Innsbruck Informiert

Jg.2005

/ Nr.12

- S.44

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STADTGESCHICHTE

Virginia Brunner: „Mutter saß
daheim u n d brütete ... Pläne aus"
Die G r ü n d u n g von drei Vereinen, einer Schule und die Mitgliedschaft in d e r „ Ö s t e r r e i c h i s c h e n F r a u e n p a r t e i " m a r k i e r e n den Leb e n s w e g v o n V i r g i n i a B r u n n e r ( 1 8 5 7 - 1 9 4 6 ) in I n n s b r u c k . Sie s e t z t e sich f ü r die A n l i e g e n von berufstätigen Frauen ein und stieß
d a m i t n i c h t i m m e r a u f das V e r s t ä n d n i s i h r e r U m g e b u n g .

** flu

Anna Eugenia Elisabetta Virginia
Hochegger wurde als Tochter eines
Universitätsprofessors aus Innsbruck
in Pavia geboren und lebte durch die
Arbeit ihres Vaters in den verschieFür das Stadtarchiv/Stadtmuseum
von Mag.a Ellinor Forster
densten Städten der Monarchie. In
W i e n besuchte sie die Höhere Töchterschule. 1875 mit ihrer Familie nach
Innsbruck zurückgekehrt,absolvierte
sie die Lehrbefähigungsprüfung und
arbeitete bis zu ihrer Verehelichung
mit dem Universitätsprofessor der

Virginia
Brunner als ^
junge Frau. r f l
(Original JÊÊ
Privatbesitz
Ingrid Brunner)

schule in der Sillgasse 17 eröffnet, die
wegen Raummangels nach zwei Jahren in die Tempistraße 10 umzog.
Während die W i e n e r Frauenbewegung sie deshalb in höchsten Tönen
lobte, klingt die Erinnerung ihres
jüngsten Sohnes in seinen Memoiren
weniger verständnisvoll. „Unermüdlich sei die Mutter mit Sammelbögen
zu allen erdenklichen Leuten und Geschäften gelaufen, um das Geld dafür
zusammenzubringen. Zwar hätte es
geklappt, aber sie sei deshalb auch
von vormittags bis neun Uhr abends
aus dem Haus gewesen und der ganze
Haushalt blieb dem Dienstmädchen
überlassen. Schließlich habe der Statthalter den Vater zu sich berufen, um
ihm mitzuteilen, dass die Schule von
öffentlichen Mitteln als .Staatliche
Virginia Brunner mit ihren Söhnen Karl
Gewerbeschule für Haushalt und Hound Walter.
telgewerbe"
weitergeführt werden
(Original Privatbesitz Ingrid Brunner)
sollte. Das Vereinsvermögen werde
zurückbezahlt und für Virginia BrunChemie Dr. Karl Brunner als städtiner sei eine .goldene Verdienstmesche Lehrerin.
daille für ihre selbstlose Tätigkeit"
Vor genau 100 Jahren gründete sie
vorgesehen. Dr. Karl Brunner sollte
den „ T i r o l e r Hausfrauenverein", der
als Staatsbeamter auf seine Frau eindie „practi sehe Ausbildung des weibwirken, dass keine Widerstände zu
lichen Geschlechtes" für Haushalt
erwarten sind. Natürlich gab es Träund Beruf beabsichtigte. Dazu wurde
nen, aberVater war froh und ich kann
auch eine Koch- und Haushaltungs-

20

nicht sicher sagen, ob nicht gute
Freunde, die diese Sache ansehen
mussten, diesen Schritt des Statthalters verursacht haben."
1911 rief sie mit gleich gesinnten
Frauen in Innsbruck eine Zweigstelle der „Vereinigung der arbeitenden
Frauen" ins Leben. Im Vereinslokal in
der Müllerstraße 7 wurden neben
Sprechstunden auch Sprachkurse
(Englisch, Französisch. Italienisch) und
Unterricht in Maschinschreiben und
Stenografie für Mädchen und Frauen
angeboten, um ihnen den Einstieg und
das Fortkommen im Berufsleben zu
erleichtern. Die Sicht des Sohnes dazu: „Endlose Vorträge. Abende mit
Unterhaltung, Fortbildungskurse,
Sprachunterricht und alles Mögliche
wurde geboten, und da war meine
Mutter wieder einmal Präsidentin."
Als sich im Ersten Weltkrieg die
Knappheit der Lebensmittel abzeichnete, initiierte sie die Innsbrucker
Ortsgruppe der „ R O H Ö - Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs". Durch die Organisation der
Konsumenten sollte eine billigere Beschaffung der wichtigsten Lebensmittel und Bedarfsartikel möglich sein
und so eine Verbesserung der Haushaltsführung des Mittelstandes herbeigeführt und weitere Verteuerungen möglichst vermieden werden.
Noch mit 74 Jahren engagierte sich
Virginia Brunner in der von Marianne Hainisch gegründeten „ Ö s t e r reichischen Frauenpartei", die 1931
zur Ergänzungswah! in den Innsbrucker Gemeinderat antrat.
Im Alter von 89 Jahren starb Virginia Brunner. Die Erinnerung an ihr
fortschrittliches Engagement hat sich
t r o t z des zeitgenössischen W i d e r stands und Unverständnisses.weil sie
nicht nur das Leben einer Ehefrau
führte, die sich ausschließlich um die
Familie und den Haushalt kümmerte,
über ihre Enkelinnen und Urenkelinnen erhalten.

I N N S B R U C K I N F O R M I E R T - DEZEMBER 2005