Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1949

/ Nr.10

- S.3

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Nummer 10
Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck
Seite 3
bestrebt sind, auch die geistige und feelische Kultur in dem wertvollen Gut, das wir besitzen, in unseren Kindern wieder möglich zu machen. Wo bisher Tod und Verderben, Staub und Schutt und öde Fenster höhlen
vom Fluche der menschlichen Leidenschaften kündeten, sollen von nun an wieder junge, fröhliche und lärmende Kinderscharen ihren Einzug halten. Wir wollen uns daran freuen und diesen Wandel als Zei chen
nehmen, daß das Leben den Tod zu überwinden vermag.
Das Leben besteht aber nicht nur aus materiellen Gütern. Es gibt kein wahres und menschenwürdiges Leben, wenn nicht der Geist und die Sitte die Herr schaft führen. Darum fordere ich die Lehrkräfte auf, ja nicht
darauf zu vergessen; wenn die Kinder in dieser Schule das A=bec lernen müssen, so soll dies nur ein
ndwerkzeug dafür sein, um in die Geheimnisse unse rei Muttersprache einzudringen, um die edelsten und besten Werke unserer Dichter und Denker in sich auf nehmen zu können. Wenn den Kindern die Gesetze der
Mathematik beigebracht werden, so denken Sie daran, daß es nicht nur Gesetze der Mathematik gibt, sondern noch viel wichtigere Gesetze, die allein das Zusammen leben von Menschen möglich machen. Es sind
dies die Gesetze: du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches Zeugnis geben, du sollst nicht begehren deines Näch sten Eigentum, es sind dies die Gesetze von Treu und Glauben, von Mein und Dein. „Es gibt mehr
Dinge zwischen Himmel und Erde als Deine Schulweisheit sich träumen läßt, Horatio“, heißt es im Hamlet. Und wenn ich die Türe dieses Hauses öffne und den Schlüssel der Lehrerschaft übergebe, so übergebe ich
ihn mit dieser Mahnung.
Wir haben aber nicht nur für Schulkinder diese Räume errichtet, sie sind auch für erwachsene Schüler bestimmt, die den gewerblichen Unterricht besuchen
Auch diesen will ich zurufen, daß jeder nur dann ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft ist, wenn er sich bemüht, auf seinem Gebiet, in seinem Beruf, in seinem Wirkungskreis das Beste und Vollkommenste zu
leisten. Non scolae sed vitae discimus — heißt ein römischer Spruch — nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Nicht der Schule wegen nicht des Lehrers wegen und nicht des Zeugnisses wegen
machen wir die Aufgaben und die Übungen, sondern weil wir im Leben unseren Mann stellen wollen. Und so begrüße ich alle die Scharen, die von heute an in diese Räume ziehen und beglückwünsche sie, daß sie
ein schöneres und wertvolleres Haus be sitzen als je zuvor. Dies wäre nie möglich gewesen, wenn nicht alle Kräfte zusammengewirkt hätten vom letzten Hilfsarbeiter bis zu den Handwerkmeistern, den
Bauunternehmern, den Vertretern der Schul= und Baubehörde und den Mitgliedern des Gemeinderates. Ich spreche daher allen diesen meinen Dank aus und weiß, daß dieser Dank in Worten wenig besagt. Aber der
Stolz und die Befriedigung, mit der sie auf dieses vollendete Werk sehen können, gilt mehr als alle Worte.
Und so übergebe ich den Schuldirektionen und der Kindergartenleitung den Schlüssel dieses Hauses, wie ich ihn vom Baumeister empfangen habe. Das Haus sei nunmehr Ihrem Schutze anvertraut, aber nicht nur
das Haus, sondern alle, die in Zukunft darin arbei ten, lernen und leben. Sie übernehmen es als Diener am Wohl der Gesamtheit und ich bitte Sie, allen Schülern die Pflicht zum Dienst an der Gesamtheit zu lehren.
Denken Sie aber immer, was ein großer russischer Dichter einmal gesagt hat: „Der Mensch muß ein Diener der ewigen Gesetze Gottes werden, sonst wird er Sklave irgend eines menschlichen Ty rannen.“
Ehrenringträger Abt Heinrich Schuler +
Heinrich Schuler, Abt des Prämonstratenserstiftes Wilten, ist am 4. Oktober 1949 im 82. Lebensjahre (geb. am 3. Jänner 1868) in seiner einstigen Stu
dierstadt Meran verschieden. Damit hat Innsbruck wieder einen seiner Ehrenringträger und einen Kul turmenschen alter Prägung verloren. Wenn des Ver ewigten in diesem „Amtsblatte“ (1947; Nr. 9) auch bereits
gelegentlich der Überreichung des Ehrenringes der Stadt Innsbruck gebührend gedacht wurde, darf doch keinesfalls versäumt werden, ihm an dieser Stelle Zeilen der Erinnerung zu widmen.
27 Jahre lang hat Abt Schuler sein Stift durch schwerste Zeiten politischer wie wirtschaftlicher Not gesteuert, mehrere Jahre wie in einem Austragstüb chen im Amraser Widum verbringen und schließlich sogar die
fast völlige Zerstörung der Stiftskirche und Klostergebände miterleben müssen. Wie letzte Abend sonnenstrahlen seines Lebens mag ihm erschienen sein, als er wieder in seine notdürftig ausgebesserte Prälatur
einziehen konnte, als er in feierlicher Weise das Gnadenbild der „Mutter Gottes unter den vier San len“ heimführen durfte, die große Wiltener Pfarr
glocke wie ehedem ihre eherne Stimme erschallen ließ und erst jüngst das neuerbaute Berg=Isel=Museum feierlich eröffnet wurde.
Wer kannte ihn nicht, den gütigen, stets freundlich lächelnden, leutseligen „gnädigen Herrn“ von Wilten? Und wenn ihm die Sorgen für sein Stift und sein Priesteramt einige Stunden der Erholung übrig lie ßen, dann
widmete er sie der Erforschung der Ge schichte seiner geliebten Tiroler Heimat. Besonders die dunklen Zeiten der Urgeschichte bemühte er sich
aufzuhellen, ——— wie er selbst einmal launig er
klärte, weil man ihm auf diesem Gebiete am schwer sten Irrtümer nachweisen könne. Er scheute sich nicht weder selbst den Spaten in die Hand zu nehmen, noch die erdbeschmutzten Urnenreste mühsam
zusammenzu setzen. Soweit es seine sinkenden Körperkräfte gestatte ten, beschäftigte er sich auch in der letzten Zeit immer noch mit Fragen der Stiftsgeschichte, über die er meh rere Arbeiten veröffentlicht hatte.
Als die Beschwerden des Alters immer bedrangender wurden, erbat sich Abt Schuler einen Koadjutor zur Leitung seiner Amtsgeschäfte. Nun wollte er sich in den milden