tiefer Schacht, der durch einen erhalten gebliebenen Felsrest zweigeteilt und augenscheinlich durch
«inen Bachlauf der frühen Eiszeit gebildet worden ist.
Am Grunde des Schachtes schließt sich eins nach Westen
abfallende Halle an, deren flachgemölbte Decke im Süden
unter den Bodenschutt absinkt, im Norden jedoch bis 1.30
Meter über den Schotterboden herausragt. Der nur in einer
Breite von 1.50 Meter im Rordtei! der Halle sichtbare Bodenfels ist in gleicher Weise wie die Decke flach gewölbt,
doch fällt er viel steiler nach Süden ab. Je weiter wir aber
nach Westen vordringen, desto niedriger wird die Halle,
bis sie nach einer Länge von 14 Meter auch für den ganz
auf den Boden gepreßten Körper keinen Platz mehr freigibt. c>in fpürbarer Hauch feuchtkalter Luft aus dem innersten Teile läßt uns auf eine Fortsetzung hoffen, wenn — ja,
wenn wir Zeit und Geld haben zu intensiver Grabung und
Zum Abtransport des metertief eingefchwemmten Schotters
in der Halle, zum Aufwinden und zum Ablagern über Tag.
Die große Luftfeuchtigkeit macht sich besonders an den oberen Deckenteilen bemerkbar, indem weiter unten das Gestein mit Tausenden von Taulröpschen übeosäl ist, welche im
Scheine der Lampen wie Diamanten glitzern" gegen den
Schacht hin aber entstanden unter der «linwirkung der von
oben einfallenden wärmeren und trockeneren Luft rosa >und
hellgrün gefärbte winzige Tröpfchen-Stalaktiten, emem
übcrfchneiten Walde ähnlich, welcher von einem hoch flie«
genden Flugzeug aus betrachtet wird. — Dort, wo an der
westlichen Wand des Schachtes die Decke der Halle anschließt, befinden fich merkwürdige Aushöhlungen in Form
von Schüdkrölenpanzern.
I m Scholler wurden mehrere Skelelle kleiner Tiere aus>
gegraben, welche ebenso uur von oben her in den Schach!
gestürzt sein können wie jenes Großlier, dessen Skelett be»
reits in der Tagespresse Erwähnung fand lind mit dem
sich die „Meckerwelle 3" unseres Landessenders befaßte!
W i r aber vermerken am Rande, daß der Fund fich derzeit
zur Art« und Altersbestimmung im Zoologischen Institut der

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Universität München befindet und nach Rücklangen in?
Museum Ferdinanden»! zur Aufstellung gelangt.
M i t dem vorgeschilderlen «liiisliegsschacht und der Halle
aber haben wir nur den äußeren Teil der „Höhle im Vor»
deren pleisengral" befahren. Durch Abgraben des Schotters ini nördlichsten und tiefsten Teile des Schachtes wurde
ein 3 Meter langer Kriechgang geschaffen, durch den ein meist
über 3 Meter breiter und 2 Meler hoher Gang erreicht wird,
der steil nach oben führt und nach mehr als 51 Meter in
einem Verstnrz endet. Kubikmelergrosio Felsblöcke bedecken
den einstigen Boden eines unterirdischen Bachlaufes," fie alle
sind von der Decke losgebrochen, Jahrtausende später, als das
Wasser ihnen ihr Auflager fortgeschwemmt hatte, aker Jahrtausende früher, als ihre Ruhe von Forschern gestört wurde.
Bis 6 Zentimeter starke und über 12 Zentimeter lange Tropfsteine >und dicke Sinterstücke liegen am Boden verstreut"
Decke und Wände sind aber wieder mit neuen Sintern und
Tropssteinen übersät. Aus einer Spalte quillt ein zu Stein
gewordener Wasserfall in reinstem Weiß, dazwischen ziegelrote Flecken eisenhaltigen Gesteins, Sinterplatten wechseln
mit steinernen Karfiolrosen, einzelne Säulchen mit ganzen
Kaskaden oder Vorhängen. Line bis zur Decke reichende
Lehmhalde schließt den Gang ab, wir befinden uns 34 Meter über dem Schachtboden oder rund 26 Meter über «dem
oberen Schachtrand.
Rückkehrend zum Kriechgang, weift dort ein enges Loch
in weitere Tiefen. Erst nach 1.60 Meter freien siendelns mit
den Beinen, nachdem die tastenden Hände noch auf dem
Boden des Kriechganges Halt suchen, landen die Füße auf
dem lockeren Schotter des steilen Ganges. Wer aber nicht
bald an den Wänden Halt sucht, befindet fich rascher am
Fußende dieser 11 Meter langen Rutschstelle, als er beabsichtigte... Der unterste Teil des Ganges liegt zirka 10
Meter tief unter der dem Oinstiegsschacht angeschlossenen
Halle und muß zweifellos zum Boden derselben führen.
Hier wie dort wurden mehrere Skelette von Ragetieren
geborgen. Cine Sinterwawd mit daumenstark hervortretendem Geäder wird von einem breit ausladenden Otalagmiten
gekrönt, der sich in Jahrhunderten mit dem über ihm hängenden schlanken Stalaktiten zu einer frei stehenden Säule
vereinen wird.
Die zweite Höhle im Massiv der 256? Meter hohen pleisenspitze ist die im Hinteren sileisengrat mit der Höhe von
2145 Meter über dem Meere. Unsere „Mitterkarhöhle" ist
schon von weitem sichtbar," ihr 12 Meter breites und 3 bis
4.50 Meter hohes Portal zeigt die Form eines ^1 mit gebogenen Schenkeln. Schon in der Vorhalle liegen große
Blöcke, im Hintergrunlde aber ist die einst große Öffnung
mit hohen Felstrümmern verschlossen. Rahe der Decke flössen einst, getrennt durch eine schmale Felsrippe, zwei Höhlenbäche nach außen, wovon besonders der rechte Zahlreiche
Auswaschungen in Beckenform aufweist. Jahrtausende später hatten sich beide Bäche im Inneren des Berges vereinigt und tiefer eingeschnitten" so entstand die oben beschriebene Form. Die heutige Sohle und die beiden DeckenHöhlen sind nach wonigen Metern nicht mehr befahrbar, so
daß nur auf den Felstrümmern weiterzukommen ist. —
Der nun folgende Kriechgang birgt zwar in feiner Länge
von 36 Metern nichts Sehenswertes, aber dafür eine rei»
zendo Überraschung: Gerade dort, wo für clllenbogentechnik
kein Platz mehr ist, die Lampe mit vorgestreckten Armen ge«
hallen wird lind das Vorschieben des Körpers nur mehr
mit den Zehenspitzen möglich ist, rinnt von der Decke ein
Wasserstrahl und bildet auf dem Boden eine sisplatle.
Vom Racken, der Wirbelfäule entlang bis zu den Ferfen
„erfrischt", erreichen wir den Grund eines zuckerhulähnlichen Schlotes, dessen schottorbedeckten Boden ein 60 Zentimeter hoher siS"Stalagmit ziert. Dreiviertel der Wände
dieses kreisrunden Schlotes mit einem unteren Durchmesser
von 2.40 Meter sind glatt geschliffen lind leicht überhängend,