Innsbruck Informiert

Jg.1997

/ Nr.1

- S.63

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330.000 Kubikmeter Schnee werden
per Computersimulation gestartet
Einmal „losgelassen", beschleunigen die Schneemassen auf 250 Km/h , rasen mit 70 Meter pro Sekunde auf dem 75 Prozent Gefälle der Rumerspitze
talwärts und zwängen sich in die Mühlauer-Klamm. Zum Glück „nur" auf
Knopfdruck via Bildschirm in der Hofburg: In einer eigens entwickelten und
einzigartigen Computersimulation geht das Institut für Lawinen und Wildbachforschung der Mühlauer-Klammlawine auf den Grund. Das Ergebnis ist
die Grundlage für die nötigen Verbauungen.
Am 21. Jänner 1951 zeigte die
„Klammlawine" ihre Wucht und Gefahr.
270.000 Kubikmeter Schnee rasten in
dem größten Lawinenjahr Westösterreichs von der Rumerspitz bis in die
Mühlauer Kirchgasse, zuerst als
Staublawine, dann komprimiert als
Naßschneelawine, und zerstörten das
alte E-Werk. Der „Supergau", mit dem
nach wissenschaftlicher und statistischer Erfahrung der „Lawinen- Branche" einmal in 150 Jahren zu rechnen
ist, steht aber erst bevor - bei extremen
Schneefällen und durch Überlagerung
von Lawinenabgängen beiderseits der
Arzler Scharte, von der Schusterreißen
und der Rumerspitz, durchaus möglich.
Über 30 Hektar groß ist das Abbruchgebiet im Bereich des langgezogenen Grades der Rumer Spitze (2450
Meter), „gespeist" von einem „Rinnensystem": Der östliche, der mittlere und
der westliche Graben oder „Bruchgraben" (dieser mündet direkt in die
Mühlauer-Klamm) sind die drei ausgeprägtesten Rinnen. Zwischen den
2450 Metern Gipfelhöhe und den 580
Metern von Mühlau baut die Rumerspitz-Lawine auf den fast 1900 Höhenmetern mit durchschnittlichen 75 prozentigen Gefälle ihre vernichtende Energie auf. Für einen „Supergau" wären
die Stützverbauung am Gamsanger
(unterhalb der Rumerspitze), die drei
Bremskegel und vier Ablenkdämme in
der „Klamm" als Schutz unzureichend.
Die Wildbach- und Lawinenverbauung, von der Stadt beauftragt, arbeitet
an einem Projekt, um auch diesen Teil
Innsbrucks, übrigens die einizige von
Lawinen unmittelbar bedrohte Stadt
Europas, wirkungsvoll vor der „weißen
Gefahr" zu schützen.
Wie „marschiert" die Lawine in diesem Rinnensystem, können die

Schneemassen „überspringen", welche Verbauung hat den besten Eeffekt
und wo? Grundsatzfragen für die Ingenieure der Wildbach- und Lawinenverbauung, mit den bisher gängigen
Methoden kaum zu berechnen. Nun
druckt ein Hochleistungsrechner des
Instituts für Wildbach- und Lawinenforschung der forstlichen Bundesversuchsanstalt die Antwort aus.
„Die Dynamik und inneren Kräfte bei
Staublawinen verlaufen ähnlich wie die
Explosion in den Verbrennungssräumen von Motoren," so Dr. Horst
Schaffhauser, Institut für Wildbach und
Lawinenforschung. „Wir können nun
die dynamischen Vorgänge in der
Staublawine simulieren." Über eine eingespielte Luftbildaufnahme des Lawinengebietes des Rumerspitz- Massivs,
wird ein Berechnungsgitter gelegt und
in 60.000 „Würfel" aufgeteilt.
330.00 Kubikmeter Schnee wurden
in der Simulation „gestartet", um
60.000 mehr als im Katastrophenjahr
1951. Das Ergebnis, bedeutend auch

für die Erstellung des Gefahrenzonenplanes. Das kritische Potential für einen
Supergau liegt im „westlichen" Bereich,
im „Bruchgraben" und unterhalb der bereits bestehende Stützbauten. Vor allem, wenn die rund 1,5 Kilometer „Kompression" der Mühlauer Klamm durch
andere Lawinenabgänge etwa von der
„Schuster Reißen" vorgefüllt wäre,
„würde die Rumerspitz Lawine auf dem
14 prozentigem Klammgefälle wahrscheinlich erst unter der Schweinsbrücke zum Stehen kommen",warnt DI
Manfred Pittracher von der Wildbachund Lawinenverbauung.
Eine Verbauung im Abbruchgebiet
halten die Experten nicht für sinnvoll,
aus landschaftsästethischen und finanziellen Gründen (70 Mio Baukosten).
Zwei Bauwerke werden es sein, die
am Eingang und Ende der Klamm,
oberhalb und unterhalb des Rosnerweges, die Kraft der Lawine brechen
sollen, jeweils 20 Meter hoch aus Beton und Stahl in einer nicht durchgehenden Gitterstruktur. Die Sperrenstellen sind bereits vermessen, die detaillierten Pläne der Sperren werden
noch ausgearbeitet. Nach Abschluß
der Naturschutz- und Wasserrechtsverfahren rechnen die Techniker der
Lawinenverbauung mit einer Bauzeit
von zwei bis drei Jahren.

Zwischen Mandlspitz und Rumerspitz erstreckt sich das Abbruchgbiet der Mühlaurer
Klammlawine.
(Foto: G. Andreaus)

INNSBRUCK INFORMIERT - JÄNNER 1997

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