Innsbruck Informiert

Jg.2002

/ Nr.12

- S.38

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SOZIALES

Weihnachten: Auf der Straße
zählt n u r das Überleben ...
Es ist V o r w e i h n a c h t s z e i t : H e k t i k u n d Stress b e h e r r s c h e n v i e l f a c h
d e n A l l t a g d e r M e n s c h e n . So v i e l ist n o c h z u t u n , z u b e s o r g e n
u n d v o r z u b e r e i t e n . D o c h m i t t e n u n t e r uns, n e b e n uns l e b e n
M i t b ü r g e r / i n n e n , d i e sich t ä g l i c h d a r u m s o r g e n m ü s s e n , o b sie
i h r e F a m i l i e a u s r e i c h e n d e r n ä h r e n k ö n n e n , o b sie i h r e
Arbeitsstelle behalten bzw. eine neue finden,
w o sie d i e k o m m e n d e N a c h t schlafen s o l l e n ...
W n wünschen uns Frieden für diese
Welt und besinnlicheWeihnachten: Besinnen wir uns darauf, dass Friede Toleranz voraussetzt.Verständnis für alle
Mitmenschen, gleich welcher Abstammung, Hautfarbe oder Religionszu-

trauen und Zusammenhalt in einer
Gemeinschaft haben viele der Betroffenen erst sehr viel später kennen
gelernt: Zunächst auf der Straße und
danach im Alexihaus.
Die Ursachen für Obdachlosigkeit
können aber auch viel banaleren Ursprungs sein.
Herr J. (51 ) hatte es trotz
schwierigster
Kindheit,
„Ich wurde nur hin und her
geschoben",
geschafft,
führte ein ganz normales
Leben, ging Arbeiten, hatte
Frau und Kinder. Dann
kam
die
Scheidung.
„Natürlich blieb die Frau
mit den Kindern in der
Wohnung" - Herr J. hatte

Besonders in der kalten Jahreszeit ist das Leben fur Ob- s e i n H e i m u n d s e i n e F a m i "
dachlose hart. Das Überleben wird zur Herausforderung, lie verloren.
Selbst ein Sportunfall
gehörigkeit, gleich ob arm oder reich,
kann in den Teufelskreis der O b dachlosigkeit führen. Bis zu seinem
behindert oder nicht behindert...
40. Lebensjahr hat Herr Johann (52)
Das Leben hat im Innsbrucker Alestets gearbeitet, in seinem erlernten
xihaus ehemals obdachlose Menschen
Beruf als Glaser, im Baugewerbe und
mit sehr unterschiedlichen Schicksaals ausgebildeter Schilehrer auch in
W i n t e r s p o r t z e n t r e n . Seine LeidenHerr J. (51): In den
Familien
schaft, das Schifahren, wurde ihm zum
herrscht
zu viel Streit
wegen
Verhängnis. Ein Sportunfall: Die körGeld und Alkohol.
Besonders
zu
perlich schwere Arbeit am Bau war
Weihnachten
...
nicht mehr möglich. Keine Arbeit, kein
Geld, keine W o h n u n g , keine A n len zusammengeführt, und dennoch
gehörigen mehr: „Ich wurde Wagscheint es einen „ r o t e n Faden" zu gegonmieter..."
ben, der die Lebensgeschichten mitNach dem Leben unter der Sil!einander verknüpft: Es war keine Fabrücke, auf der Straße oder, wenn sich
milie da, die sie aufgefangen, unterdie Gelegenheit bot, eben im Zugstützt oder Halt geboten hatte.
waggon, fanden beide für einige Zeit
Bei vielen fehlte diese GeborgenUnterkunft im Alexihaus, das beide
heit als substanziclle Stütze bereits
trotz eigener kleiner Wohnung imim Kindes- und Jugendalter. Liebe,Ver-

mer noch als „Zuhause" bezeichnen
und das immer noch den zentralen
Lebensmittelpunkt bildet. Hier sind
ihre Freunde, ihre Berater und Vertrauten, die Sozialarbeiter, hier bekommen sie zu essen. Auch die Verwaltung ihrer kleinen Pensionen haben sie freiwillig an das Alexihaus
übertragen: „ Z u r besseren Einteilung."
Frau E. (46): Ich erinnere
mich
an einen Weihnachtsabend
... i n
der Altstadt...
mit zwei
Gipsbeinen und einem Rollwagen
unterwegs
... alleine
...
niemand
sonst war auf der Straße... in allen Fenstern brannte Licht...
ich
habe gebetet:
Lieber Gott
hilf
mir, sonst frieren mir die Beine
ab... In der Uni-Garage
habe ich
auf einem Schotterhaufen
Platz
zum Schlafen gefunden
...Zugedeckt mit Zeitungen
...Wenn du
auf der Straße bist, denkst
du
nicht
an Weihnachten
... nur
Überleben
ist wichtig
...
Mit 46 Jahren blickt Frau E. ihrer
Zukunft ängstlich entgegen. Der A n trag für eine eigene kleine Wohnung
ist gestellt, und der Tag. an dem sie das
Alexihaus nach sieben Jahren verlassen wird, rückt näher. Angst. Gewalt,
Hilflosigkeit und Enttäuschungen haben bisher ihr ganzes Leben geprägt.
W e r ihre Lebensgeschichte kennt,
weiß, dass globale Vorurteile gegenüber Obdachlosen, „die sind selbst
schuld daran", meist keine Berechtigung haben. W i e kann sich ein Baby
dagegen wehren, von seiner Mutter
„weggegeben" zu werden?Wie hätte
sich ein siebenjähriges Mädchen zu
einer Zeit, „in der es nicht gab, was
es nicht geben durfte",gegen dieVergewaltigung durch den Stiefvater und
seine Freunde wehren sollen? W e r
hätte sie mit acht Jahren davor be(Fortsetzung auf Seite I 7)

I N N S B R U C K I N F O R M I E R T - DEZEMBER 2002