Innsbruck Informiert

Jg.2001

/ Nr.4

- S.42

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Nachhaltige Landwirtschaft
und gesunde Nahrungsmittel
Die Krise in der Landwirtschaft ist da, der Jammer groß. BSE, Maul- und Klauenseuche, immer wieder (auch jetzt noch, wie Tests der AK und andere Kontrollen beweisen) falsche Angaben über Herkunft und Inhalte sowie die in
verschiedenen Fernsehsendungen gezeigten Wahnsinnsbilder von Tiertransporten und Tierhaltungsszenarien lassen uns den Appetit vergehen. Zum
„Handkuss" kommen auch die Unschuldigen, jene, die wir am meisten brauchen: unsere Bauern.
Bei einem Pressegespräch hat Bürgermeister Dr. Herwig van Staa gemeinsam mit Prof. Ing. Josef Willi die
Sorge über die Entwicklung der Landwirtschaft zum Ausdruck gebracht.
Prof. Willi ist Naturschutzpreisträger,
Konrad-Lorenz-Preisträger und der Vater des biologischen Landbaus in Österreich in Ausbildung und praktischer Umsetzung. Seit seiner Pensionierung leitet er ehrenamtlich das Studienzentrum
für Agrarökologie.
Prof. Willi bezeichnet als Ursache der
Krise die Steigerung der Mengenerträge mit zu wenig Rücksicht auf die möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Pflanze bzw. Tier, auf die innere Qualität der Lebensmittel und auf die
Umwelt. Es sei dies die Folge der speziellen Denkweise von Spezialisten, die

A

usgerechnet in einer Zeit der
Krise ist das Institut für Alpenländische Land- und Forstwirtschaft mit dem Studienzentrum für
Agrarökologie, das seit 25 Jahren unermüdlich auf dem Gebiet der Ökologisierung, der gesunden Nahrungsmittel und einer vernünftigen und artgerechten Tierhaltung tätig ist, von einer Auflösung bedroht. Ein „Aus" dieses Instituts müsse angesichts seiner
Leistungen in den letzten 25 Jahren
auf alle Fälle verhindert werden, so
Bürgermeister Dr. Herwig van Staa.
„Es muss weiterhin eine Stelle in
Österreich geben, die sich wissenschaftlich nicht nur der Berglandwirtschaft widmet, sondern sich auch als
ökologisches Gewissen erweist."
Tatsache ist, dass dieses Innsbrucker Institut in Wort und Schrift immer wieder gefordert hat: W e g von
den Massensystemen, die eine Haupt-

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mit einem Verlust von Nachhaltigkeit in
der Landwirtschaft verbunden sind.
So billig wie möglich, so viel wie möglich, war und ist leider immer noch vielfach das Motto der europäischen Agrarpolitik. Immer noch mehr Kraftfutter, immer noch mehr Düngung. Das Ungeheuerliche: Tiere und Felder, also unsere Nahrungsmittel, wurden zu Problemstoff-Entsorgern (Tiermehl, Klärschlamm etc.). Über allem steht der
Profit, die Bauern wurden großteils zu
Subventionsempfängern degradiert
und dem Weltmarkt und einem fragwürdigen Fortschritt geopfert - warnende Stimmen wurden nicht gehört.
Bringt die Krise ein Umdenken, ist sie
eine Chance? Die Chance für Europa:
Wieder kleine überschaubare Einheiten, so wie es sie in Tirol vielfach noch
Ursache für die derzeitige Situation
sind, keine Beisetzung von Antibiotika
der Tiernahrung, keinen Klärschlamm
auf Ackerböden!
„Es wäre Europa viel erspart geblieben, wenn man die Innsbrucker
Forderungen umgesetzt hätte, so van
Staa. Der Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft müsse nun Vorrang eingeräumt werden. Vor allem
sei auch die Schaffung einer Institution notwendig, der die Ökologisierung
der Landwirtschaft anvertraut ist. Diese müsste für das „Ganze", für die
ökologische Stimmigkeit der Agrarförderung und Agrarpolitik verantwortlich sein. Darüber hinaus sei eine
verstärkte und bessere Information
der Konsumenten über die Landwirtschaft und vor allem über die Einflüsse der Erzeugungs- und Verarbeitungsmethoden auf die Qualität der
Lebensmittel erforderlich. (WW)

gibt, anstatt riesiger Tier-, Gemüse- und
Getreidefabriken. Der Wert des Bauernstandes und seiner Produkte muss
wieder zunehmen. Durch die Erhaltung
der Kulturlandschaft sind verantwortungsbewusste Bauern auch Hüter für
eine gesunde Umwelt und für die Naherholungsräume.
Auch die Konsumenten könnten einen Beitrag leisten: Mit etwas mehr Solidarität könnten sie den Markt verändern, wenn sie bewusst einkaufen, einheimische Produkte vorziehen, die Herkunft hinterfragen und bereit sind, für

Überall gibt es
die Bauernmärkte
Lebensmittel aus artgerechter Tierhaltung und ökologischem Anbau mehr zu
bezahlen. Das Angebot ist da, überall
gibt es die Bauernmärkte. Besonders in
Tirol haben wir die Chance, qualitätvolle Produkte aus der Landwirtschaft zu
bekommen. Auch die Hôtellerie und
Gastronomie sollte sie nutzen. Der Bauer sollte für die Qualität seiner Produkte und nicht für die Quantität bezahlt
werden.
Prof. Willi räumt jedoch ein, dass man
die Verantwortung sowohl für die Qualität der Lebensmittel wie auch für die
agrarischen Produktionsverfahren nicht
allein vom Kaufverhalten der Konsumenten abhängig machen dürfe. Die
Hauptverantwortung trage die Agrarpolitik. „Es kann doch nicht sein, dass
die Konsumenten besser wissen können, was für die Qualität und Umwelt
besser ist, als die Experten", so Willi.
Innsbruck ist übrigens die größte
Agrargemeinde Tirols. Die stärksten
Ortsbauernschaften gibt es in Hötting
und Arzl. Bereits 1996 wurde von der
Stadt ein Landwirtschaftskonzept in Auftrag gegeben, durch das die Situation
der Landwirtschaft und der Bauern in
Innsbruck aufgezeigt wurde. Als wichtigste Forderungen wurde dabei die Existenzsicherung der Bauern und die Förderung einer umfassenden Ökologisierung der Landwirtschaft erhoben. (WW)

INNSBRUCK INFORMIERT - APRIL 2001