Innsbruck Informiert

Jg.2001

/ Nr.2

- S.45

Suchen und Blättern in knapp 900 Ausgaben und 25.000 Seiten.





vorhergehende ||| nächste Seite im Heft

Zur letzten Suche
Diese Ausgabe – 2001_Innsbruck_informiert_02
Ausgaben dieses Jahres – 2001
Jahresauswahl aller Ausgaben

Dieses Bild anzeigen/herunterladen
Gesamter Text dieser Seite:
INNSBR

Von Nudeln, Bomben und Raketen
Obwohl in Tirol Witz und Humor dem
Hörensagen nach nicht nur auf die Faschingszeit beschränkt sind, bot die Zeit
zwischen Martini und Faschingsdienstag doch Anlass, diese aus ihren Fesseln zu befreien.
Aus dem Stadtarchiv
von Gertraud König

schingszeitung „Die Laus" im Jahr 1923
heraus. Das „llluschtrierte lausige Blatt
aus St. Nikolaus" erschien mit Unterbrechungen bis 1963 und stand in ihrem
Einfallsreichtum den Höttingern nicht
nach.
Die Erstarkung des sozialistischen
Elements in der Gesellschaft der Jahrhundertwende fand ihren Niederschlag
im Faschingsorgan des BuchdruckerGesangsklubs Typographia, den „Typographischen Faschingsbomben",
welche in unregelmäßigen Abständen
und unter verschiedenen Namen, wie

In erster Linie waren es Männergesangsvereine, welche anlässlich ihres
Faschingsballs eine Faschingszeitung
herausgaben, in welcher die Vorkommnisse des vergangenen Jahres in humorvoller, aber auch bissiger Form kommentiert wurden.
Aber auch Turn- und Alpenvereine,
politische Vereinigungen, das Landestheater, die Exl-Bühne und das
Pradler Bauerntheater ließen es sich nicht
nehmen, das Ihrige zur allgemeinen Unterhaltung und Erheiterung beizutragen.
Die meisten
Narrenblätter
înntévutftv
<0, Jfm
fWKPl
wurden zu Beginn des 20.
Jahrhunderts
und
in
den
zwanziger Jahren
verfasst.
Viele dieser Zeitungen erschienen nur wenige
Male, manche
Organ fär höchst zeïlgcmSgîs 8 B * en mû Beiles*.
sogar nur ein- ;
mal, andere hingegen bereicherten vie„Posaune", „Rakete" und „Triumphle Jahre hindurch die Faschingszeit mit
Pforte", von 1889 bis 1967 erschienen.
ihren Satiren.
Auch vom Arbeiter-Sängerbund Eintracht liegen die Jahrgänge 1908 bis
Die längste Kontinuität weist das ein1920 der „Trompete" vor. Leider fehlen
zige noch existierende und wohl beviele Jahrgänge der Originalzeitungen,
kannteste Innsbrucker Faschingsblatt,
daher kann nur aus den Jahrgangszahdie „Höttinger Nudl", herausgegeben
len der Erscheinungszeitraum errechnet
vom Sängerbund Hötting, auf. Sie war
werden.
zwar nicht die erste Narrenzeitung, erscheint jedoch seit 1908 unter dem
Nach dem Motto „Durch die Hachel
Wahlspruch „Höttinger Nudl, Stamser
mit dem Klachel! Durch Narrheit zur
Kas, spitzige Nasn, pflatschete Arsch!"
Wahrheit!" gaben engagierte JournalisLediglich in der Zeit von 1915 bis 1924
ten in der Zwischenkriegszeit bis zum
und 1939 bis 1949 hatten die NudlVerbot der Sozialdemokratischen Partei
Schreiber andere Sorgen, als ihre „spitim Jahre 1934 das rote Faschingsblatt
zige Nasn" in größere und kleinere Miss„Die Hachel" heraus. Diese „Zeitschrift
stände zu stecken.
zur Sanierung aller männlichen und
weiblichen Faschingslumpen" mit der
Die Sängerkollegen aus St. Nikolaus
offiziellen Beilage „Der Amtsschimmel"
brachten die erste Nummer ihrer Fa-

lp3W

22

wollte mittels ihrer Satiren frischen Wind
in die verstaubten Amtsstuben bringen.
Der Akademische Sängerbund verfasste um die Jahrhundertwende „Die
Baßgeige", der Akademische Gesangsverein gab etwa zur gleichen Zeit die
„Neuen Tiroler Narren-Stimmen" heraus.
Eines der ältesten Blätter ist das
„Innsbrucker Beißzangl", das Narrenblatt der Innsbrucker Liedertafel. Das
älteste erhaltene „Organ für höchst zeitgemäßes Zwicken und Beißen" mit der
Jahrgangsnummer 25 erschien 1881,
demnach erstmalig im Jahr 1856. Das
letzte erhaltene Exemplar stammt aus
dem Jahr 1929.
In den Spottblättern werden menschliche Schwächen und Unzulänglichkeiten aufs Korn genommen, das ganze
Jahr hindurch lauern die Schreiber auf
fastnachttaugliche Vorkommnisse. Als
Hauptinformationsquellen
dienen
Gasthäuser, Informanten und gesellige
Zusammenkünfte.
Welt-, National- und Regionalpolitik
bot dazumal wie heute genügend Angriffsfläche und durfte beinahe ungestraft mittels der Satire gegeißelt werden. Zu Kaisers Zeiten verhinderten
Zensurorgane die nach ihrer Ansicht
ärgsten Auswüchse. Aus der Zeit des
Nationalsozialismus lässt sich kein einziges Blatt nachweisen.
Aus den Spottblättern weht uns ungefiltert der Zeitgeist entgegen, Ängste,
Hoffnungen, Einstellungen und Haltungen lassen sich aus ihnen ablesen, sie
sind Dokumente des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandels im
vergangenen 20. Jahrhundert.
Die Lust am Rügen und Bloßstellen
von Fehlverhalten und Missständen ist
ein wesentliches und tragendes Element
der Fastnacht und damit der Faschingszeitungen. In erster Linie allerdings wollte man unterhalten und unterhalten werden.
Manch einer oder eine mag wohl eine
Zeitlang wegen des Verrisses eingeschnappt gewesen sein, hütete sich jedoch gewöhnlich, den Missmut allzu
deutlich zu zeigen, nach dem Motto
„Wer den Schaden hat, braucht für den
Spott nicht zu sorgen!"

INNSBRUCK INFORMIERT - FEBRUAR 2001