Amtsblatt (der Stadt Innsbruck)

Jg.1947

/ Nr.9

- S.4

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Amtsblatt der Vandcshauptstadt Innsbruck

Nummer

mich nicht
ich sehe es täglich aus de» A»ge» ineiner
Vescr leuchten: d i e ^ t a d t b ü cd e r e i
l o !> n >

kummer- und sorgcnbeladenen Mitmenschen heraligetragcn wird. Da wird mir das Herz froh und wen,
und auch die viele mühevolle Kleinarbeit entmutigt

,ich!

Das städtische Schulwesen in Innsbrnck
Teil.
Tieser als die Zerstörungen, die der Bombenkrieg
an den städtischen Tcbulhäuscru anrichtete, sind jene
gegangen, die ein verfehltes Erziehungssystcm unserer
Schuljugend zugefügt hat. Der Nationalsozialismus,
diese dem österreichischen Wesen, besonders dem des
Tirolers fremde Erfindung eines Menschenvergewaltigers, hat die Schule zu einer Einrichtung gemacht, dic
zu nichts anderem dienen sollte, als aus Kindern Parteigenossen zu fabrizieren. Jeder Unterricht war durchsetzt von den Formeln, Schlagwortcn, Tages- und
Wochcnfprüchen, die eine auf vollen Touren laufende
Propagandamaschine lieferte; Sachlichkeit war verpönt, alles hatte „weltanschaulich ausgerichtet" und
„gleichgeschaltet" zu sein; wer nicht mittat, war etwa
nicht ein Außenseiter, sondern mit zehn Jahren schon
ein Feind des Führers, des Vaterlandes, des deutschen
Volkes. Der übelste HJ.-Führer galt mehr alo der beste
Lehrer, das Elternhaus unterstand gleichsam der staatspolizeilichen Aufsicht durch deu Nachwuchs
fo wenigstens stallte man sich die Wirksamkeit der „Garanten
der Zuknuft" vor
, das Alter galt als gegenrcvolutionär, bürgerlich, überwunden; der Respekt vor ihm
gehörte zum Gerumpel einer abgetanen Welt. Mehr
als Fleiß, Bescheidenheit, Verläßlichkeit wogcnSchlagfertigkeit, Schlauheit, Selbstbewußtsein; das soziale
(^"fübl lvar nicht auf deu Nächsten, den Schwächeren,
.hilfebedürftigen belogen, foudcru auf eine abstrakte
^meinfchaft wie „die Partei", das „ W H W " , das
„deutsche Volk" und dergleichen.
Das Ergebnis dieser Erziehung war ungefähr folgendes: Äusierst"mangelhafte Fortschritte im kernen,
statt klarer Vorstellungen eiu rosiger Phrafennebel, statt
Gehorsam — D r i l l , statt Nächstenliebe
Sammelbüchsengeklapper, statt freier nnd mutiger Haltung
Anmaßung und oft genug Unverschämtheit. Das
Schlimmste aber war, daß ein groster Teil der Jugend
dics alles nur äußerlich mitmachte, ohne einen inneren
Gegenwert zu besitzen, daß sic also leer blieb, während
sie iu Reih und Glied marschierte nnd nicht immer ohne
spöttisches Schmunzeln dem Getrommel der Propaganda zuhörte. Daß ein ganzes Volt gezwungen war,
sich mit Heil Hitler zu grüßcu, obwohl ein großer Tei!
von ihm sich etwas ganz anderes dabei dachte, hat die
»Organe für das Moralische allmählich zerstört und eine
so allgemeine Verlogenheit verschuldet, daß es durchaus begreiflich ist, wenn jetzt vicle Veute nickt mehr
gcnan wissen, ob sie einmal Nationalsozialisten waren
oder nicht.
Diese Jugend nun, unterernährt au Veib und Seek-,
verwirrt von Bombennächten, Plünderungen und dem
Zusammenbruch zahlloser Familien, hatte deu K r i , ^
überstanden nnd begann im.derbst l".»!."> unsere Schulstuben wieder zu füllen. Die Hauptaufgaben, vor der
sich die Lehrerschaft in diesem Augenblick gestellt sah,
bestanden darin, in den Kindern wieder Zutrauen zur

Schule zu wecken, ihnen Gewissenhaftigkeit, Bescheidenheit nnd Fleiß anzuerziehen, die großen Wissenslücken zn schließen, die in der Zeit der K^"V-Vagcr entstanden waren, das fremde fühlen, das die propagierte
Phrase verschuldet hatte, auszutilgen, kurz, die Jugend
wieder zu sich selbst zurückzuführen. Dem stehen noch
heute gewaltige Hindernisse entgegen: von der politischen Labilität unseres Staatswesens angefangen bis
zum Fehlen der Griffel, die der Abe-Scbuye braucht,
um schreiben zu lernen; 4on den Auswirknngen des
uuglückseligen Nazigesetzes bis zum Mangel au schuhen für die Kinder
alles scheintsichgegen den Ersolg
der Lchrcrarbeit verschworen zu haben. Dabei wächst
die Zahl der Kinder jeden Herbst und es wird immer
schwieriger, sie in den vorhandenen Räumen unterzubringen. l 9 l 5 / l l l waren cS 6015,, l i ) l l ; / ! 7 : 2l, :m
kommenden Schuljahr haben wir mit zirka 7<>^<> ",u
rechnen. Dr. Rettmeycr hat in scmcm Bericht daraus
hingewiesen, daß die Zunahme der branchbaren Scbulräumc durchaus nicht in dem gleichen Maße erfolgt
wie die der Kinder. Zuwc^suua>u iu audere ^cbnlsprcngel, Halbtagsunterricht (Wechsclklassen), Abweisung der bei Schulbeginn noch nicht Sechsjährigen sin?
die Folge dieser Raumnot.
Aber auch der Unterricht selbst begegnet Schwierigkeiten, die sich erst im Vaufe der nächsten Jahre vermindern werden. Es fehlt an ^ehr- nnd Lernmitteln, die
Schulbücher- und Schulheftfrage liegt dank der heillos
verfahrenen Papierbewirtfchaftung schwer im Argen,
Tafeln und Griffel sind nicht zu haben, der Lehrer muß
die ^ehrterte an die Tafel malen, muß jede Rechenaufgabe vorfchreibeu, weil es keiu Rechenbuch gibt, er mnsi
an den Hauptfchnlen den Merkstoff ans Geschichte, Erdkunde, Naturlehre, Naturgeschichte, Sprachlehre entweder an die Tafel schreiben oder diktieren, weil kein."
Vehrbücber zur Hand sind.
Die Vehrpläne Österreichs vor !".»".i^ sind wieder Kraft. Sie gewährleisten einen sachlichen, von allem
Politischen unbeeinflußten Unterricht. Das österreichische Schulwesen nahm bis znm Anschlnß einen europäisch hohen Rang ein, anerkannt selbst vom „Dritten
Reich", das z. B. die österreichische Dauptscbule allgemein einführte. Noch entsprechen die Vcistuugeu der
letzten zwei Jahre freilich nicht dem erreichbaren Stand
die Hemmnisse wurden anfgezeigt
, ab>> es gib:
doch fchon >3chulklassen iu Innsbruck, befonders unter
den Elementarklassen, die sich tro>> aller >3chwierigfeiten, mit denen Vchrcr nnd Schüler zu kämpseu haben,
dnrchans sehen lassen löunen. Die Schweiz hat ill vorbildlicher Weise mitgeholfen, die v"eistuugsfälngkcit der
Kinder wieder 5» steigern l>bne schweizerische Ausspeisuug würde sich die unzulängliche Ernäbrnng katastrophal bemerkbar machen.
Es gibt eine scherzhaft boshafte Berechnung, nach
welcher der Vehrcr im Jahr mehr als :lll."> Ferientage