Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1950

/ Nr.4

- S.2

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 1950_Amtsblatt_04
Ausgaben dieses Jahres – 1950
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
Seite 2

Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck

giernng ist natnrnolwendig oligarchial). Demokratie
ist nur i n dem Maße vorhanden, als die regierende
Gruppe aus der Masse des Voltes her"vorgegaugeu ist
und mit Recht Anspruch er"hebeu kaun, deren Äieiuunq
zum Ausdruck zu briugell. Daher ist die Macht, die
die Parteien innerhalb des Volkes ausüben, im wei
tereu Ullifang etwas Normales uud Naturgegebeues.
Die politischen Parteien sind daher nach meiner Über
zeugung nicht eil: unvermeidliches Übel, loie man
nicht selten behaupten hört, sie sind nnter den gegebe
neu sozialen, uud politischeil Verhältnissen das auge
messene Sprachrohr, mit dem die Masse ihren Willen
knndgibt, uutcr der Voraussetzuug allerdings, daß sich
die Macht der Parteien nicht zur Allmacht entwickelt,
denn dann w i r d jede Demokratie nur I l l u s i o n .
Was für die Parteien ini Eiuzeluen gilt, gilt auch
für ihr Z u s a m m e n a r b e i t e n i m Nahmen der
Demokratie. Es ist kein unvermeidliches Übel, wenn
die Parteien miteinander "verhandeln müssen, denn
nur so wird eine gegenseitige Kontrolle wirtsam, uur
so kaun jedes Problem gründlich von allen Seiten er
örtcrt werden.
Aber vergessen w i r nicht, meine Damen nnd Herren,
die Demokratie ist nicht Selbstzweck, sie ist nnr ein
.Instrument, ein M i t t e l mm Zweck. Sie können noch
so einwandfrei demokratisch den, Beschluß fassell, daß
die Ziegel eiucr Mauer schief übcrcindaudcr zn legen
sind, die Mancr wird zilfannncnstürzen, weil es Physikalische Gesetze gibt, "gegen die keiu demokratischer Beschluß aufzukommen vermag. Sie köuueu den einhelligen Beschluß fasseu, daß zwei mal zwei iu Hinkunft
fünf zu sein hat, die Welt wird über Sie mit Necht
ihren Spott ausgießen, weil es eben mathematische
Gesetze gibt, die I h r e r Beschlüsse spotten. Nud wie es
Physikalische uud inathematische Gesetze gibt, gegen die
kein Parlament der Welt ohne Strafe anrennen kann,
so gibt es auch ein Sittengesetz, ein Gesetz von Treu
uud Glauben, das uns allen unverrückbar auferlegt
ist und das keine noch so scholl konstruierte Formaldemokratie übertreten darf, ohne für die Menschheit
größten Schaden und größtes Unglück heraufuibe

fchwören.

Wenn loir alle dieses Bewußtsein in nns tragen,
daß wir nicht Herrscher aus eigeucr Macht oder aus
der Macht und der Zahl unserer Wähler siud, son
deru Diener eiues unverrückbaren und unabdingbaren
Gesetzes, dann werden Wir trotzdem noch immer Feh
ler machen, weil wir eben fehlerhafte Menschen sind,
aber wir werden bei gutem Willeu auch in der schwie
rigstcn Streitfrage schließlich einen gemcinsameu Weg
finden. Neun Nur uns als Diener eiues höheren Ge
setzes fühlen, wird das uus selbst zur Ehre, und der
Bevölkerung, deren Wohl uns anvertraut ist, zum
Scgeu gcrcicheu. Denn das Wohl der Gesamtheit muß
das Ziel unserer Tätigkeit sein, nicht das Souder
interesse einer Partei, einer Klasse oder einer Interesseutengruppc.
Unser Tnn soll jeder;eit im Einklang stehen mit den
Bedürfnissen, Sehnsüchten und Sorgen, die ans dein
Schoß der Bevölkerung hervorquellen. Aber höchstes
Ziel der Politik und höchstes Verdienst der Demo
fratie wird es immer seiu, die Masse uicht dorthin zn
führeu, wohiu sie iu einem dunklen Drange nnd durch

Nummer 4

Demagogen oft irregeführt, manchmal g e h e n w i l I,
sondern dorHin, wohin sie gehen soll.
I c h habe in der vergangenen Amtsperiode uueut
loegt die Überzeugung vertreten nnd werde mich da
von, trotz aller immer wieder auftaucheudeu Nück
schlage, auch iu der Zukunft uicht abbringen lassen,
daß in einer wirklichen und fruchtbringeudeu Demo
kratie die Herrschaft der jeweiligen Mehrheil nnr un
ter Berücksichtigung der gerechten und begründeten
Ansprüche der Minderheit ausgeübt werden soll" eben
soweuig ist es aber auch ciuer Minderheit je erlaubt,
uutcr Ausnützung ^ ^ zufällig sich ergebenden günstigen Gelegenheit an der Mehrheit Erpressnngsvcrsnche zu üben. Maßgebend ist nicht, wer ;nfällig siecht
behält, sondern einzig nnd allein, was Necht ist. Nnr
so kann eine Atmosphäre von Tren uud Glaubeu ge
deiheu. Wenn w i r uns nicht an diese Grundsätze Hal
teu, versinken w i r sehr bald ill das Gesetz des Dschuu
gels, bei dem der Stärkere den Schwächeren bei jeder
sich ergebenden, Gelegenheit unbarmherzig niederschlägt oder versklavt. E i n solches Leben wäre nicht
menschenwürdig, weder für den, der es an sich reißt,
noch für den, der es erdulden muß.
I c h gebe mich kciueu Augenblick eiuem Zweifel dar
über hin, daß die Führung der Gemeindegeschäfte
durch die Zusammensetzung des neuen Gemeiuderates
vielleicht schwieriger und reibungsvoller sein wird als
bisher. Neue uud uuverbrauchte Kräfte siud einge
zogen, manche davon, die sich bisher uur negativ be
tätigen konnten. Vor allem werden die Schwierig
leiten auch deshalb größer sein, weil voli nuu an
keine der Parteien für sich allein die Mehrheit besitzt.
Daher wird umsomehr Znsammenarbeit berrschen
müssen, wenn es überhaupt zu einer gedeihlichen Ar
be it kommen soll.
Was mich betrifft, so gebe ich das Versprechen des
guten Willens ab. Meinerseits soll alles geschehen, um
eine Atmosphäre ;u schaffen, die die Voraussetzung
einer fruchtbaren Tätigkeit ist; uud jeder brauchbare
Vorschlag, von welcher Seite er immer komme, soll
aufgegriffen, geprüft nnd ernstlich behandelt werden,
wenn immer es Vorschläge sind, die nicht demagogi
schcli, unehrlichen Absichten entspringen.
Das Vorhandellsein mehrerer Parteien, von denen
keine sür sich alleili die Mehrheit besitzt, muß aber
keineswegs ein Nachteil sein. Das gehört zum Wesen
der Demokratie und diese muß damit fertig werdeu.
Es wird mir niemand dabei zumuteu, daß ich bei der
Zusammeuarbeit mit anderen Parteien meine eige
neu Grundsätze anfgebeu werde. I c h mute dies aber
auch dem Politisch Andersgesinnten nicht zn. M a n
gibt seine Überzeugung nicht einfach preis, weder für
ein Linsenmns, noch für dreißig Silberlinge. Aber
ich habe vielfach die Erfahrung gemacht, daß gerade
die Männer am besten miteinander verhandeln kön
nen, die von ihrer eigenen Über;engnng nnd von der
Nichtigkeit ihrer Idee ehrlich dnrchdrnngen nud in sich
gefestigt sind; denn diese leideil nicht an der inneren
Anstst, über irgend welche Fallstricke zu slolperu. sie
haben daher auch uicht das Bedürfnis, sich au billige,
kleinliche, äußerliche Presligeangelegenbeilen ;n klam
lnern.