Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1950

/ Nr.4

- S.3

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Nummo l

Vandcoliauptstadt

Da^> Politische ^eben bringt alleile, nnd vielgesial
tige Gruppen und Splitter hervor, die oft von einer
Laune des Augenblicks geboren, früher oder später sich
wieder verwandeln oder von der Bildfläche verschwin
den. Die beiden großen Parteien jedocli, die in diesem
Staate vertreten sind, sind in meinen klugen Wirt"
liche Parteien, deren Ailfgabe und Pflicht es ist, sich
einander in ^panniing ;u halten, wie die Kraftfelder
einer ^iagnetnadel zwischen beiden P^Ien in ^Pan
nnng stehen müssen, lvenn die Kompaßnadel
nn
beirrt immer nach der selben Richtnng, nach vonoärts
»veisen soll.
v"sch halte es keiilesioegs für ein schlechtes Vorbei
cl>en, das; diese beiden großen Parteien beinahe in glei
cher Alarle hier im Saale vertreten sind, denn die
Gegellsätze dieser beideil Parteien liegen ja auf einer
ganz anderen Ebene als der oberflächliche Beobachter
meist glanbt; diese Gegensätze werden nie aus der
Welt geschafft werden können, sie brauchen aber anch
nie ein nnübersteigliches Hindernis zu bilden. N e beiden großen Parteieil find ja nichts anderes, als das
änßere Spiegelbild der tiefen Sehnsüchte, die in jedem
Menschenherzen wohnen, samt ihren polaren Gegensätzen: der Sehnsucht nach Freiheit ans der einen nnd
der Sehnsucht nach Sicherheit nnd Geborgenheit anf
der anderen Seite. Freiheit ist die Atemlnft, die der
Mensch braucht, nm sich als Mensch zu fühlen; aber
die Atemluft der Freiheit kann sehr leicht vergiftet
werden, wenn die Freiheit der einen zur Sklaverei
der anderen führt.
Sicherheit und Geborgenheit für die Fälle der
Krankheit, der Not, der Wirtschaftskrise, Sicherheit
und Geborgenheit in der Gemeinschaft gehört zu den
größten uud bestechendsten Parolen der Gegenwart.
M e r sie kann anch ein gefährliches Betänbnngsmittel
werden, und vor allem, sie verlangt einen hohen Preis
— die Freiheit. Und so kann anch die Erfüllung dieser Sehnsucht zin Sklaverei führen.
I c h >glaübc, w i r müssen uns alle darüber klar sein:
kollektive Sicherheit braucheil Nur, wo die Kraft der
Einzelnen nicht mehr ansreicht, Vorsorge für das
Alter nnd die Familie, Schutz vor Krankheit, Unfall
und Arbeitslosigkeit, Hilfe für die wirtschaftlich
Schwachen, sei es für die Nahrung, sei es für die
Bekleidung, sei es für die Wohnung. Aber die großen
aufbauenden Tilgenden: M u t , Selbstvertrauen, Verantwortungsgefühl, I n i t i a t i v e nnd Fortschritt gedeihen nur ill einem nnbeengten aktiven Wettkampf,
nicht im Glashans und nicht im Gefängnis, sondern
in der Freiheit.
Der Gegensat) zwischen den Anhängern der beiden
Parteien, von denen die eine den Hanpllon anf die
Freiheil legt, die andere vm- allem die Akkorde der
Sicherheit anschlägt, lann also nicht darnm gehen,
daß die einen von den anderen ans dem Felde geschla
gen und ;ur Ohnmacht verurteilt werden, es kann
vielmehr nnr ein Kampf sein nm das richtige Maß
und Ziel, wohl wissend, daß es in der Politik niemals
einen Abschluß der Entwicklung gibt.
Es mag nnil sein, daß diese meine Ansichten vmi
einzelnen robusteren Naturen
als
schöngeistige
Schaumschlägereieil bezeichnet werden, wie dies ja
auch schoil tatsächlich vorgekommen ist. Das kann ich

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naliirlich nichi hindern, wie es ja anch der Mond nicht
hindern kann, wenn ihn einzelne Hunde anbellen. Er
läßt sich dadnrch ja anch nicht beirren und zieht Weiler seine Bahn. I c h könnte solchen Argumenten, die
mit einiger Überheblichkeit manchmal als sogenannte
Realpolitik be;eichnel werden, vielleicht das Wort des
tlngen Franzosen I o n b e r l entgegenhalten, welcher
einmal sag«! „Die Vx"fe mag noch so groß tun, sie fällt
schließlich docl, wegen ihrer Anfgeblasenheit znsam
men." Und ich möchte dem anch meine durch vielfältige Erfahrnngen gewonnene Überzengnng entgegensetzen, voil der ich mich nicht abbringen lasse, die Überzengnng, daß geistige Waffen zwar viel langsamer arbeiteil nnd viel uilscheiubarer zum Erfolg führeil als
die Waffen der Organisation, der Propaganda nnd
der Demagogie, aber letzten Elides ist der Sieg des
Geistes nnwiderstchlich, weil eben der Geist die M a terie formt nnd gestaltet. Alles andere gleicht einem
tönenden Erz und einer klingenden Schelle,
Manche verwechseln vielleicht den Geist in der
Politik mit dem Raffinement und dem politischen
Räntespiel. Aber ein berühmter englischer Staatsmann (Bnrke) sagt dazu: „Raffinierte Politik war immer die Mntter der Verwirrung lind w i r d es immer
sein, solange die Welt steht. Schlichte gute Absicht,
welche ebenso schncll"«beim erstell Blick erkannt wird,
als der Betrng sicher am Ende zn entdecken ist, besitzt,
läßt es mich aussprechen, keine geringe Macht i l l der
Regierung der Menschheit."
D a m i t möchte ich die Reihe meiner Gedanken schließeil nnd Sie alle, meine Damen und Herren, bitten,
iil den Alltag zurückzukehren nnd mit der Arbeit zn
beginnen. I c h kann aber nicht besser schließen als dadurch, daß ich noch die Worte eines der größten Geister der Meilschheitsgeschichtc i l l I h r e Erinueruug
rufe, die Worte Platos, die er vor etwa zweieinhalb
Iahrtlluscudcu all D i o n uud seme Freunde schrieb:
„Wenn Euch i n : Augenblick jene stetigen und vielsachcn Kämpfe bedrücken, wie sie i n revolntionären
Zeiten Tag für Tag zu entsteheil Pflegen, so muß sich
einfach jedcrmaun, dem die Gottheit auch uur einen
Fnnken Verstandes verliehcu hat, darüber klar sein,
daß es in cincr Revolution kein Ende der bösen Taten
gibt, bis die Sieger i n den Kämpfen aufhören, sich an
ihren Gegnern zu rächen. Vielmehr müssen sie sich
selbst in Zucht nehmen, allgemein gültige Gesetze geben, die um kein Haar m c h r Z u i h r c m politischen
Vorteil beitragen als zu dem der unterliegenden Partei, nnd diese Partei nur durch zwei M i t t e l zwingen,
ihren Gesetzen ;n gehorchen: durch Scham uud Furcht.
Durch Furcht, indem sie zeigen, daß das Gesetz ihnen
an Gewalt überlegeil ist; durch Scham aber, indem sie
sich selbst als überlegen gegenüber ihreu ^eidenschaf
ten beweisen nnd als Männer, die v o r a l l e m a nd e r e u willens nnd fähig sind, sich den Gesetzen zn
beugen. Anf eine andere Weise kann eine von Revo^
Intionen heimgesnchte >3tadl wohl nie ",nr Ruhe
kommen."
M i t Gottes Hilfe hoffe ich, diesen Prinzipiell, denen
ich scholl bisher mit meinen schwacheu Kräften zn dienen versucht habe, anch in Znknnft treu zn bleiben,
zum Wohle unserer alten, guten, schönen Heimatstadt
nnd ihrer Bewohner.